Dominik Michalke

Arym Var


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über die Garde des Karndalf-Kantons gemacht, so wie es viele andere Funkoffiziere machten. Deswegen kannte er sich auch nicht besonders mit dem Militär aus.

      Er konnte auch nicht mit Waffen umgehen. Einmal hatte er in einer Kriegs-Holosimulation mitgespielt. Danach war er von den meisten Mitstreitern wegen seiner mangelnden Treffsicherheit verspottet worden.

      Sollten also tatsächlich derartige Fähigkeiten abverlangt werden, war Kargan sowieso nicht qualifiziert für den Außeneinsatz, dachte er sich.

      »Wie soll das Team überhaupt an diesen Ort transportiert werden?«, warf Mario ein, der bisher im Gegensatz zu den anderen geschwiegen hatte. »Allein das Gorres-Massiv zu erreichen wird nicht so einfach sein. Aber es zu erklimmen? Wer ist hier schon für so etwas qualifiziert? Immerhin sind die meisten hier Bürosesselhocker.« Er schmunzelte, ohne sich um die Gesichtsausdrücke der Wissenschaftler zu kümmern.

      Einer der beiden Terraforming-Wissenschaftler, die offensichtlich etwas gegen Anjiara hatten, lachte trocken und grunzte mit abfälligem Ton: »Seid ihr alle aus Watte? Wenn man als Wissenschaftler auf einer Outrange Station arbeitet, gehören Außeneinsätze zur Tagesordnung. Also tut jetzt nicht alle so, als wäre von etwas Derartigem nie die Rede gewesen.«

      »Wer hat dich denn gefragt, du schmieriger Pseudoforscher«, murmelte Anjiara verächtlich, so dass es nur Kargan neben ihr vernehmen konnte.

      Der Wissenschaftler hatte die Arme verschränkt und sah mit einem gönnerhaften Blick in die Runde. Er schien noch relativ jung zu sein. Kargan schätzte ihn auf nicht älter als etwa vierundzwanzig Jahre. Er trug ein ärmelloses Muskelshirt und hatte die Haare zu einer Glatze rasiert. Besonders markant an seinem Gesicht war das ausgeprägte, eckige Kinn.

      Als er merkte, dass Kargan ihn musterte, schien er mit einem provokativen Blick zurückzustarren, der ausdrückte: ‚Willst du was von mir? Dann komm und hol es dir!‘

      Kargan sah weg.

      Werland ergriff wieder das Wort. »Bitte. Immer die Ruhe. Wir haben die nötige Ausrüstung, die wir benötigen. Um das Massiv zu erreichen werden wir den Crawler benutzen. Von dort werden wir das Massiv erklimmen. Wir werden es überqueren bis zum Zentrum, wo wir wieder den Abstieg aufnehmen werden, um das Tal zu erreichen.«

      »Wusste nicht, dass wir einen Crawler haben ...«, murmelte Mario.

      Ein Crawler war ein Fahrzeug mit speziellen Schaufelreifen, die schnelle Geschwindigkeiten im Sand ermöglichten. Einen Crawler als Transportmedium in diesem Fall einzusetzen, um das Massiv zu erreichen, erschien Kargan logisch.

      »Die genauen Details zum exakten Einsatzablauf werden noch bekannt gegeben. Zuerst werden wir die Beteiligten des Außenteams ankündigen und dann nach einer fünfminütigen Pause genauer auf die ganze Sache eingehen.«

      Werland räusperte sich.

      Kargan sah aus dem Augenwinkel, dass Anjiara auf ihrem Stuhl hin und herrückte und zu grinsen schien wie ein Honigkuchenpferd. Der Außeneinsatz schien sie ziemlich zu begeistern.

      Werland war inzwischen zum Tisch vor sich gegangen und hatte sich mehrere Zettel aus seinen Unterlagen geholt. »Also ... zum Team. Ich selbst werde das Team zusammen mit Luis Raugen leiten. Zudem wird uns Katuzaki aus dem Geologieteam begleiten.« Einer der Geologen sah interessiert von rechts nach links und wieder nach rechts. Er hatte einen asiatischen Schlag, wie Kargan zum ersten Mal feststellte.

      »Aus der Terraforming-Abteilung werden uns noch ... Gaebus und ...«

      Werland bewegte den Finger über sein Blatt.

      Kargan bemerkte, dass Anjiaras konstantes Lächeln langsam aus ihrem Gesicht wich und sich ein Stirnrunzeln breit machte.

      » ... und ... Tarrassow.«

      Der Glatzkopf sah seinen Kumpan an. Da dieser Kargan an einen Russen von der zweiten Erde erinnerte, vermutete er ihn als Tarrassow. Der muskulöse Glatzkopf, der demnach Gaebus sein musste, lächelte süffisant.

      Auf Anjiaras Gesicht konnte Kargan nun eindeutig Wut ablesen. Er hatte schon erwartet, dass er nicht mit dabei sein würde, aber es war ihm auch egal gewesen. Anjiara offensichtlich überhaupt nicht. Noch schwieg sie jedoch.

      Werland blickte von seinem Zettel auf. »Ach ja, Mario, sie werden auch im Außenteam dabei sein. Wir wissen nicht, ob wir vor Ort nicht ihre Fähigkeiten als Techniker benötigen werden. Und schließlich sind sie wohl der einzige hier, der einen Crawler steuern kann.« Der Expeditionsleiter schenkte Mario ein schwaches Lächeln, worauf sich die Falten auf seiner Stirn noch mehr verzogen.

      »Zu den anderen, die jetzt nicht genannt wurden ...«, brummte Werland mit Blick wieder auf den Zettel in seinen Händen gerichtet, »Rukkbert wird hier die Stellung auf Andragon Outrange 15 halten«, Der Muskelprotz mit dem silbernen Ding in der Augenhöhle nickte ausgeprägt. Offensichtlich stand Rukkbert in der Befehlskette nach Werland. Es war im Kanton üblich, dem Nächsten in der Kette die Leitung zu übergeben, wenn der Leiter selbst mit auf einen Außeneinsatz ging.

      »Kargan Saturon, ihre Aufgabe dürfte wohl auch offensichtlich sein. Sie werden vom Kommunikationsturm der Station Kontakt mit uns halten, unsere übermittelten Daten speichern und an die Abteilungen weiterleiten. Es mag sein, dass sie direkt vom Andragon-Kanton-Zusammenschluss kontaktiert werden und Bericht erstatten müssen. Allerdings befindet sich die Epos auf einem regulären Zirkulationspfad. Das bedeutet natürlich, dass es wenige festgelegte Zeitpunkte geben wird, an denen wir die Informationen weitergeben können. Also versäumen sie nicht den nächsten Termin, wenn sie verstehen was ich meine.«

      Ich wollte schon immer mal mit der Epos eine Kom-Verbindung aufbauen, dachte sich Kargan ironisch. Vielleicht würde er ja ein kleines Schwätzchen mit Ravenberg persönlich halten.

      Anjiara sah ihn an, dann wieder Werland. Ihr Mund war zu einem Strich zusammengekniffen.

      »Der Rest des SHIRE Teams wird seinen normalen Aufgaben nachgehen, bis wir die ersten Daten überliefern. Diese zu analysieren hat natürlich dann oberste Priorität.«

      Werland sah kurz auf seine Armbanduhr und fuhr fort. »So weit so gut. Wie bereits vorhin erwähnt, werden wir kurz eine fünfminütige Pause einlegen, um danach für die Betroffenen die Details zu erläutern.« Er nickte der Runde zu und verstaute seine Unterlagen.

      Sofort stellte sich ein konstantes Murmeln in der Gruppe am großen Besprechungstisch ein. Einige standen auf, um sich etwas zu essen oder einen Kaffee aus dem Speisesaal zu holen.

      Anjiara zappelte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. »Ich ...«

      Abrupt stand sie auf und ging zu Werland.

      Kargan versuchte, sich im Gemurmel der anderen auf das Gespräch zwischen Werland und Anjiara zu konzentrieren.

      »Sir, ... ich wollte sie kurz sprechen ...«, hörte er Anjiara zögerlich anfangen.

      »Anjiara?« Werland sah auf.

      »Ich wollte fragen, warum ich nicht mit im Außenteam dabei bin ... Sir.«

      »Anjiara. Ich ... sage es ihnen nur ungern, aber ich habe diese Entscheidung getroffen, weil ich der Meinung bin, dass sie noch nicht genügend Erfahrung besitzen.«

      Anjiara sah entrüstet aus. »Aber, Sir ... ich ...«

      Werland unterbrach sie. »Bitte ... Sie dürfen mich nicht falsch verstehen. Ich zweifle nicht an ihren Fähigkeiten. Aber der Befehl ist vom AKZ und sie wissen was das bedeutet. Ein Befehl des Zusammenschlusses kann nur von hoher Wichtigkeit sein. Wir müssen ihn demnach bestmöglich ausführen und dazu brauchen wir die Gewissheit auf ausreichend Erfahrung im Team.«

      AKZ war die oftmals benutze Abkürzung für den in Kargans Augen umständlichen Begriff ‚Andragon-Kanton-Zusammenschluss‘. Er selbst pflegte nur diese Abkürzung zu benutzen.

      Anjiaras Gesicht war wie versteinert. Man konnte keine Emotion direkt ablesen, aber Kargan konnte ihre Frustration erahnen.

      Werland setzte sein schwaches Lächeln auf, worauf sich die Falten auf seiner Stirn verzogen. »Anjiara.