Dominik Michalke

Arym Var


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Viktoria, wo waren sie vor dieser Mission stationiert?« Kargan versuchte, freundlich zu klingen.

      »Auf der Bentham.«

      »Ah! Dann waren sie ja auf dem gleichen Schiff wie Anjiara. Ich wusste gar nicht, dass Mitglieder des Karndalf-Kantons auch auf Schiffen des Andragon-Kanton-Zusammenschlusses arbeiten können.«

      »Tja.« Viktoria zog die Augenbrauen nach oben, ohne aufzublicken.

      Eine unangenehme Pause entstand.

      Zu Kargans Glück öffnete sich im nächsten Moment die Tür und Barg-Sa kam wie immer grinsend hereingerumpelt. »Was gibt’s, Kinder« sagte er und ging zur Kühltheke.

      Nachdem er und Kargan sich eines der aufzuwärmenden Kompakt-Lunchpakete zubereitet hatten, setzten sie sich an einen der Tische.

      »Werland hat mich dazu beauftragt, während seiner Abwesenheit etwas über die Sabotage am Generator herauszufinden«, fing Kargan an.

      »Was für eine Sabotage«, fragte Viktoria. Kargan hatte bereits gute Lust, sie absichtlich zu ignorieren, doch Barg-Sa sagte: »Halb so wild, Kleine. Lass mal gut sein. Also pass auf, mein Junge. Ich habe einige Miniaturkameras, die unbenutzt im Lagerraum herumliegen. Wenn es dich beruhigt, werde ich ein paar davon in der Station aufstellen. Dann aktivieren wir eine ganztätige Überwachungsaufzeichnung und du kannst dich an deinem Plasmamonitor im Kom-Turm austoben und sie dir alle anschauen.«

      »Das ist doch schon mal etwas!« Kargan war hinsichtlich Barg-Sas Unterstützung erleichtert.

      »Und was ist mit Privatsphäre? Das kann doch nicht euer ernst sein, die ganze Station zu überwachen. Wir sind doch hier nicht bei ...«

      »Deine geliebte Dusche werden wir schon nicht überwachen«, unterbrach Barg-Sa die Ärztin. »Übrigens habe ich noch etwas für dich, Kargan. Pass auf.« Er ignorierte den zickigen Blick von Viktoria und kramte nach etwas in der Seitentasche seines Jacketts. Zum Vorschein kam ein Objekt, das Kargan nicht identifizieren konnte. Es war milchig weiß, kugelrund und hatte einen Durchmesser von etwa fünf Zentimetern. Die Kontur eines Knopfes zeichnete sich fast unmerklich an seiner Unterseite ab.

      »Das ist eine Miniatursonde«, sagte Barg-Sa und berührte fast unmerklich den Knopf. Die milchige weiße Farbe der Kugel schien aufzuglimmen und wurde heller, bis sie eine stattliche Leuchtkraft entwickelt hatte. Das Objekt schwebte langsam aus Barg-Sas Handfläche und summte leise.

      Kargan staunte. »Hab von so was gehört ... aber noch nie gesehen! Wozu ist das gut?«

      Die Sonde schwebte bis etwa fünfzig Zentimeter über Barg-Sas Hand und gab dann ein leises klickendes Signal von sich, das Kargan automatisch als ‚Bereit‘-Signal interpretierte.

      »Du kannst sie für alles Mögliche benutzen. In erster Linie braucht man sie zum Suchen von Spuren. Sie haben über sechs Milliarden verschiedene Materialien und Stoffe eingespeichert. Sind sozusagen Superschnüffler. Also wenn du zum Beispiel wissen willst, wo sich Viktoria befindet, kannst du einfach nach ihrem Parfüm suchen lassen.« Barg-Sa grinste über beide Backen.

      Viktoria verschränkte die Arme und schaute genervt. Ein gewisses Interesse konnte man dennoch von ihrem Gesicht ablesen.

      »Wie steuert man die Sonde?«, wollte Kargan wissen.

      »Das werde ich dir jetzt demonstrieren. Ihre KI ist primitiv, aber sie reagiert auf deutlich ausgesprochene Sätze mit dem Vorwort ‚Sonde‘. ‚Sonde‘ ist der aktuelle Default-Name, kann jedoch geändert werden.

      ‚Sonde‘: finde Parfüm ‚Haute Couture‘, Auswahl: Kürzeste Entfernung.«

      Die Sonde gab ein Klickgeräusch von sich und steuerte ohne Umschweife auf Viktoria zu, die immer noch mit verschränkten Armen aber nun unsicher an die Theke gelehnt dastand. Etwa einen Meter vor ihrem Gesicht bremste das Objekt ab und tänzelte klickend davor herum.

      »Woher kennst du mein Parfum, du Spinner«, fragte sie, während sie erschrocken zurückwich.

      »Bin eben Profi«, lachte Barg-Sa.

      »Faszinierend«, stellte Kargan fest und betrachtete die leuchtende Kugel in der Luft.

      »Sie gehört dir, Junge. Vielleicht wird sie dir mit deiner ‚Sabotage‘ nützlich sein.«

      Kargan fragte sich, warum offensichtlich alle auf der Station außer ihm diese Sache nicht ernst nahmen.

      »Ich schicke dir nachher noch die Bedienungsanleitung über das Netz in deinen Kom-Turm wenn du willst.« Barg-Sa fixierte die Sonde. »‚Sonde‘: Besitzerwechsel. Authentifizierung: Barg-Sa Gerents. Code: Stinkmorchel. Ziel: Menschlicher Eigengeruch von Kargan Saturon. Personenbezogener Ort: Auf dem Stuhl gegenüber von mir.« Barg-Sas kleine Augen funkelten belustigt.

      Die Sonde knackte und schwebte langsam zu Kargan. Sie knackte mehrmals hintereinander und fing an, mit ein Meter Abstand in einer Art Miniaturumlaufbahn um Kargans Kopf zu rotieren.

      »Ich danke dir!«, freute sich Kargan und bestaunte die leuchtende Kugel über sich.

      »Das Ding würde mich ja wahnsinnig machen«, murmelte Viktoria skeptisch.

      Kargan ignorierte sie.

      Nachdem Barg-Sa die Kameras installiert hatte, zeigte er Kargan, wie er die Aufzeichnungen ansehen und den Live-Stream der gewünschten Kamera auf seinen Monitor schalten konnte. Sie hatten eine Kamera direkt im Generatorraum, eine im Kellergeschoss darüber, sowie zwei im Erdgeschoss und zwei weitere im ersten Stock. Die sechs Streams wurden auf Monokristallen mit enormer Speicherkapazität rund um die Uhr aufgezeichnet. Kargan fragte sich erneut, warum das verdammte Karndalf-Kanton an Komfort sparte und was die Ausrüstung betraf vom Feinsten zur Verfügung stellte.

      Um 1400 nahm Kargan die Kom-Verbindung mit dem Außenteam auf.

      »Marcus Werland, Außenoperation eins mit dem Außenteam des SHIRE Alpha Teams meldet sich zur ersten regelmäßigen Kom-Verbindung mit Andragon Outrange 15«, meldete sich Werland über das Kom. »Status?«

      »Status Quo Vadis«, gab Kargan zurück. Die Klassifizierung Quo Vadis wurde im Karndalf-Kanton als Synonym für ‚Alles in regulärem Ablauf‘ gebraucht. Kargan hatte noch nie verstanden warum, angesichts der eigentlichen Bedeutung der Worte.

      Werland war klar und deutlich über das Kom zu hören. »Bestätigt. Wir befinden uns auf halber Strecke zwischen der Station und dem Gorres-Massiv.

      Bisheriges Voranschreiten ohne Probleme. Wir haben jedoch etwas im Süden identifiziert, was nach einem Sandsturm aussehen könnte.« Der Motor des Crawlers donnerte im Hintergrund.

      »Bestätigt«, antwortete Kargan. »Ich habe eine ähnliche Vermutung. Wirkt sich das auf die Mission aus?«

      »Negativ. Voranschreiten ohne Einschränkungen möglich. Bis wir das Massiv erreicht haben, wird der Sturm hoffentlich vorbei sein. Wenn nicht, werden wir ihn im Crawler abwarten.«

      »Bestätigt.«

      Das Gespräch wurde noch einige Zeit fortgeführt und schließlich von Werland beendet. Kargan stellte fest, dass Werland sich bereits nicht mehr im Geringsten um den Vorfall am Generator interessierte und voll und ganz seinem Entdeckerruhm entgegen zu schweben schien.

      Anschließend studierte Kargan die Bedienungsanleitung auf alle möglichen Befehle für die Sonde und entschloss sich, noch einmal in den Generatorraum zu gehen. Er aktivierte sein Abwesenheitsmakro an der Kom-Station und stieg durch die Luke die Leiter hinunter.

      Kurze Zeit später stand er unschlüssig vor dem summenden Generator und starrte in den Flux. Ein Blick nach unten zeigte ihm, dass das Gitter, hinter dem sich der durchtrennte Kabelstrang befunden hatte, an seinem Platz war.

      Er entfernte es.

      Mario hatte ordentliche Arbeit geleistet. Die Stränge waren neu plasmageschweißt und isoliert.

      Kargan aktivierte seine Sonde. Die kleine, summende Kugel erhellte den dunklen, geöffneten Schacht unter dem Flux. »‘Sonde‘: