Dominik Michalke

Arym Var


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Kurze Zeit später klickte sie erneut und rotierte mehrfach um ihre eigene Achse. Sie flog aus dem Schacht heraus und positionierte sich vor Kargans Blickfeld. Ein leises Summen in einer anderen Frequenz ertönte und ein kleines Hologramm wurde vor Kargan projiziert.

      Das Hologramm zeigte eine riesige Liste mit Stoffen und Gerüchen. Das meiste an Stoffen waren gewöhnliche Komponenten der Generatorbauteile: Flarretkonstrukte, Isolationsmaterialien und elektronische Bauteile. Was Gerüche anging, sah es interessanter aus. Die Sonde hatte den menschlichen Eigengeruch von ihm, Barg-Sa, Anjiara und Mario Winston an den Kabelsträngen identifiziert. Des Weiteren waren einige Geruchsmarken aufgeführt, von Anjiaras Gesichtscreme über den Geruch der Elektroteile bis hin zum Geruch von Marios Schweißbrenner.

      Und da stand noch etwas im unteren Teil der Liste.

      Unbekannter Geruch.

      Kargan lief ein Schauer über den Rücken. Bei sechs Milliarden bekannten Gerüchen und Stoffen war es äußerst seltsam, einen unbekannten Geruch ausgerechnet am Ort der Sabotage zu finden. Dies bedeute jedoch auch, dass es sich offensichtlich nicht um einen Saboteur von der Station selbst handeln konnte.

      »‘Sonde‘: Identifiziere unbekannten Geruch.«

      Die Sonde klickte zweimal, was das Zeichen für ‚nicht möglich‘ war.

      Etwas Fremdes war vielleicht in diese Station gekommen. Vielleicht ein Sucher?

      Kargans Puls wurde schneller. Nein, kein Sucher. Der Geruch eines Sucherwesens war glücklicherweise in den sechs Milliarden Elementen der Sonde mit einbegriffen, da er von getöteten Wächtern abgeleitet werden konnte. Es war definitiv etwas Unbekanntes. Vielleicht etwas von diesem Planeten. Der Planet Infidelis war als Klasse B eingestuft worden. Das bedeutete, dass zwar Lebewesen in einer sauerstoffreichen Atmosphäre, jedoch keine intelligenten vorhanden waren. Der Planet war von der RS Terranigma ausgiebig gescannt worden. Die Scanner hatten noch nie gelogen. Aber etwas war hier. Vielleicht sogar hier in diesem Kellergeschoss.

      Kargan schaute sich verbissen um, als könne ein Monster aus den dunklen Ecken des schwach beleuchteten Generatorraums hervorspringen. Er hatte plötzlich Angst. Es war eine andere Angst als die, die er in Mol Ondune vor den Schlägertypen gehabt hatte. Es war die Angst vor etwas Ungewissem, Unsichtbarem.

      Damit stellte sich die nächste Frage. Sollte tatsächlich ein Eindringling aus unerklärlichen Gründen unbemerkt an den Sensoren in und außerhalb der Station vorbeikommen und feindlich gesinnt sein, was bezweckte er dann mit der Sabotage eines Generators?

      Kargan wollte urplötzlich sofort aus dem Kellergeschoss, aber ihm kam eine Idee. »‘Sonde‘: Folge Geruchsspur. Klassifizierung: Unbekannter Geruch.«

      Die Sonde klickte und setzte sich summend in Bewegung. Zu Kargans Erleichterung steuerte sie in Richtung der Treppe nach oben. Er folgte ihr. Alle paar Infidelis-Sekunden verharrte sie und tänzelte kurz hin und her, als müsse sie die Spur des Geruchs neu finden, aber offensichtlich konnte der Geruch tatsächlich verfolgt werden. Dieser Erfolg bestätigte gleichermaßen Kargans Vermutung und auch seine Angst.

      Im ersten Kellergeschoss vollführte die Sonde mehrere seltsame Kursänderungen, die keinem konkreten System zu folgen schienen. Es hat hier herumgesucht, schoss es Kargan durch den Kopf.

      Die Sonde flog weiter, erreichte schließlich erneut die Treppe und flog in das Erdgeschoss. Oben angekommen steuerte sie geradewegs auf die Hauptschleuse zu, die in die endlose Teneib-Wüste führte. Vor der Schleuse kam sie zum Stillstand und klickte energisch.

      Kargan sah sich um.

      Niemand schien sich im Moment im Erdgeschoss zu befinden, alle waren im zweiten Stockwerk in ihren Spezialräumen und widmeten sich ihren Aufgaben. Kargan überlegte sich, was die Ärztin als solche wohl zu tun hatte. Er verdrängte den Gedanken, starrte wieder auf die Hauptschleuse und überlegte stillschweigend mehrere Infidelis-Sekunden.

      Schließlich ging er entschlossen zu der kleinen Konsole am Rand und aktivierte die Schleuse. Mit einem lauten Zischen schossen die beiden massiven Flarretstahltüren auseinander.

      Die Hitze schoss Kargan entgegen. In der Station wurden Klimaanlagen benutzt, aber außerhalb konnte man ohne einen Expeditionsanzug wohl nicht länger als einige Stunden überleben.

      Vor Kargan befand sich die Rotsandwüste. Rechts und links ragten die großen Betonklötze wie nebeneinander stehende Wände empor. Der Nexus wanderte bereits schräg nach Süden weiter und erhitzte dennoch unermüdlich den Wüstenboden von Infidelis. Der Wind schien zugenommen zu haben.

      Kargan spürte das Prickeln von feinen Sandkörnern auf seiner ungeschützten Haut. Sie kamen durch die Schneise zwischen den Betonklötzen heran geschossen, durch die der Crawler nach draußen gefahren war.

      »‘Sonde‘: Setze Spurfolge fort. Klassifizierung: Unbekannter Geruch.«

      Die Sonde, die im grellen Tageslicht nur wie eine kleine, milchig weiße Kugel aussah, klickte bestätigend und setzte sich erneut in Bewegung. Zuerst folge sie ein Stück der Schneise, bis sie dann nach rechts abbog und zwischen zwei Betonwänden hindurchsteuerte. Der Wind bereitete ihr offensichtlich Schwierigkeiten, die Geruchspur zu halten. Immer wieder wurde sie langsamer und tänzelte hin und her, näherte sich dem Boden und rotierte um ihre eigene Achse.

      Schließlich flog sie immer weiter in wirren Kursen zwischen die vielen Betonklötze um die Station herum. Es war hier wie in einem Labyrinth, fand Kargan und blickte die fünf Meter hohen Wände rechts und links von ihm hinauf.

      Der Eingang von Andragon Outrange 15 zeigte nach Süden. Kargan hatte jedoch das Gefühl, dass er sich mittlerweile irgendwo westlich von der Station befinden musste.

      Ihm war nicht so unheimlich zu Mute wie in den düsteren Kellergeschossen der Station. Er konnte sich jedoch einer leichten konstanten Anspannung nicht verwehren.

      Die Sonde führte ihn um eine Ecke und wurde zwischen zwei parallel angeordneten Betonblöcken langsamer. Ein Klickgeräusch signalisierte Kargan das Ende der Spur.

      Da war nichts.

      Ein Anflug von Enttäuschung überkam Kargan. Was hatte er erwartet? Dass die Spur bei einem kleinen grünen Männchen enden würde, das ihm mit einem utopischen Schneidelaser zuwinken würde ‚Hallo, ich bin’s, der Saboteur‘?

      Er sah die Sonde an. Sie schwebte reglos etwa einen Meter über dem Wüstenboden. Kargan sah den Wüstenboden darunter genauer an. Da war doch etwas. Es war eine Art Schneckenmuster im Sand, ein kreiselförmiges Muster.

      Kargan kannte diese Art von Muster. Sie blieben oftmals in verformbaren Oberflächen – wie Wüstensand – zurück, nachdem Teleportationsvorgänge stattgefunden hatten. Aus Gründen die Kargans Wissen überstiegen, blieben bei der Raumkrümmung des Teleportationsvorgangs meistens Kringel als Überbleibsel nach dem Vorgang übrig. Diese waren in der Regel zehn Zentimeter groß.

      Dieser hier hatte einen Durchmesser von etwa dreißig Zentimetern. Abgesehen davon erinnerte es mehr an einen Schlund, in den etwas hineingesaugt worden war.

      Kargan spürte die Angst wieder in sich hochsteigen. Er musste das unbedingt den anderen berichten.

      Er wollte zurückgehen, als er plötzlich registrierte, dass die Härchen auf seinen Armen aufstanden. Er war zwar nervös, aber etwas fühlte sich anders an. Dies war kein Schauer, der die Haare aufstellte. Es war wie Elektrizität.

      Bald merkte er auch, dass sein T-Shirt an ihm haftete wie ein eng anliegender Taucheranzug. Er spürte die Spannung, die in der Luft lag, als wäre sie greifbar.

      Sie wurde mit jeder Sekunde stärker.

      Dann hörte er das Summen.

      Erst wie ein Brummen, das wie ein ferner leiser Ton im Rauschen des Wüstenwindes zu vernehmen war. Dann lauter wie ein Elektrizitätswerk in der Nähe.

      Kargans Herz fing schneller zu klopfen an. »Was geschieht hier«, keuchte er, seine Hände betrachtend. Er sah zu den Seiten. Die riesigen Betonwände versperrten jegliche Sicht. Oben konnte er den Wüstenhimmel erkennen,