Dominik Michalke

Arym Var


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er mir mal zuhören würde«, konnte sich Kargan nicht verkneifen.

      Rukkberts Antwort war lediglich ein düsterer Blick, der durch das rote Leuchten in seinem silbernen Ersatzauge noch düsterer wirkte.

      Als Kargan selbst durch die zischende Tür gehen wollte, hielt Anjiara ihn sanft am Arm fest. Sie lächelte ihn an, als er sich zu ihr herumdrehte. Sie schien sich jedoch nicht ganz darüber im Klaren zu sein, was sie eigentlich sagen wollte.

      »Unheimliche Sache«, gab Kargan spontan von sich. »Da will man sich gar nicht mehr gern ohne Gesellschaft irgendwo aufhalten. Als ich vorhin alleine da draußen war ...« Er verdrehte viel sagend die Augen.

      Anjiara schmunzelte.

      »Ich bin ja kein Angsthase, aber das war mir wirklich suspekt«, fügte Kargan hinzu.

      »Dann müssen wir wohl was gegen das Alleinsein unternehmen.« Anjiara legte den Kopf leicht schief. Ihre intensiven grünen Augen strahlten trotz des begrenzt beleuchteten Besprechungsraums.

      Kargan kam sich vor wie in einer kitschigen Liebeskomödie, aber dennoch brachte er heraus: »Dann komm doch zu mir hoch in den Kom-Tower wenn du Zeit hast. Ich bin da ja eh noch bis 1900 Infidelis-Zeit oben wegen der Außenteam-Kontaktierung. Dann kann ich dir mal meine kleine Welt zeigen.«

      »Okay.« Anjiara schaute verschmitzt. »Hab’ um 1700 Feierabend nach regulärer Arbeitszeit. Also, man sieht sich.« Sie warf ihm noch ein Nicken zu und verschwand durch die Tür.

      Kurz nach 1750 Infidelis-Zeit, als Kargan gerade weitere Optionen seiner Sonde studierte, klopfte es an der Luke im hinteren Bereich des Kom-Raumes.

      Der Anblick einer unsicheren Anjiara, die an den oberen Sprossen der Leiter klammerte und ihn durch die Luke anschaute, amüsierte Kargan nicht wenig.

      Er reichte ihr die Hand und hievte sie sachte in den Kom-Raum.

      »Hier arbeitest du also«, sagte sie interessiert und sah sich um. Dabei fiel ihr Blick auf die nach Norden, Westen und Süden gerichteten großen Flarretglasfenster. »Kein schlechter Ausblick!«, staunte sie. »Da wird man schon neidisch. Und du bist so ungestört hier.« Ein viel sagender Blick vermittelte Kargan, dass Anjiara gerne auf ihre Gesellschaft im Terraforming-Raum verzichtet hätte.

      »Schau.« Kargan deutete in Richtung des südlichen Horizonts. »Dort braut sich etwas zusammen.«

      »Oh.« Anjiara wirkte verwirrt.

      »Wahrscheinlich ein ziemlich starker Sandsturm. Die Analysen von Infidelis haben eigentlich ausgesagt, dass Sandstürme in der Teneib-Wüste eher selten sind, besonders starke. Deswegen verwundert mich das ein wenig. Aber andererseits habe ich irgendwelchen Analysen noch nie vertraut.« Kargan klang lässig, bemerkte jedoch ein kritisches Blitzen in Anjiaras Blick. »Ähm ... Womit natürlich die ... Terraforming-Analysen nicht mit einbegriffen sind«, fügte er hastig hinzu.

      Seine Einschränkung war zu offensichtlich und beide merkten es. Anjiara lachte und Kargan konnte sich ein verteidigendes Grinsen nicht verkneifen.

      In den folgenden Infidelis-Minuten zeigte Kargan ihr seine Transceiver, die verschiedenen Funktionen der Geräte und seine Sonde, die er von Barg-Sa bekommen hatte. Sie wirkte interessiert und entspannt den Zeitraum über.

      Sie erzählten sich gegenseitig vergangene erlebte Dinge und diskutierten über die verschiedenen Andragon-Kantone sowie Maurizius Ravenberg und den Andragon-Kanton-Zusammenschluss.

      Da Anjiara Kargans Interesse an neuen Technologiefortschritten in der Wissenschaft bemerkte, brachte sie ein spezielles Waffensystem zur Sprache, das offensichtlich gerade entwickelt wurde.

      »Ich habe das ganz am Rande mitbekommen, als ich auf der Bentham war. Die superschlauen Köpfe vom Karndalf-Kanton haben da gerade mit einem Geheimprojekt begonnen, das komplett auf Nanotechnologie basieren sollte«, sagte sie gerade. »Dieses ‚Geheimprojekt‘ war in dem Sinne keins mehr, als durch einen Wissenschaftler Informationen nach draußen gesickert sind, die sich natürlich verbreitet haben wie ein Virus. Details sind nicht bekannt, nur dass es sich um Nanozellen handeln soll, die in die menschliche Hand integriert werden. Dann soll der Benutzer diese Zellen über einen Skin-Connector oder dergleichen ansteuern können.«

      »Das hört sich ja faszinierend an«, warf Kargan ein. »Aber was bewirken die Nanozellen?«

      »Ich kenne mich da auch zu wenig aus«, murmelte Anjiara. »Es hieß jedoch, dass man die Vorstellungskraft als Waffe einsetzen könne. Das war das Besondere an dem Gerät.«

      »Hmm. Wie soll man sich so etwas vorstellen?«

      »Ich denke, man visualisiert sich in Gedanken zum Beispiel eine Flammenwand, und diese wird dann durch die Nanozellen tatsächlich generiert.«

      »Unglaublich.«

      »Ja. Aber stell dir das vor! Was man für unglaubliche Sachen damit machen könnte.« Anjiaras hellgrüne Augen leuchteten, als sei sie keine junge Wissenschaftlerin mehr sondern ein begeisterter Rekrut der Karndalf-Kantongarde.

      Kargan konnte sich ein Lachen angesichts des Anblicks nicht verkneifen.

      Anjiara bemerkte seine Reaktion. »Du lachst mich aus!«, sagte sie übertrieben entrüstet und fiel dann jedoch mit ein.

      »Oh, es ist fast 1900 Infidelis-Zeit«, bemerkte Kargan schließlich erschrocken. »Ich muss die Vorbereitungen für die Kom-Verbindung treffen.« Er betätigte einige Knöpfe auf seiner Konsole.

      »Soll ich ...?« Anjiara deutete auf die Luke im hinteren Teil des Raumes und machte Anstalten zu gehen.

      »Nein, nein! Du kannst natürlich hier bleiben wenn du willst.« Kargan versuchte, nicht zu hastig zu klingen. Aber er konnte sich nicht verleugnen, dass ihm Anjiaras Anwesenheit sehr angenehm war.

      Zu Mittag hatte sich Werland um Punkt 1400 gemeldet. Deswegen verwunderte es Kargan nun, dass er um 1903 die Kom-Verbindung immer noch nicht aufgebaut hatte.

      »Hmm. Dann werde ich die Verbindung selbst aufbauen«, entschloss Kargan. Er konnte eine gewisse Nervosität, besonders angesichts der vergangenen Geschehnisse in und außerhalb der Station, nicht verbergen.

      Er baute die Verbindung auf und sprach in das Kom-Mikrofon: »Andragon Outrange 15, Offizier Kargan Saturon ruft das Außenteam von SHIRE Alpha.«

      Rauschen und Knistern war zu hören. Anjiara sah Kargan fragend an.

      Der Nexus war mittlerweile fast nicht mehr über dem südlichen Horizont zu sehen. Der Himmel hatte eine dunkle Färbung angenommen, die in der Nähe der Sonne in einen blutroten bis orangefarbenen Ton überging.

      Doch Kargan war nicht daran interessiert, sondern schien mit zusammengekniffenen Augen nach Nordwesten in Richtung des Gorres-Massivs zu starren.

      Er wollte seinen Satz wiederholen, doch er wurde von Werland unterbrochen. »Hier ist das SHIRE Alpha Außenteam! Bestätige Empfang.«

      »Gott sei Dank, ich dachte schon ...« Kargan stockte und fuhr nach einer kleinen Pause fort. »Erbitte Lagebericht.«

      »Was dachten sie?«, fragte Werland zu Kargans Erstaunen.

      »Nichts«, antwortete er knapp. »Erbitte Lagebericht. Wie geht es euch da draußen?«

      Der folgende Gesprächsverlauf glich dem von 1400 Infidelis-Zeit. Werland schien optimistischer denn je und machte sogar einige Witze, die jedoch kein Gelächter der anderen im Hintergrund veranlassten.

      Sie schienen unmittelbar vor dem Gorres-Massiv zu sein.

      Als Werland zum Ende kam, sprach Kargan die Dinge an, die sich bei Andragon Outrange abgespielt hatten. Zu Kargans steigender Wut schien er an Werland geradezu vorbeizureden. In seinem Enthusiasmus schien Werland völlig desinteressiert an dem zu sein, was sich an Andragon Outrange abspielte.

      »Werland, hören sie mir zu! Etwas stimmt hier ganz und gar nicht! Wir sind womöglich in Gefahr! Eine fremde Intelligenz, von der wir nichts wissen, könnte ... nach meinen Vermutungen