Dominik Michalke

Arym Var


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der Geologen, der eine Tasse Kaffee in der Hand hielt.

      »Das werdet ihr in fünf Infidelis-Minuten hören«, erwiderte die Ärztin ungeduldig. »Also beeilt euch ein bisschen. Zack, zack!« Sie warf einen mahnenden Blick in die Runde und verschwand.

      Erneut war unzufriedenes Gemurmel und vereinzelt Geklimper von Geschirr zu vernehmen. »Jetzt dürfen wir schon nicht mal mehr in Ruhe frühstücken«, knurrte Mario, der Techniker.

      »Zack, zack. Ja liebe Ärztin, natürlich, liebe Ärztin«, äffte Anjiara leise die Ärztin nach und zog eine Grimasse. »Wieso sieht sie sich überhaupt dazu auserkoren, als Ärztin immer die Truppe zu benachrichtigen? Vielleicht sollte sie ihren Job wechseln und Botenjunge werden.«

      Kargan musste leise lachen. Offensichtlich hatte Anjiara auch des Öfteren gerne etwas zum Meckern. Die Ärztin schien sie besonders auf dem Kieker zu haben.

      Langsam fingen die anderen an, von ihren Tischen aufzustehen und ihre Sachen aufzuräumen, um sich allmählich in den Besprechungsraum zu begeben.

      Kargan trank seinen Tee aus und tat es dem Rest des Teams gleich, während Anjiara sich nicht aus der Ruhe bringen ließ. Sie schien mit einem Mal sehr munter zu sein und sagte: »Aber endlich ein Außeneinsatz! Terraforming in der Praxis, nicht immer nur in der Theorie. Es wurde auch langsam Zeit. Bin gespannt, was Werland da für uns hat.«

      Man konnte anhand der Sitzformation im Besprechungsraum erkennen, dass sich in dem SHIRE Team von 12 Mann bereits Grüppchen gebildet hatten wie in der Schule. Während Barg-Sa Gerents sich lauthals mit Mario Winston unterhielt und daneben zwei Geologen mit der Ärztin schäkerten, saßen der Bebrillte und der blonde Muskelprotz zusammen mit zwei Terraforming-Mitarbeitern gegenüber. Ab und zu schien einer der beiden einen Blick auf Anjiara zu werfen und etwas über sie zu sagen, worauf der andere dreckig lachte.

      Anjiara schien die beiden mit einem übertriebenen Ausdruck von Desinteresse absichtlich zu ignorieren.

      Kargan fragte sich, wieso es an jedem Ort immer wieder Idioten gab, die einem das Leben schwer machten.

      Dann kam Marcus Werland – der Expeditionsleiter – zur Tür herein. »Morgen zusammen«, sagte er knapp und legte einen Ordner mit Unterlagen auf den Tisch vor sich.

      Wie durch einen unausgesprochenen Befehl stand Luis Raugen – oder ‚Die Brille‘, wie Anjiara ihn nannte – von seinem Platz auf und betätigte einige Knöpfe an einer Konsole in der Nähe der großen Plasmamonitore. Auf dem zentralen Monitor wurde ein Logo des Karndalf-Kantons eingeblendet. Nach einigen Infidelis-Sekunden verschwand es vom Bildschirm und es wurde ein digitales Geländemodell der Teneib-Wüste um Andragon Outrange 15 dargestellt.

      Werland nickte Luis fast unmerklich zu und wandte sich an seine Zuhörer.

      »Wie ihr bereits vielleicht gehört habt, werden wir noch heute einen mehrtägigen Außeneinsatz starten.«

      »Mehrtägig?«, murmelte Mario Winston. Werland ignorierte ihn und fuhr fort. »Der Einsatz war bis gestern nicht in unserem Missionsplan enthalten, hat jedoch oberste Priorität.«

      Werlands Gesicht machte einen ernsten Eindruck. Das verstärkte die Anzahl seiner Falten drastisch, was ihn noch älter aussehen ließ, als er tatsächlich war.

      Kargan schätzte ihn auf mindestens fünfzig Jahre. Auf seinem Kopf waren ebenfalls nur noch wenige Haare zu finden.

      »Es ist ein direkter Befehl des Andragon-Kanton-Zusammenschlusses«, brummte Werlands Stimme durch den Besprechungsraum. »Wie ich niemandem erklären brauche, haben wir diesem Befehl demnach unverzüglich Folge zu leisten.

      Ein verhaltenes Murmeln war die Antwort.

      Kargan fragte sich gerade, wie eine Nachricht an ihm vorbei an den Expeditionsleiter gelangen konnte. Immerhin war Kargan der Funkoffizier. Sämtliche Kom-Signale wurden von ihm im Kommunitkationsturm empfangen und gegebenenfalls weitergeleitet. Offensichtlich gab es doch eine Geheimleitung, die direkt an Werland gerichtet war, von der er nichts wusste.

      Werland drehte sich halb zu dem Plasmamonitor und machte eine stumme Geste mit dem Finger, worauf ‚Die Brille‘ erneut einige Knöpfe an der Konsole betätigte. Das Bild am Monitor wurde herausgezoomt und auf einem Punkt fixiert.

      Kargan konnte nun eindeutig das Gorres-Massiv erkennen. Er wusste, dass das Massiv wie eine Art Felsplattform aussah, die dreihundert Meter aus dem Wüstenboden ragte. Ihm war jedoch nicht klar gewesen, dass es so rund war, wie es der Monitor anzeigte. Er hatte jedoch schon erstrecht nicht gewusst, dass das Massiv nicht durchgehend aus Fels bestand, sondern im Zentrum eine kleine Stelle hatte, die wieder den Wüstenboden erkennen ließ. Das bedeutete, dass das Gorres-Massiv von oben also nicht wie ein ‚Kreis‘, sondern vielmehr wie ein ‚dicker Ring‘ aussah. Die Monitordarstellung war in der Mitte des Massivs zentriert.

      Kargan hatte beim Landeanflug zu Andragon Outrange 15 unter anderem auch die Daten über das Massiv angesehen. Es war etwa dreihundert Meter hoch, bestand durchgehend aus massivem Fels und war offensichtlich schon seit sehr vielen Jahren unverändert genau an dieser Stelle in der Teneib-Wüste. Irgendein Felsklotz im Sand, hatte sich Kargan gedacht. Doch die markante Form, die in der Vogelperspektive nun so deutlich sichtbar war, machte ihn stutzig.

      Werland räusperte sich. »Was sie hier sehen, ist das Zentrum des Gorres-Massivs. Vor nicht wenigen Tagen haben die Experten der Epos des Andragon-Kanton-Zusammenschlusses mit neuer Scantechnologie eine unbekannte Energieaktivität, eine Anomalie, an diesem Ort registriert.«

      Nun wurde das Murmeln deutlich lauter. Barg-Sa und Mario sahen sich wortlos gegenseitig an. Der AKZ steckte dahinter? Normalerweise kümmerte sich der Zusammenschluss nicht im Geringsten um Forschungsmissionen. Es lag im Interesse der einzelnen Kantone, ihre Terraforming-oder Forschungsziele zu verfolgen. Lediglich bei illegalen Aktivitäten von Rebellenkantonen ergriff der Zusammenschluss Gegenmaßnahmen. Doch dass er sich hier einmischte, musste einen tiefgehenden Grund haben.

      Die Epos war das größte Schiff, das überhaupt existierte. Es war wie eine Großstadt in Form eines Raumschiffs. Der oberste Befehlshaber der größten Olympfregatte der bekannten Systeme war Maurizius Ravenberg höchstpersönlich.

      »Ruhe bitte ... .vorerst«, sagte Werland ruhig. »Die Energiemuster sind mehrfach analysiert worden. Es wurden Übereinstimmungen der Muster mit denen von Sucherwesen und Wächtern aus dem alten Arym Var entdeckt. Unsere Aufgabe ist es, mithilfe unseren Fachkenntnissen und unseren technischen Hilfsmitteln diesen Ort aus nächster Nähe zu analysieren.«

      Einer der Geologen sprang auf. »Und uns von einem Sucher oder Wächter massakrieren lassen? Mit was kommt der AKZ als nächstes? Wir sind Wissenschaftler, keine Soldaten! Sollen sie doch eins ihrer Spezialteams schicken, gottverdammt.« Der Kopf des Geologen schien vor Wut rot anzulaufen.

      »Beruhigen sie sich wieder und denken sie scharf nach«, sagte Werland mit einer beschwichtigenden Geste. »Es gibt keine Lebewesen im Umkreis von etwa hundert Kilometern, wie wir alle wissen. Das haben die Scans der Oberflächen- und Geologieabteilung eindeutig ergeben. Der zentrale Punkt des Gorres-Massivs befindet sich genau ...« Er warf einen Blick auf einen der Plasmamonitore. » ... dreiundsiebzig Kilometer von hier entfernt. Die Aussagen des Zusammenschlusses bestätigen, dass es dort keine Lebensformen gibt. Ich denke, sie haben lediglich eine falsche Vorstellung von dem Einsatz.

      Ich nehme an, dass die Energiemuster vielmehr auf eine Art uralte Ruine oder Stadt hinweisen. Diese Stadt könnte aus einer alten Zivilisation in Arym Var stammen, welche mit den verbliebenen Suchern und Wächtern des heutigen Arym Var in Verbindung steht. Vielleicht ergründen wir sogar deren Existenz durch diesen Einsatz. Wir wissen noch so wenig über das Arym Var-System.

      Vergessen sie ihre Horrorvorstellungen. Wahrscheinlich werden wir Geschichte schreiben!« Ein nicht zu übersehendes Leuchten war in Werlands Augen zu erkennen.

      Kargan wusste überhaupt nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte.

      Er hatte von den so genannten Suchern gehört, die irgendwo auftauchten und Menschen der Andragon-Kantone abschlachteten, um wieder spurlos zu verschwinden. Aber er selbst