Dominik Michalke

Arym Var


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ein Energiestau im Flux eine derartige Erscheinung hervorrufen könnte.«

      »Schwachsinn.«

      »Wie meinen?« Barg-Sa wischte sich ein kleines Stückchen Riegel aus dem Vollbart.

      »Äh, das glaube ich nicht«, erwiderte Kargan. »Hast du eigentlich schon den Expeditionsleiter darüber informiert? Ich finde diesen Vorfall schon wichtig genug, als dass man ihn ...«

      weiter kam Kargan nicht, weil die Tür zum Speisesaal mit einem Zischen aufging. Anjiara kam herein, gefolgt von einer Person, die Kargan nur vom Sehen her kannte. Allerdings interessierte ihn diese Person herzlich wenig, weil sein Blick allein Anjiara galt.

      Sie hatte ihre grünlichen Haare zu vielen kleinen Zöpfchen geflochten und am Hinterkopf zusammengebunden. Zu seiner Überraschung trug sie ein bauchfreies beigefarbenes Top und eine lockere Hose mit Militärtarnmuster, die mit einem dicken schwarzen Gürtel an ihrer Hüfte Halt fand. Um ihren Hals konnte Kargan eine dünne silberne Kette erkennen, die ein kleines Henkelkreuz als Anhänger hielt.

      Kargan war erstaunt. Im Gegensatz zu in der Nacht, als sie leicht konfus wirkend und mit zerzausten Haaren vor ihm gestanden hatte, gab sie nun ein gepflegtes und nicht unansehnliches Bild ab. Er musste sich eingestehen, dass er sie in diesem Moment außerordentlich attraktiv fand.

      Nicht anstarren, du Idiot. Mach nicht den gleichen Fehler noch mal, schoss es Kargan durch den Kopf.

      Bevor er sich überlegen konnte, was er sagen sollte, hatte Barg-Sa schon das Wort ergriffen. »Na, guten Morgen ihr beide.« An Anjiara gewandt sagte er: »Dich brauch ich wohl jetzt auch nicht fragen, ob du gut geschlafen hast.

      Aber ...« Er nahm einen verpackten Kompaktriegel und hielt ihn grinsend hoch, als wäre es ein kostbarer Schatz, » ... Ein Riegel am Morgen vertreibt alle Sorgen!«

      Anjiara warf ihm lediglich einen viel sagenden Blick zu und ging an ihm vorbei. All ihre Schönheit an diesem Morgen konnte sie nicht davon abhalten, wieder hemmungslos mit einem müden Stöhnen zu Gähnen, wie Kargan amüsiert feststellte.

      Sie öffnete die Kühltheke hinter Barg-Sa, gab einen genervten Laut von sich und schloss sie wieder, ohne etwas herauszunehmen.

      Als sie sich umdrehte, stand Barg-Sa immer noch grinsend vor ihr und hielt ihr den Kompaktriegel vor die Nase. Mit einem übertriebenen Seufzen nahm sie den Riegel und setzte sich an einen der Tische.

      Kargan, der schmunzelnd mit seinem Tee an der Theke gestanden hatte, setzte sich zu ihr. »Für dich nichts zu trinken?«, fragte er.

      »Diese grässlichen Riegel sind schon schlimm genug. Da kann ich auf den billigen Tee dann auch noch verzichten. Wie kannst du bei dieser Hitze überhaupt Tee trinken? Es ist doch jetzt schon so warm, dass ich mich splitternackt ausziehen könnte und trotzdem schwitzen würde.«

      Wogegen ich überhaupt nichts einzuwenden hätte, antwortete Kargan dümmlich in Gedanken.

      »Lieber ein scheußlicher Tee als das Wasser direkt aus dem gammligen Wasserbehälter«, murmelte er stattdessen.

      Anjiara schnaubte und packte den Riegel aus. »Geld hat das Kanton für vieles, ganz besonders für Maßnahmen, sich den Weltraum eigen zu machen.

      Aber was den Komfort für die angeht, die das Ganze überhaupt ermöglichen, da haben sie ordentlich gespart.« Missmutig betrachtete sie den Riegel in ihrer Hand und biss schließlich hinein.

      »Kargan, ich wollte mich bei dir noch entschuldigen«, sagte sie schließlich, nachdem sie den Bissen gekaut und heruntergeschluckt hatte.

      Kargan blickte fragend von seiner Teetasse auf.

      »Ich frage dich die ganze Zeit aus, wie heute am Balkon oben, aber erzähle dir nichts von mir«, fuhr sie fort. Man konnte ihr ansehen, dass sie den Riegel nur widerwillig aß.

      Kargan wurde hellhörig. Er fragte sich nicht das erste Mal, was es mit ihrer Herkunft und dem Experiment, das Anjiara erwähnt hatte, auf sich hatte.

      Halb-Mensch-Halb-Pflanze-Schlampe. Was zum Teufel hatten diese Idioten damit gemeint?

      Doch zu Kargans Enttäuschung kam dies nicht zum Thema als Anjiara weiter sprach. »Man muss dazusagen, dass es auch ... nichts so besonderes zu berichten gibt. Ich war vorher auf der Bentham angestellt. Ich war dort – welch Wunder – in der Wissenschaftlichen Station im Bereich Terraforming. Ich musste zusammen mit anderen Wissenschaftlern die vorhandenen Daten der Planeten analysieren und daraus Terraformingkonzepte planen, vorbereiten, entwerfen und überarbeiten.

      Na ja, und dann kam der Tag an dem ich zufällig von der Mission hier gehört habe. Es hat mich schon immer gereizt, mal vor Ort aktiv zu sein, verstehst du? Nicht das schnöde Brummen des Planetargravitationsantriebs in den Ohren, den Monitor mit den endlosen Daten vor den Augen ... Sondern selbst mitzuwirken.

      Unter uns gesagt sieht es in der Praxis ja leider immer anders aus und jetzt sitze ich wieder vor meinen Daten am Monitor. Nur eben auf einer Station auf Infidelis und nicht in dem Klotz von Bentham.« Sie schmunzelte. »Aber besser ist es hier auf alle Fälle. Und man kriegt ab und zu ein kleines Abenteuer geboten wie ‚Der fiese Saboteur des Generators‘.«

      »Hmm. Bentham. Also hast du für den AKZ selbst gearbeitet. Nicht schlecht.«

      Kargan trank einen Schluck Tee. »Freut mich, dass du einen Gewinn durch die Mission gemacht hast. Wie du dir denken kannst hab ich seit Mol Ondune erst mal genug von Abenteuern.«

      Anjiara legte den Kopf schief und sah Kargan an. Er konnte nicht genau sagen, was sie gerade dachte. Ich will nicht Mitleid erregen, um Gottes Willen, dachte Kargan. »Aber bisher ist es ja ganz nett hier«, fügte er schnell grinsend hinzu.

      Mittlerweile waren einige weitere Mitglieder des SHIRE Teams Alpha im Speisesaal eingetrudelt und unterhielten sich miteinander. Unter anderen befanden sich darunter der Techniker Mario Winston, wie Kargan sich erinnerte, sowie zwei weitere Personen, die er vage in das Geologie- und Oberflächenteam einordnen konnte. Einer der beiden trug eine Brille mit kleinen Gläsern.

      Der andere war muskulös und hatte kurze blonde Haare. Kargan fiel auf, dass sein linkes Auge fehlte. Stattdessen befand sich an der betroffenen Stelle eine Art silberne Scheibe mit einem roten Punkt im Zentrum.

      »Siehst du den da hinten?«, sagte Anjiara leise und deutete auf den mit der Brille. Der Mann setzte sich zusammen mit dem Blonden an jenen Tisch, an dem auch der, der hinter Anjiara den Raum betreten hatte, Platz genommen hatte.

      »Den kenne ich nicht«, erwiderte Kargan und entschloss sich, einen Kompaktriegel zu essen. Sein Tonfall konnte sein Desinteresse nicht verbergen.

      »Das ist Luis Raugen. Aber ich nenne ihn ‚Die Brille‘. Er ist ein Idiot.«

      Kargan prustete überrascht los. Das Stück Kompaktriegel, an dem er kaute, entwich nahezu seinem Mund. Einige Anwesende aus dem Team hörten auf zu reden und drehten sich in seine Richtung. Kargan brachte ein leises »‘Tschuldigung« heraus und versuchte sein Verlegenheitsgrinsen zu unterdrücken.

      Auch Anjiara musste sich beherrschen, ihre Lachmuskeln unter Kontrolle zu bringen, da sie nicht mit einer derartigen Reaktion Kargans gerechnet hatte.

      »Wieso, was ist mit ihm«, sagte er viel zu laut.

      Anjiara winkte schmunzelnd ab. »Nichts, nichts. Später, Kargan ...«

      In dem Moment ging die Tür erneut auf und die Ärztin blickte herein.

      »Beeilt euch Leute, Werland will alle in fünf Infidelis-Minuten im Besprechungsraum haben.«

      »Jetzt schon? Um was geht es genau? Um den sabotierten Generator?«, fragte Barg-Sa, der immer noch an der Theke stand und schon seinen dritten Riegel aß.

      »Von wegen sabotiert, da hat doch bloß jemand Gespenster gesehen«, murmelte jemand.

      »Darum geht es nur am Rande. Aber der Hauptpunkt der Besprechung ist der geplante Außeneinsatz«, antwortete die Ärztin.

      Ein Murmeln ging durch die Runde.