Dominik Michalke

Arym Var


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Telepathin immer noch eine gedankliche Verbindung mit ihr halten und ihr diese Worte aufdrängen wie ein Mantra.

      Neben Morgaine stand einer der beiden Cyborgs, die sie auch zu Ravenberg begleitet hatten. Er stand reglos da und schien an einen nicht definierbaren Punkt jenseits der Kapsel zu starren, die mit hoher Geschwindigkeit durch die Röhren raste.

      Morgaine bemerkte, dass sie zitterte. Während des ganzen Gesprächs hatte sie versucht, eine durch jahrelange Übung antrainierte ausdruckslose Miene zu bewahren. Nun rächten sich ihre unentspannten Gesichtsmuskeln.

      Sie dachte über ihre Aufgabe nach. Sie war sich nicht einmal genau im Klaren darüber, wie die Mission durchgeführt werden sollte. Vieles an Ravenbergs Worten ließ Unklarheit hinter sich. Vieles jedoch war auch zu deutlich. Deutlicher als Morgaine es sich gewünscht hätte. Auch verstand sie nicht, was mit Brooge geschehen war.

      Morgaine würde ihre Mannschaft einweihen müssen. Aber sie wusste, dass sie jeglichen externen Funkverkehr würde vermeiden müssen, um ein Informationsleck zu verhindern. Sie konnte erahnen, dass ein Missachten des Geheimstatus der Mission Folgen nach sich ziehen würde.

      Morgaine grübelte den Rest des rapiden Röhrentransports über das Geschehene. Durch die trübe Glasscheibe der Röhrenkapsel und durch die gelben sprühenden Funken konnte Morgaine das Innere der Epos an sich vorbeirasen sehen. Der großen Halle mit den vielen Menschen folgten die Nahrungsmittelfabriken und dann die vielen Förderbänder, die größtenteils unidentifizierbare metallische Gegenstände transportierten.

      Morgaine drehte sich um neunzig Grad zur Seite und konnte ein großes längliches Schild mit der Aufschrift ‚Sektor C‘ lesen. Die Kapsel wechselte ruckartig mehrere Röhren und schoss an mehreren breiten Förderbändern mit organischen Abfällen entlang.

      Morgaine sah aus der Glasscheibe und war wie gebannt, als sie für einen Augenblick glaubte, deutlich ein rotes, blutiges Gebilde auf einem der Förderbänder zu sehen, dass wie ein menschlicher Kiefer aussah. Der Kiefer erinnerte Morgaine dennoch an das eines Pferdes.

      Sie schaffte es, alle ihre Gedanken vollkommen zu verdrängen und hastete den Weg zu Hangarbucht 22, ohne auf den Cyborg zu achten.

      Ebenfalls ohne die Hangarwachen vor dem Perser-Shuttle zu registrieren, rannte sie durch die offen stehende Schleuse in das Shuttle. Sie ließ sich in den Sitz fallen und starrte die sich schließende Schleuse an, als hinge ihr Leben davon ab, bis der PGA leise zu summen anfing und das Perser-Shuttle sich in Bewegung setzte.

      Der erste Offizier musste offensichtlich an Morgaines bleicher Gesichtsfarbe erkannt haben, dass etwas nicht in Ordnung war. »Captain Hera! Wie ist das Treffen verlaufen? Stimmt etwas nicht?«

      Einige Offiziere auf der Brücke der Stronghold blickten auf. Manche versuchten, Morgaines Gesichtsausdruck zu lesen. Doch sie schaffte es, ihre gewohnte Ausdruckslosigkeit herzustellen, als sie vor Khaust auf der Plattform stand.

      »Es ... Es ist soweit alles in Ordnung.« Es gelang ihr jedoch nicht ganz, ein Stottern zu verhindern. »Wir sollten uns unter vier Augen unterhalten. Jetzt sofort.« Sie blickte ihn durchdringend an.

      Nachdem Khaust ihr ins Kapitänsbüro gefolgt war, erzählte sie ihm den Verlauf des Treffens. Er hörte wie immer stillschweigend zu, bis sie zum Ende kam und sagte schließlich nach einer Pause: »Ich werde sofort alles Notwendige in die Wege leiten. Der Funkverkehr muss untersagt werden.«

      »So ist es«, bekräftigte Morgaine. »Sämtliche Kom-Verbindungen werden gesperrt. Nicht nur die offiziellen, sondern auch die privaten. Der Besatzung muss klar sein, dass es sich um einen Ernstfall handelt. Kein Funkverkehr mehr mit Freunden und Verwandten, keine Kom-Briefe, keine Benachrichtigungen.

      Es dürfen keine Informationen nach Außen gelangen sonst ...« Sie stockte.

      Khaust verstand sofort. »Ich werde dafür sorgen.«

      »Hier haben sie die restlichen Informationen und die genauen Koordinaten. Sämtliche Routineprüfungen und Übungen oder dergleichen werden ab sofort eingestellt. Die vollste Aufmerksamkeit gilt ab jetzt der Mission. Bereiten sie Sonden vor und gehen sie auf Alarmstufe Gelb-Drei. Ich möchte, dass sie die Stronghold darüber informieren, dass wir eine Spezialmission im Namen des Andragon-Kanton-Zusammenschlusses durchführen. Erläutern sie jedoch nicht die Details dieser Mission an Offiziere vierten Grades. Lediglich die Besatzung der Brücke sollte darüber informiert werden, mit was wir es zu tun haben könnten.« Morgaine betätigte mehrere Knöpfe auf dem Bedienungspult an ihrem Schreibtisch, um diverse Ressourcen, Energievorräte, Mannkapazitäten und andere Statistiken zu überprüfen.

      »Bestätigt.« Khaust strich sich über seinen Bart.

      »Wegtreten«, murmelte Morgaine, die in Gedanken bereits in ihren Statistiken und verschiedenen Vorgehensweisen schwebte.

      Stunden vergingen. Die Stronghold reiste mit AKZ-Prioritätstempo in Richtung des Bogenscheinportals zu ‚Grüner Schlund‘.

      Morgaine war nun seit nicht ganz einem Tag im Arym Var-System und dennoch hatten sich ihre Befürchtungen bestätigt. Etwas war an diesem System, oder vielleicht waren es tatsächlich nur die Umstände und Geschehnisse, die Morgaine beunruhigten und Angst machten. Sie saß in ihren Privaträumen, die dem Kapitänsbüro angrenzten, welches sich wiederum direkt neben der Brücke befand. Vor ihr befand sich ein Pulshologramm, das über einem Gerät zum Vorschein kam. Das Hologramm schien über einem kleinen Tischchen zu schweben und zeigte einen großen Teil des Systems nach Scannerinformationen der Andragon-Kantone. Im Zentrum des Hologramms befand sich ein kleiner roter Pfeil, der die Stronghold mit ihrer derzeitigen Bewegungsrichtung darstellte.

      So weit weg vom Großteil der Andragon-Kantone, dachte Morgaine und wünschte sich nicht zum ersten Mal in ihr geliebtes ‚Erbe des Lichts‘-System zurück.

      Die enorm leistungsstarken Langstreckenscanner der Stronghold ermöglichten eine Darstellung verschiedener anderer relevanter und mobiler Objekte. Morgaine konnte die Epos sehen, auf der sie sich vor einigen Stunden noch selbst befunden hatte. Auch die Bentham, die Sanctus und die Marx befanden sich auf ihren Zirkulationspfaden durch das System. Viele andere Objekte der Kantone waren namenlos und als Punkteschwärme kreuz und quer im System verteilt zu erkennen. Lediglich einige relevante Kreuzer der Kantone wie die RS Terranigma des Karndalf-Kantons waren beschriftet.

      All diese Objekte schienen sich zusammen mit den Planeten in der Nexusumlaufbahn immer weiter von Morgaine und der Stronghold zu entfernen, die mit halber Lichtgeschwindigkeit in Richtung ‚Grüner Schlund‘ raste.

      Morgaine kam sich vor, als würde sie alleine an den Rand des Weltraums fliegen. Dort wo sich die Zielkoordinaten befanden, auf die die Stronghold zusteuerte, war lediglich ein kleiner gelber Punkt, der ein Bogenscheinportal symbolisierte.

      Morgaine ließ sich in ihre Couch vor dem Hologramm zurückfallen. Sie starrte an die Decke des leicht abgedunkelten, komfortablen Raums, an dessen Seite ein längliches Flarrethochdruckfenster den Blick auf Milliarden unbekannte, weiß leuchtende Sterne preisgab.

      Sie hatte vor, erst eine Sonde zu senden. Sollte die Sonde eine Intelligenz im nahen Raum registrieren, so würde Morgaine ein Botschafterschiff hinterherschicken, um eine Grußmeldung zu senden und, so hoffte Morgaine, einen Kontakt mit der Spezies herzustellen.

      Sie hatte eine derartige Mission noch nie durchgeführt. Aber sie war sich darüber im Klaren, dass ein Captain einer Olympfregatte, eines der größten und mächtigsten Schiffe der Menschheit, derartige Aufgabenstellungen durchaus zu bewerkstelligen hatte. Thorwald hatte ihr einst erzählt, wie er Kontakt zu den Krakh, bei der Entdeckung des Krakh-Systems, hergestellt hatte. Die Sauerstoff atmenden Wesen, die mehr an aufrecht gehende Tiere erinnerten, hatten sich sofort kooperativ gezeigt. Nach ersten formellen Treffen hatten die freundlichen Geschöpfe, die ähnliche Werte und Gesellschaftsstrukturen wie die Menschheit besaßen, gezeigt, dass sie genauso interessiert an Bündnissen, Raumnutzungsübereinkommen und Handelsabkommen waren wie die Andragon-Kantone. Man konnte sagen, dass der erste Kontakt zu einer anderen Spezies absolut reibungslos und wie erhofft erfolgreich verlaufen war. Doch was, wenn eine Spezies feindlich gesinnt war?

      Die