Dominik Michalke

Arym Var


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Morgaine glaubte, auch etwas wie Sorge von seinen kantigen, vierzig Jahre alten Zügen abzulesen.

      »Steueroffizier«, sagte sie monoton. »Suchen sie die Koordinaten des Treffpunktes in der Datenbank des AKZ und gleichen sie sie mit unseren Zielpunktkoordinaten ab. Wir werden ...«

      »Captain, eine eingehende Kom-Verbindung auf Interstellar-Basis. Quelle: Die Epos«, unterbrach sie der Hauptfunkoffizier der Stronghold.

      »Auf den Hauptschirm«, sagte Morgaine, ohne mit der Wimper zu zucken.

      Es war nicht Ravenberg, der auf dem Monitor erschien, sondern ein Mann Mitte dreißig mit einem Headset auf dem Kopf und einer Art Vis-Vorrichtung vor dem linken Auge.

      Was hast du erwartet, dachte Morgaine. Dass der Zusammenschlussführer persönlich vor allen auf der Brücke mit dir spricht?

      »Die Epos grüßt die Olympfregatte Stronghold mit den Grüßen des Kodex«, brummte die Stimme des Mannes gleichgültig.

      Eine Standardbegrüßung, dachte Morgaine und konnte sich eines ähnlich gleichgültigen Tons nicht verwehren. »Captain Morgaine Hera von der Stronghold grüßt die Epos, Flaggschiff der Andragon-Kantone, gemäß dem Kodex.« Sie verzichtete auf eine direkte Ansprache von Ravenbergs Namen.

      Der Mann am Monitor fuhr mit der gleichen gleichgültigen Stimme fort.

      »Soeben werden ihnen die korrigierten und exakten Koordinaten übermittelt, die sie unverzüglich anstreben werden.« Er blickte kurz um neunzig Grad nach rechts und dann wieder direkt in den Monitor.

      Morgaine hatte den Befehlston nicht überhört.

      »Bestätigt«, murmelte einer der Offiziere auf ihrer Brücke leise. Morgaine warf ihm einen mürrischen Blick zu.

      Der Mann mit dem Headset setzte fort. »Sobald sie die Koordinaten erreicht haben und mit der Epos in einer Parallelbahn sein werden, wird ein Perser-Shuttle bei ihnen andocken, um sie abzuholen. Es wird sie zur Epos transportieren, wo sie den Führer des Andragon-Kanton-Zusammenschlusses, Maurizius Ravenberg, aufsuchen werden.«

      Morgaine fing an, wütend zu werden. Es störte sie nicht ungemein, dass sie als Fregattenkapitän herumkommandiert wurde wie ein kleines Kind. Was war so wichtig, dass sie Ravenberg persönlich und unter vier Augen treffen musste?

      Falls sie eine neue Zirkulation im Arym Var-System bekommen sollte, konnte das auch über elektronische Datenübermittlung gehandhabt werden, wie es üblich war.

      »Wir werden uns zu gegebener Zeit erneut zu Wort melden«, brummte der Mann auf dem Monitor und verschwand ohne ein weiteres Wort oder eine Pause.

      »Wie schön«, sagte Morgaine spöttisch und stellte fest, dass sie es laut und deutlich ausgesprochen hatte. Mehrere Offiziere blickten sie verwundert an.

      Nach etwa eineinhalb Erdstunden hatten sie die Koordinaten erreicht. Wie Morgaine es von perfekten Zeitplänen des AKZ gewohnt war, kam exakt zur gleichen Zeit das automatische Perser-Shuttle, welches sie abholen sollte.

      Morgaine war auch über diese Sache verärgert. Perser-Shuttle wurden als automatische Transportmittel für Soldatenteams und Planetarmissionen benutzt. Sie ärgerte sich nicht über den fehlenden Komfort, sondern über die Tatsache, dass sie nicht von einem Abgesandten oder einem Botschafterschiff mit menschlicher Besatzung in Empfang genommen wurde. Thorwald hätte sich so etwas nie erlaubt, schimpfte sie in Gedanken.

      »Das Shuttle wird in zwei Erdminuten Schleuse 3 erreichen«, sagte ein Offizier.

      Morgaine musste sich auf den Weg machen. »Bestätigt. Khaust, sie haben bis zu meiner Rückkehr die Brücke der Stronghold.« Ohne länger zu warten wandte sie sich ab und ging zur Haupttür der Brücke.

      »Viel Glück«, murmelte Khaust hinter ihr.

      Das werde ich wohl brauchen, dachte Morgaine und ging durch die Tür in den Verbindungsgang zum Röhrentransporter. Khaust war ein Typ Mensch, der nicht viel redete. Aber wenn er etwas sagte, dann meinte er es auch so.

      Morgaine wusste seine Anteilnahme zu schätzen.

      Sie betrat den Röhrentransporter und aktivierte den Pfad zu den Hangars. Gelbliche Lichtfunken schossen außerhalb der Kapsel an Morgaine vorbei, während sich das Gefährt mit schneller Geschwindigkeit den Weg durch die verzweigen Röhren suchte und schließlich am Haupteingang zu den Hangars der Stronghold hielt. Die Gleittüren schossen auf und die Kapsel senkte sich langsam die letzten Zentimeter herab, bevor Morgaine den Fuß aus der Kunststoffhülle auf den Flarretstahlboden setzte.

      Einige der Hangaroffiziere blickten mit hinter dem Rücken verschränkten Armen in ihre Richtung, als sie sich den Schleusen näherte. Vor ihr befanden sich riesige Flarretglasfenster, durch die hindurch man große Hangars mit schmalen Xeter-Gefechtskreuzern sehen konnte. Sie zählten im Kampf zu den am meisten gefürchteten Kriegsmaschinen weit und breit.

      Weiter links waren die Frachterdocks. Doch Morgaine wusste auch ohne die weisende Geste einer der Hangaroffiziere, dass sie sich rechts halten musste, um zu den Shuttle-Docks zu gelangen.

      Sie ging die lange Rampe hinunter, auf der mehrere Hangarbedienstete, Offiziere und Arbeiter wie Wespen hin- und herschwirrten und ihr teilweise fragende Blicke zuwarfen. Den Captain einer Olympfregatte ohne Begleitung von höherrangigen Offizieren zu sehen, war ungewöhnlich. Doch dies war eine Ausnahmesituation und Ravenberg erwartete sie für ein Gespräch unter vier Augen.

      Die Rampe mündete in einen halbrunden großen Raum, in dem die Shuttles und Botschafterschiffe der hohen Offiziere und Kantonführer anzudocken pflegten. Zwei Bedienstete standen links und rechts von Schleuse drei und nickten Morgaine stillschweigend zu. Einer der Bediensteten betätigte einen Knopf an der Konsole. »Das automatische Perser-Shuttle der Epos hat in diesem Moment angedockt und ist in wenigen Minuten wieder bereit für den Abflug«, sagte er.

      Morgaine nickte, worauf der Bedienstete erneut mehrere Knöpfe betätigte.

      Die Tür der Schleuse fuhr mit einem tiefen Grollen nach oben und das schnöde Innere eines Standard-Perser-Shuttles wurde preisgegeben. Morgaine warf dem Bediensteten einen stummen Blick zu und betrat dann das Perser-Shuttle. Augenblicklich schloss sich die doppelte Tür hinter ihr und ein Brummen erfüllte das Raumschiff, was bereits die Initialisierung der Startsequenz signalisierte.

      Verspannt ließ sich Morgaine auf den Sessel vor der Cockpit-Sichtscheibe fallen und starrte an die dunkle Metallwand, die die Innenseite des Shuttlehangars darstellte. Sie fühlte sich so fehl am Platz wie noch nie zuvor in ihrem Leben.

      Morgaine sah sich um. Das Shuttle war länglich aufgebaut und konnte etwa acht Menschen fassen. Zur Inneneinrichtung gehörte nicht mehr als eine Toilette in einem Extraraum, ein kleiner Spind für Gegenstände, sowie ein kleines Fach mit einer spärlichen Standardbesetzung von Nahrungsmitteln und Getränken. Morgaine wandte sich wieder dem Cockpit zu.

      Verschiedene Signaturen auf dem Armaturenbrett leuchteten auf und der Bordcomputer des Perser-Shuttles meldete sich mit einer sanften Frauenstimme zu Wort. »Das automatische Perser-Shuttle APS 13 der Olympfregatte Epos begrüßt sie herzlich an Bord. In den folgenden Minuten wird der Start initialisiert. Das Shuttle wird in einer vorprogrammierten Flugbahn zum ursprünglichen Ausgangspunkt, der sich in Hangarbucht 22 auf der Epos befindet, zurückkehren. Die manuellen Steuerungsoptionen sind für diesen Transport vollständig deaktiviert. Die Flugdauer wird elf Minuten und dreiunddreißig Sekunden nach andragonischer Zeitrechnung betragen.«

      Jetzt fehlt nur noch, dass sie mit etwas kommt wie ‚Bitte legen sie sich so bequem wie möglich hin und schließen sie ihre Augen‘, dachte Morgaine griesgrämig und drehte sich unruhig in ihrem Sessel hin und her, was ein untypisches Verhalten für ihresgleichen darstellte.

      »Das Perser-Shuttle APS 13 wünscht ihnen einen angenehmen und ungestörten Flug.«

      »Amen.« Morgaine schnaubte.

      Der PGA im Heck summte leise auf und das Shuttle erfuhr einen Ruck, als es sich von der Schleusenverbindung löste. Mit einem unterschwelligen Vibrieren glitten die silbernen Hangartüren auseinander und