Claus Beese

Geschichten aus dem Leben


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ruft: „Tschüss!“, und Vater und Sohn verlassen das Abteil. Wenig später entdecke ich sie auf dem Bahnsteig. Der Vater trägt seinen Sohn auf dem Rücken und galoppiert mit ihm zum Ausgang.

      Nichts als Ärger

      Von Claus Beese

      Der Rollladen klemmt. Eine Leiter muss her, damit ich auf das Flachdach komme. Nur von dort aus erreiche ich den streikenden Fensterverdunkler. Und eine Holzplatte, damit die zweite Leiter auf der Dachpappe keine Löcher macht. Also, rauf und die Platte hochasten. Schweeeer! Ich wuchte die zweite Leiter hoch aufs Dach, klettere hinauf, gucken, runter, Werkzeug holen. Rauf, reparieren. Und wenn ich doch gerad schon mal oben auf dem Dach stehe ...

      Gucken, Kopf schütteln, runter in den Schuppen, Besen holen, wieder aufs Dach, fegen (was sich da so alles ansammelt!), und ... Oooooh! Schadhafte Stellen an den Fugen eines anderen Rollladens. Runter und aus dem Schuppen Dichtacryl holen, rauf aufs Dach, und rauf auf die Leiter, Fugen neu abspritzen. Runter, Silikonpistole wegbringen. Und wieder rauf aufs Dach, da war doch was ... Oooooh! Mein prüfender Blick lokalisiert schadhafte Stellen an einem Wandanschluss, die Dachpappe wird dort nicht dichthalten. Also, wieder runter, Eimer mit Bitumenspachtel holen. Rauf aufs Dach und auf die Knie, reicht nicht. Platt auf den Bauch, jau, jetzt komm ich da ran. Wat'n Smeerkrom! Warum kriege ich immer mehr ab als die zu reparierenden Stellen?

      Erledigt. Eimer wieder runter, zweite Leiter wieder runter. Handfeger und Kehrblech holen. Wieder nach oben und Dachrinne saubermachen (wenn man schon mal da oben ist). Runter, Dreck wegbringen. Wieso klebt das alles an meinen Händen und wieso sind sie schwarz? Bin ich Kaminkehrer? Ach, der Bitumenkleber. Es gibt doch für alles eine logische Erklärung. Rauf. Was war da noch ...? Oooooh! Schadhafte Stellen an Nachbars Wand. Die hatte ich doch schon übergestrichen, aber an dem Riss im Putz blättert die Farbe. Nach unten, das Dichtacryl wiederholen. Rauf. Riss verschmieren. Wat'n Smeerkrom! Ich kriege mal wieder mehr ab als die zu reparierenden Stelle? Runter.

      Eimer wegbringen, zweite Leiter wegbringen. Holzplatte wegbringen. Wo ist die? Oooooh, noch oben. Rauf, Platte runterhieven. Mann, ist die schwer. Aber runter geht irgendwie leichter als rauf. Platte wegbringen, Leiter wegbringen.

      Wo ist der verdammte Nitroverdünner? Ganz oben im Schrank, wer hat den denn dahingestellt? Stuhl holen, rauf, Buddel nehmen, runter. Reinigungsversuch. Geglückt! Mehr oder weniger. Rauf, Buddel zurückstellen. Wenigstens weiß ich nun, wo sie ist.

      Fertig! Stöhn! Ich muss die Tür zum Haus aufschließen, was sich angesichts meiner zitternden Glieder als nicht ganz einfach erweist. Ich bekomme den Schlüssel nicht ins Loch. Was müssen so alte Zausel auch auf Dächer kriechen?! Wo steckt meine bessere Hälfte? - Natürlich mal wieder nicht da, wenn man sie braucht. Sie ist zur Arbeit, lässt mich hier im Stich und ich muss zusehen, wie ich die schweren Arbeiten voreinander bekomme, während sie sich im Büro vergnügt.

      Ich schaffe die Tür, schlurfe kraftlos in die obere Etage. Ich schwitze, alles klebt, ein ekliges Gefühl. Bloß raus aus der Hose. Ich habe schwarzen Bitumen und weißes Acryl überall an und auf mir, muss vorsichtig sein, dass ich nichts an die Möbel schmiere. Vorsichtig lege ich die dreckige Hose auf ein Stück Papier, um nichts einzusauen, da klingelt es. Also wieder runter. Frau Hermes mit einem Päckchen. Sie steht wortlos da, stiert mich an, mit offenem Mund, verdreht die Augen und ist einer Ohnmacht nah. Na, also so schlimm sehe ich doch auch nicht aus. Ich betrachte meine Arme und Hände. Fast sauber, naja, fast…

      Da spüre ich, wie es mir unten herum kühl ans Gebein zieht. Was war da noch ...?

      Ich will nach Deutschland

      Von Martine Lestrat, veröffentlicht in ihrem Buch „Bonjour Deutschland“ im Elvea Verlag

      Als ich 1984 an meinem damaligen Arbeitsplatz in Nordfrankreich mit Freude ankündigte, dass ich nach Deutschland zu meinem Freund umziehen werde, erwiderte mein Vorgesetzter: „Man sollte dir eigentlich die Kopfhaare abrasieren, weil du mit einem Deutschen schläfst. Man sieht sowieso, dass du mit Deutschen zu tun hast. Du trägst schon Stiefeletten.“ Mir blieb die Spucke weg. Mit so etwas hatte ich wirklich nicht gerechnet!

      Ein Patient sagte mir enttäuscht: „Ich hatte nicht von dir gedacht, dass du mit einem ‚Boche’ ins Bett gehst.“ „Boche“, Bosch ausgesprochen, war eine Bezeichnung für die deutschen Soldaten während der Kriege (angeblich wegen ihres Helms "Caboche"). Ich antworte: „Serge, er ist kein 'Boche' sondern ein Deutscher, und der Krieg ist längst vorbei.“

      Zum Glück hatte ich selten mit solchen Äußerungen zu tun. Das Thema Krieg ist leider immer noch präsent zwischen diesen beiden Ländern, doch zum Glück nur bei wenigen Menschen. Familienangehörige, Freunde und

      Bekannte fragten eher besorgt: „Kannst du Deutsch sprechen?“

      „Ähm…, nein!“

      „Hast du schon einen neuen Arbeitsplatz?“

      „Nein!“

      „Und wie willst du das machen? Wie stellst du dir das vor?“

      „Ach! Es wird schon gehen!“

      Ich bin schon immer eine Optimistin gewesen. Noch dazu war ich verliebt, hatte meinen Freund zwei Jahre zuvor kennengelernt und wollte sowieso seit einiger Zeit aus meiner Region weg, von zu Hause weg. Also, warum nicht nach Deutschland? Nach monatelangem Hin- und Herfahren zwischen Frankreich und Deutschland wurde es langsam Zeit zu überlegen, wie es weitergehen soll…

      Viele hatten Bedenken. Ich nicht. Ich hatte ein gutes Gefühl. Und ich hatte recht, es ging! Es ging sogar sehr gut! Es war die richtige Entscheidung! Ich bin so froh, dass ich diesen Schritt ins Unbekannte gewagt habe. Dass ich „Bonjour Deutschland!“ sagen wollte.

      Urlaub am Jadebusen

      Von Jürgen Niemeyer

      Es wurde sehr bedenklich. Der Gezeitenstrom trieb mich immer weiter vom Ufer weg. Ein leichter Wind kam auf und ließ aus meiner Haut eine Gänsehaut werden. Es war unmöglich, nur mit den Händen die Luftmatratze wieder zum Ufer zu bewegen. Gnadenlos zog mich die Ebbe immer weiter aufs offene Meer hinaus.

      Ich hob den Kopf. Wo war denn überhaupt das Land? Vielleicht war es hier gar nicht tief, und ich könnte mich hinstellen, um die Richtung zu bestimmen, in der die Küste lag. Möglicherweise käme ich dann nicht mehr zurück auf meine schwimmende Unterlage. Ich traute mich nicht einmal, den Oberkörper aufzurichten, um das Land zu erkennen, wo meine Eltern und die Brüder am Strand waren. Hier oben, auf der Luftmatratze war ich sicher, musste nur aufpassen, dass ich nicht kenterte oder herunterrutschte.

      Ich drehte den Kopf, und sah, wie ich auf einen umgedrehten Reisigbesen zutrieb. Ich musste ihn irgendwie zu fassen bekommen, um mich daran festzuhalten. Ich schaffte es, konnte nun nicht mehr weiter abtreiben. Ich hoffte, dass mich schon jemand finden würde. Vielleicht war ich aber auch schon in England, und die Leute hier konnten mich überhaupt nicht verstehen. Wie sollte ich dann jemals nach Hause kommen? Angst stieg in mir auf, furchtbare Angst.

      „Hallo! Hört mich jemand? Hallo! Ich will zurück!“, schrie ich so laut ich konnte.

      „Meine Güte, Jürgen! Was schreist du denn so laut?“, hörte ich die Stimme meines Vaters dicht hinter mir. Überrascht drehte ich den Kopf.

      „Vati! Wo kommst du denn her? Bist du hier ganz hergeschwommen? Bis nach England?“, fragte ich ihn erleichtert.

      „England? Nein nicht ganz, nur die letzten paar Meter bin ich zu dir geschwommen. Und England ist noch weit weg. Wir sind noch im Jadebusen. Aber du solltest doch nicht so weit mit der Luftmatratze raus schwimmen. Hier kannst du nicht mehr stehen, und das ist sehr gefährlich. Die Strömung kann dich bis in die offene Nordsee treiben, und da gibt es keinen Kakao.”

      Keinen Kakao? Das würde ich mir merken. Ich musste tatsächlich zukünftig besser aufpassen. Keinen Kakao!

      „Ja, in Ordnung“,