Alexandra Felleitner

Der Mensch denkt - Paul lenkt


Скачать книгу

oder noch besser in einer etwas nobleren Gegend, in der schöne Häuser stehen, gut erzogene Kinder Fahrrad fahren und die Mütter den ganzen Tag die Kleiderschürze tragen, weil sie vor dem Mittagessen noch einen Kuchen backen und nach dem Mittagessen Früchte zu Marmelade einkochen, aber am ultramodernen E-Herd.“

      „Ein Lieferservice würde gut zu deiner Idee passen. Wenn es perfekte Hausfrauen sind, sind sie doch den ganzen Tag zu Hause zum Kochen, Backen und Kinder erziehen, was in unserem Fall nichts ausmacht, denn wir zeigen in unserem Spot einen gekühlten Lieferwagen, der Willis Würstchen direkt zu den Frauen an die Haustüre bringt. Frische Ware, die gleich verarbeitet und gegessen werden kann. Sobald die Würstchen zu Hause ankommen, bereitet die gute Hausfrau das Abendessen für die Kinder und den fleißigen Mann zu, der sodann mit Anzug und Krawatte völlig erledigt vom Büro nach Hause kommt – und natürlich will er abends nur Willis Würstchen essen.“

      „Perfekt, da lässt sich ein biederes konservatives Bild kreieren, indem aber viel Hightech gezeigt wird, angefangen vom E-Herd bis hin zum brandneuen Auto, was für die Zuseher unbewusst die heutige Zeit widerspiegelt und somit ein breiteres Publikum anspricht.“

      Alfred muss zähneknirschend zugeben, dass diese Idee um Klassen besser ist als seine glückliche Fleischhackerfamilie. Er gibt klein bei und verabschiedet sich nach einiger Zeit. Er fühlt sich fehl am Platz, weil ihn die beiden Frauen nicht mehr beachten. Sie zerkugeln sich vor Lachen bei der Vorstellung, sie selbst würden zu perfekten Hausfrauen mutieren.

      Der zweite Cocktail ist fast leer getrunken, als Lena auffällt, dass Peter schon länger als eine Stunde bei der fremden Frau sitzt. Sophie sieht das Unheil kommen, als sie Lenas Blick Richtung Peter folgt.

       Kurze Auszeit für mich.

      „Ich gehe mal eben an die Bar und hole mir ein Wasser.“

      Lena hört das nur am Rande, weil sie schon in Gedanken damit beschäftigt ist, eine Todesart für Peter auszuwählen. Sie steht auf und geht zu ihm und der schönen Unbekannten.

      „Peter, möchtest du mir deine Bekanntschaft nicht vorstellen?“

      „Äh, natürlich, mein - äh – Schatz. Larissa, das ist meine äh Frau – äh …“

      „Lena, mein Name ist Lena!“

      Sie setzt sich ohne zu zögern neben Larissa, was dieser nicht zu gefallen scheint.

      Sophie steht unterdessen schon an der Bar. Der Barkeeper flirtet mit einem jungen hübschen Mädchen am anderen Ende der Bar, was Sophie einerseits nervig findet, weil er keine Anstalten macht, sich loszureißen, anderseits ist es auch egal, so schnell möchte sie nicht wieder zurück zum Tisch. Wenn Lenas Wut verraucht ist, ist es immer noch früh genug.

      Sophie sieht sich in der Bar um, das Ambiente gefällt auch ihr sehr gut. Mittlerweile ist es auch ganz schön voll geworden. Sie waren so in die Werbung vertieft, dass ihr gar nicht aufgefallen ist, dass es schon nach 23 Uhr und die Bar ziemlich voll geworden war. Als sie nun mit dem linken Arm an der Bar lehnt, wandert ihr Blick durch die Menschenmenge -- als sie plötzlich ihn bemerkt, genau vor ihr – jung, groß, etwas muskulös, aber nicht zu sehr, sportlich eben, dunkelbraune Haare in attraktivem Kurzhaarschnitt – alles in allem jemand, den man nicht übersehen kann. Da bemerkt sie erst, dass er sie ansieht. Schnell sieht sie weg und im gleichen Moment ärgert sie sich über sich selbst. Eigentlich ist sie gar nicht schüchtern, ein bisschen vielleicht. Während sie sich noch über sich selbst ärgert, sieht sie noch mal zu ihm hin und bemerkt, dass er sie immer noch ansieht. Ein ungewollter Reflex zwingt sie jedoch, wieder weg zu sehen und sie ärgert sich daraufhin noch viel mehr.

      Was der jetzt wohl von mir denkt?! Himmel, Arsch und Zwirn!! Jetzt muss ich schon aus Prinzip nochmal hinschauen, nicht aus Interesse! Dann schau ich aber nicht mehr weg!

      Sie wagt also noch einen Blick und konzentriert sich mit aller Kraft.

       Wenn er dich noch ansieht, schaust du jetzt nicht weg! Nicht wegschauen! Nicht wegschauen!

      Und tatsächlich sieht er sie immer noch an.

      All ihre Gedanken sind verschwunden und sie versinkt in seinen Augen, alles andere verschwimmt - sein Mund, sein Körper, die Stimmen der anderen Gäste, die Musik, die ganze Bar mit all ihren Geräuschen. Es scheint so, als würde nichts mehr existieren, nur mehr die Augen dieses geheimnisvollen Mannes – und welch schöne Augen das sind! Rehbraun, scheinbar endlos tief, mit langen, vollen, schwarzen Wimpern! Sophie kann sich nicht mehr losreißen. Es existieren nur noch diese Augen. Sie merkt im Unterbewusstsein, dass Zeit vergeht, nur wie viel ist ihr nicht klar. Sekunden, eine Minute, vielleicht aber auch schon mehrere Minuten.

      Mit einem Mal durchfährt ein Blitz ihren Körper, der neben ihrem Hals einschlägt und auf dem Weg durch den ganzen Körper bis hinunter zu den Zehen ein Prickeln, Vibrieren und Zucken verursacht, dass Sophie sich instinktiv an der Bar festhält, damit sie nicht umgeworfen wird. Trotzdem können ihre Augen den Blick von ihm nicht lösen, es scheint unmöglich und für den Augenblick einer Sekunde hat sie das Gefühl, dass auch er den Blick von ihr nicht lösen kann. Ganz langsam, wie in Zeitlupe, geht er einen Schritt auf sie zu und neigt dabei seinen Kopf. Auch Sophie neigt ihren Kopf zur Seite und etwas nach vorne, die Augen schon halb geschlossen, die Lippen ganz leicht geöffnet. Nur mehr wenige Zentimeter sind seine Lippen von ihren entfernt, als jemand an Sophies Schulter tippt und sie sich erschrocken umdreht.

      Kapitel 5 – Max und Eddie in Jimmys Bar

      Max stellt seinen Einkauf auf seinen Küchentisch und dreht das Radio an. Er räumt den frischen Schinken und den Orangensaft in den Kühlschrank, die gekauften Kondome legt er in die obere Schublade seines Nachtkästchens. Auf dem Weg ins Bad zieht er schon das T-Shirt aus und beginnt, sich die Hose aufzuknöpfen. Feinsäuberlich räumt er alles in den Wäschekorb im Bad, schließlich erwartet er heute noch Besuch – die neue Eroberung, die er sich heute angeln möchte, soll sich nicht in einer typischen Junggesellenbude wiederfinden. Laut Max` persönlichen Erfahrungswerten liegen die Chancen, dass die Mädchen über Nacht bleiben, besser, wenn es zumindest halbwegs sauber und aufgeräumt aussieht.

      Als Max aus der Dusche steigt und nach dem Handtuch greift, klingelt es an der Tür. Max blickt auf die Uhr, die im Bad oberhalb der Zimmertüre angebracht ist. Es ist 21 Uhr.

      Das wird doch nicht schon Eddie sein, eine dreiviertel Stunde zu früh?

      Max wickelt sich das Handtuch um die Hüften und geht zur Haustür. Gerade als er sagen will: „was machst du denn schon hier?“, bleiben ihm die Worte im Hals stecken.

      „Wir bringen Ihnen den wahren Frieden und Sicherheit auf Erden. Geben Sie sich Gott hin und Sie werden ins Paradies aufgenommen. Bereuen Sie Ihre Sünden, ändern Sie Ihren Lebenswandel, dann werden Sie gerettet und ewiges Leben erfahren!“

      „Es tut mir sehr leid, ich bin heute genauso wenig interessiert wie gestern.“

      „Es bereitet große Freude, ein Diener Jerosas zu werden und ewiges Leben zu erlangen. Satan benutzt die falsche Religion, um Menschen in die Irre zu führen. Wir dürfen Satan nicht die Oberhand gewinnen lassen!“

      „Hören Sie, ich will nicht unhöflich sein, aber ich bin wirklich nicht interessiert!“

      Max wartet keine Antwort ab, als er die Türe schließt, aber er hört noch deren Stimmen im Chor: „Alle Menschen werden miteinander in Frieden und Eintracht leben. Dient dem Herrn! Dient dem Herrn!“

      Unglaublich, wie hartnäckig die sein können!

      Max ist zufrieden mit seinem Spiegelbild – das neue Hemd, Jeans, Segelschuhe aus Leder, zum Schluss noch etwas Aftershave. Eine Viertelstunde bleibt ihm noch, bis Eddie kommt. In dieser Zeit dekoriert er den Wohnzimmertisch mit zwei Kerzen, Sektgläsern, einer kleinen Vase mit einer roten Seidenrose und losen Rosenblättern. Der Flaschenkühler, den er schon mit Eis gefüllt hat, stellt er neben den Tisch mit einer Flasche Birnenschaumwein. In die Stereoanlage legt er eine CD mit Liebesliedern