Michael Schwingenschlögl

Märchenstunde


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in seinen Besitz bringen. Er brauchte sie nicht wirklich, aber so wurde sein Reich wieder um ein schönes Stückchen größer, selbst als Kaiser kommt man um einen Phallusvergleich nicht herum. In der Folge schickte er dann auch einige Lebewesen dorthin und bescherte ihnen eine wunderschöne, neue Heimat samt traumhaftem Wetter.

      Den größten Teil seiner Armee benötigte er aber im neuentstandenen Großkaiserreich Ithrien selbst. Denn in den Gebirgen lebten noch Gestalten, die offiziell noch nicht zu ihm gehörten. Es waren die autonomen Reiche der Zwerge.

      Ach, die lieben Zwerge, auf die habt ihr sicherlich schon ganz gespannt gewartet, oder? Wusste ich es doch. Die Geschichte unserer kleinwüchsigen Freunde mit dem kräftigen Haarwuchs ist ebenfalls ziemlich lustig. Naja lustig ist übertrieben, für sie war es definitiv traurig, also holt schon einmal eure noblen Taschentücher mit Curuba-Pitahaya-Tamarilloduft aus den Handtaschen.

      Im Großkaiserreich Ithrien, das sich mittlerweile schon aus dem ursprünglichen Ithrien, den ehemaligen Elfenländern Siien, Yalfyr, Milanth und Anra, den einstigen Landen von Woldawa, Castillen und Vaadesbreek, sowie den Niemandslanden im Osten und Nordosten zusammensetzte, gab es auch Berge. Viele Berge, die gesamte Bergpalette: Mittelgebirge, Hochgebirge, weitläufige Gebirge, nicht weitläufige Gebirge, einzelne Berge, eben alles was das Bergherz begehrt. Und in diesen Bergen lagen viele Zwergenreiche. Riesengroße Zwergenimperien wie Skyaltor in den Nharkofagen, das sich über mehrere gigantische Berge erstreckte, aber auch kleine, wo der König höchstens drei Dutzend Untertarnen hatte.

      Die Zwerge waren in diesen Gebieten aber nur Immigranten, Flüchtlinge um genau zu sein. Früher gab es in den Breiten des Großkaiserreichs keine Zwerge. Jahrhunderte bevor Quirin das Licht der Welt erblickte, lebten sie ganz im Westen und im Nordwesten des Kontinents. Sie waren die ersten Lebewesen die diese Lande betraten und fühlten sich von Beginn an in den Bergen zuhause. Wortwörtlich in den Bergen, denn ihre Reiche lagen seit jeher unter der Erde.

      Wie die Zwerge nun Mal sind, ihr kennt es sicher aus anderen Geschichten und es passt einfach zu ihnen. Jeder erwartet sich von den Zwergen, dass sie in den Bergen wohnen, die Schmiedekunst virtuos beherrschen und viele Schätze haben. Kein Mensch will eine Geschichte hören, in der die Zwerge ein Seefahrervolk sind.

      Wie siehst du das?

      Ja, das wäre vermutlich schon auch lässig, aber dafür habe ich noch zu wenig getrunken und es würde all meine Pläne zunichtemachen, immerhin wollt ihr ja eine fantastische Fantasygeschichte hören. Man kann statt Fleisch auch Tofu in das Schnitzel packen, aber will das irgendwer? Nein, die Sau muss da hinein, so wie sich das gehört und deswegen müssen die Zwerge eben in den Berg. Wir machen ja hier keine halben Tofusachen!

      Die Gebirge im Westen waren voll von Schätzen und je mehr sie die Berge aushöhlten, um ihre Königreiche zu vergrößern, auf desto mehr Schätze stießen sie. Gold, Silber, Diamanten, Kristalle, andere glitzernde Edelsteine, uralte Artefakte der Götter, deren Wert in Gold kaum aufzuwiegen war, sie fanden einfach alles. In ihren Hallen funkelte es wie im Swarovski Wunderland, oder wie das dort in diesem grünen Hügel in Tirol auch immer heißen mag, aber ihr wisst, was ich meine, oder?

      Perfekt. Die Jahrhunderte vergingen und der Reichtum der Zwerge wuchs und wuchs. Dies blieb natürlich auch den anderen Völkern nicht verborgen und da die Gier ein unfassbarer Hund ist, war das Unvermeidliche eben unvermeidlich. Zuerst starteten die Elfen ihren Raubzug in die Berge und die Menschen des Westens folgten ihnen nur kurz darauf. Alle wollten sie sich an den unglaublichen Schätzen in den Bergen bereichern, wie die Elstern zog es sie magisch in die Gebirge. Die Zwerge waren aber tapfere und gnadenlose Krieger und gaben ihr Vermögen nicht so einfach her. Jahrelang herrschte Krieg, viele tausend Opfer auf allen Seiten, aber schlussendlich waren die diebischen Elfen und Menschen erfolgreich. Sie vertrieben die wenigen kleinen Lebewesen, die noch am Leben waren und rissen sich all das Gold und das restliche wertvolle Zeug einfach unter den Nagel. Die einst so wohlhabenden Winzlinge waren nun Vagabunden und hatten nichts mehr. Eines Tages erblickten sie aber die weitläufigen Gebirge im Osten und fanden dort ihre neue Heimat.

      Sie mussten ganz von vorne beginnen, Stein für Stein gruben sie sich wieder hinein und nach unzähligen Jahren hatten sie es dann endlich wieder geschafft: Sie hatten ihre einstige Macht und Reichtum wiedererlangt. Die Berge im Osten kamen ihnen noch viel reichhaltiger an Schätzen vor und aus Angst davor, dass erneut Diebe kommen würden, errichteten sie riesige Heere und fast undurchdringliche Festungsanlagen.

      Die Länder der Menschen und Elfen im Osten wurden aber mit der Zeit immer größer und bald lagen alle Berge der Zwerge in irgendeinem Königreich. Diese Könige wussten natürlich um die wertvollen Schätze Bescheid und beanspruchten die Berge und ihre Pretiosen für sich, aber das Zwergenvolk war eben zuerst hier. Streit brach aus und die Zwerge standen erneut am Rande eines Krieges.

      Das ist doch logisch, oder? Schön, dass ihr das versteht. Bevor es aber wieder zu gewaltvollen Auseinandersetzungen kam, berief der alte Elfenmagier Lohan einen Rat der Weisen ein, an dem alle großen Herrscher der Elfen, Menschen und Zwerge teilnahmen. Man einigte sich darauf, dass die Zwerge in ihren steinernen Hallen verweilen durften und ihre Königreiche bestehen blieben, aber nur unterirdisch. Das Land darüber gehörte dem jeweiligen König, in dessen Hoheitsgebiet es nun einmal lag. Nur theoretisch, denn außer ein paar Vorgängern von Jerzy Kukuczka und Reinhold Messner, hatte kaum jemand Interesse, sich in die hohen Lagen zu begeben. Vereinzelt ein paar Bergbauern an den Füßen der Berge, aber sonst scherten die gigantischen Hügel kaum jemandem. Außer das Gold und die Juwelen, die in ihnen lagen und aus diesem Grund mussten die Zwerge monatlich eine Zent an den König oder Kaiser zahlen, in dessen Territorium das jeweilige Zwergenreich lag. Alle waren glücklich, die Zwerge hatten ihre eigenen Königreiche und konnten froh und munter weitergraben, sich am Reichtum erfreuen und die Herrscher der Elfen und Menschen bekamen dafür einen Teil der begehrten Schätze aus den Bergen. Mehrere Jahrhunderte lebten sie so im Einklang, aber der Friede dauerte leider nicht ewig an.

      Denn jetzt gab es da eben einen gewissen Quirin und der war gar nicht darüber erfreut, dass in seinem Kaiserreich noch andere Reiche lagen, auch wenn sich diese nur unter der Erde befanden. Er wollte eben alles haben, vor allem die Schätze.

      Drei Mal dürft ihr raten, was nun passierte.

      Der nette Quirin griff sämtliche Zwergenimperien an. Es war kein leichter Krieg, der sich ewig hinzog, aber Ithriens Streitmacht war enorm und immer schon erfolgreich, da waren so ein paar kleine Zwerglein auch kein Problem. Die Zwerge, die aus den Bergen vertrieben wurden, mussten in die Dörfer und Städte ziehen und waren wie die Elfen, nichts Weiteres als Sklaven oder bestenfalls Hilfsarbeiter. Schlussendlich gelang es dem friedfertigen Kaiser auch, bis auf Skyaltor konnte er alles für sich gewinnen. An Skyaltor zerbrach er aber, nicht nur einmal. Das größte Zwergenreich von allen war uneinnehmbar. Egal, was er versuchte und egal, wie viele Männer er hinschickte, er verlor immer. Nach etlichen Jahren des Scheiterns gab er auf. Die einzige Niederlage in seinem sonst so erfolgreichen Leben, von der er sich nie wieder erholen sollte. Er wurde depressiv, begann noch mehr als sonst zu trinken und bewältigte seinen Frust mit Gewaltakten an seinem Personal und Verwandten. Jeden Tag stand er auf, außer er soff wirklich sehr viel, dann stand er nur jeden zweiten Tag auf und immer blickte ihm dasselbe Spiegelbild entgegen. Ein spöttisches Bild, dem das Versagen aus den Augen blitzte und ihn mit ätzender Schande durchbohrte.

      Er hatte so viel erobert, er hatte so viel Tod und Schrecken in alle mögliche Länder gebracht, er hatte unzählige Leben ausgelöscht und doppelt so viele versklavt. Elfen, Menschen, Zwerge, niemand hatte auch nur den Hauch einer Chance gegen ihn, aber gegen Skyaltor hatte er wiederum keine Chance. Er, der Herrscher des riesigen Reichs, der mächtigste Mann aller Zeiten, war gebrochen und besiegt.

      Immer mehr zog er sich zurück, schmiss keine Feste mehr, hielt keine Audienzen mehr, ging nicht mehr auf Reisen und auf weitere Eroberungen hatte er, wie ihr sicher verstehen könnt, ebenfalls keine Lust mehr.

      Er riss in seinem Palast alle Spiegel von der Wand, damit er den Anblick seines Scheiterns nicht mehr ertragen musste. Tagelang sperrte er sich in seinen Gemächern ein, trank Wein, Met, Schnaps und schnupfte das elfische Zauberpulver dazu.

      „Es steht nicht gut um den Kaiser. Er ist krank, fürchterlich