Michael Schwingenschlögl

Märchenstunde


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sie hatten recht, um Quirin stand es immer schlimmer. Völlig verrückt, paranoid und dauerbetrunken, tat er das einzig Sinnvolle, das ein Mann in seiner Lage nun Mal tun kann: Er ergriff sich sein Schwert und schnitt sich die Kehle durch.

      Die schwarzen Falken

      Ein tragischer Verlust, nicht nur für Ithrien, sondern für die ganze Welt. Aber wirklich Freude wollte nicht aufkommen, denn es stand schon ein derart sympathischer Nachfolger vor der Tür, dass sich alle den alten Quirin zurücksehnten. Sein Thronerbe war nämlich kein Geringer als sein Sohn Quintus der Geisteskranke. Nomen est Omen, Quintus war in der Tat geisteskrank, und das seit jeher. Die Inzucht im Kreise der Adeligen hinterließ eben ihre dunklen Spuren. Schon im Kindesalter schnitt er seinen Spielkameraden und dem Personal am Hof die Pulsadern auf. Nur weil er daran Freude hatte, sich an ihrem qualvollen Aderlass zu ergötzen. Er verabscheute aber generell jedes Lebewesen, veranstaltete regelmäßig Blutfeste und badete sich anschließend im Blut der Opfer. Den Hühnern und Krähen biss er bei lebendigen Leibe den Kopf ab und trank danach ihren roten und noch warmen Lebenssaft. Manchmal aß er sogar sein eigenes Erbrochenes. Ein richtiger kleiner Sonnenschein eben und noch dazu ein unberechenbarer Psychopath. Unverständlich, dass der Großteil in Ithrien ihn nicht am Ebenholzthron sehen wollte. Quintus sah auch richtig gestört aus. Eine dünne, klapprige Gestalt mit großen, ekelhaften Glubschaugen, kaum Haare auf dem Kopf und obwohl er nie in den Genuss eines Schlaganfalls kam, hing sein rechter Mundwinkel herab.

      Es wird euch wohl nicht verwundern, dass er kaum Befürworter hatte und viele seine Krönung verhindern wollten.

      Unser alter Bekannter Trym, der Schlächter von Thornvaald, Freiherr von Siien und Anra, war einer seiner größten Gegner. Der alternde Trym, der aber noch ungewöhnlich jung wirkte und sich seine vielen Lenze, die er am Buckel hatte, kaum anmerken ließ, spitzte schon immer auf die Stelle des Kaisers, denn er war Quirins mächtigster Mann. Der Schlächter von Thornvaald war einflussreich, viel einflussreicher, als es der arme verstorbene Quirin jemals gewollt hätte. Die Lebewesen in Siien und Anra gehorchten nur ihm. Das Großkaiserreich interessierte sie kaum. Ein früherer Erwin Pröll sozusagen, wenn wir Siien und Anra als Niederösterreich bezeichnen wollen. Er war ein knallharter Lügner und wusste genau, wie er seine Untertarnen verführen konnte. Schon lange bevor Quirin Suizid beging, stachelte er die Bevölkerung gegen den Kaiser auf. Trym sah sich selbst als den Auserwählten an. Der eine, der für viel Größeres bestimmt war. Jedermann hatte Respekt, naja eigentlich sogar Angst vor ihm.

      Ein Erwin Pröll eben. Bitte? Deine Tante arbeitet im schönen Landhaus? Sorry, das wusste ich nicht, tut mir von Herzen leid. Quirin entging das natürlich nicht und er ließ Trym keine Sekunde aus den Augen. Siien und Anra standen unter strengster Beobachtung und der Kaiser demonstrierte der dortigen Bevölkerung mit wöchentlichen Militärparaden seine Macht. Die Leute waren hin-und hergerissen und fürchteten sich vor Quirin. Eigentlich standen die meisten auf der Seite ihres Fürsten, aber mit dem Kaiser wollten sich dann doch nur die wenigsten anlegen.

      Der Freiherr von Siien und Anra war jedenfalls schon in seiner Erscheinung furchteinflößend. Ein großgewachsener und mit Muskeln bepackter Mann, da würden selbst die heutigen pseudocoolen Brudis aus der Muckibude eifersüchtig werden, so stattlich war er. Und dafür musste er nicht einen einzigen Proteinshake zu sich zu nehmen, da staunt ihr jetzt, oder?

      Ja, seine Oberarme waren prallgefüllt und seine Brust war derart breit, dass jedes Lebewesen ins Schwärmen kam. Sein Gesicht war aber eher asexuell. Haare hatte er keine mehr am Kopf und seine Wangen waren mit tiefen Narben versehrt. Bei manchen hatte man das Gefühl, dass sie jederzeit wieder bluten würden. Seine Augen waren aber einfach umwerfend, tiefblau wie der Ozean vor den Inseln der Sterne. Mit einem einzigen Blick in seine Augen, konnte man sich stundenlang in ihnen verlieren und man fühlte sich wie hypnotisiert. Wenn er einem länger anblickte, dann durchschoss einem ein unbeschreibliches Gefühl der Kälte.

      Eine tolle Beschreibung, oder? Und das ganz ohne einen Seitenhieb auf den niederösterreichischen Sonnenkönig.

      Wie gesagt, Trym spielte sich schon lange vor Quirins Tod mit dem Gedanken, den Großkaiser zu stürzen und die Macht an sich zu reißen. In ihm brodelte es, er war es, der mit seiner Heldentat in der Schlacht von Miiirdur den Krieg entschied, als er Yalan'than'th den Kopf vom restlichen Leib entfernte. Ohne ihm wäre Quirin vermutlich niemals siegreich gewesen. Er war es, er ganz alleine und der alte knausrige Kaiser strich den ganzen Ruhm selbst ein. Gut, Trym bekam zwar die Lande Siien und Anra, aber nur über zwei ithrieschen Provinzen das Sagen zu haben, war ihm zu wenig. Viel zu wenig und das unerbittliche und kranke Verlangen nach mehr Macht stieg in ihm jeden Tag. Von nichts kommt aber nichts, der Kaisertitel würde ihm kaum von einem Apfelbaum in den Schoss fallen, er musste endlich die Initiative ergreifen, auch wenn er davor große Angst hatte. Ein Putsch ist eben keine Kleinigkeit, die man Mal so nebenbei nach fünf Krügen Zwergenwein erledigt, schon gar nicht, wenn der mächtigste Mann der Welt gestürzt werden soll. Alleine war dies ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit. Er brauchte dringend Unterstützung. Daher gründete er eines Tages, als ihn das Streben nach Macht schon fast innerlich zerriss, eine geheime Widerstandsbewegung, die vorerst aber nur im Untergrund verkehren sollte: Die schwarzen Falken.

      Ui, liebe Kinder, jetzt wird unsere Geschichte allmählich richtig spannend! Die schwarzen Falken! Eine Widerstandsbewegung! Schön langsam kommt Feuer in den Ofen. Genau das fehlte noch! Wir lassen in unserer lässigen Geschichte aber auch wirklich gar nichts aus, Wahnsinn!

      Noch war unser Freund das einzige Mitglied seiner lustigen Revoluzzer Organisation, aber das sollte sich bald ändern. Denn er stand mit seiner Meinung eben nicht alleine da. Der Freiherr von Siien und Anra war ein schlaues Kerlchen und wusste selbstverständlich, dass viele seiner Bürger mit dem aktuellen Kaiser, also Quirin, ebenfalls ziemlich unzufrieden waren. Armut, Hunger und Trostlosigkeit regierten in den Landen. Krankheiten zogen ein und niemand hatte eine Ecard. Selbst wenn sie eine gehabt hätten, hätte es ihnen kaum etwas gebracht, denn die Ärzte behandelten ausschließlich den Adel und die restliche Upper Class. Der Pöbel, und dazu gehörten wirklich viele Menschen, Elfen und Zwerge, konnte sich höchstens an irgendeinen Druiden, Schamanen oder an eine Kräuterhexe wenden, aber die Alternativmedizin war schon damals ein ziemlicher Schwachsinn. Die Heiltränke schmeckten nicht nur extrem widerlich und brannten wie 80 prozentiger Rum, sie halfen auch nichts. Gut ein paar Leute, die das Gegenteil behaupteten und darauf schworen gab es natürlich, der Homöopathie-Hokuspokus zieht ja heute noch immer.

      Dem Großteil der Bevölkerung brachte es aber nicht viel und die unteren Schichten schrien bald nach der Hilfe des Kaisers, doch Quirin hatte noch nie etwas für den kleinen Mann übrig, Hauptsache ihm ging es gut. Diesen Missmut nutzte Trym aus und er konnte in der Folge immer mehr Leute für sich gewinnen. Der Landesfürst versprach seinen Schäfchen, dass alles besser werden würde, wenn doch nur er endlich Kaiser wäre. Er würde für Wohlstand sorgen, selbst im hintersten Bauerndorf, er würde die Kranken heilen und er wäre der Kaiser, nach dem sich schon alle längst sehnten.

      Dass Trym genauso machtbesessen wie Quirin war und ihm die Anliegen der kleinen Leute direkt an der Austrittsöffnung des Darmkanals vorbeigingen, wusste niemand. Er war eben ein guter Redner, der alle mit seinem Gerede einlullen konnte. Unser guter Freund war aber kein blauer Politiker samt Fremdenfeindlichkeit und ausreichend Erfahrung im Neuro-Linguistischen Programmieren, nein, Trym war es egal, ob seine Fans nun Elfen, Zwerge oder Menschen waren. Ja, sogar einer seiner engsten Vertrauten war ein Elf. Er war eben sehr liberal und versprach den anderen Völkern immerhin Freiheit und Gleichberechtigung.

      Bald hatte er einige Leute auf seiner Seite, aber er konnte es noch nicht öffentlich zeigen, denn wenn er eins fürchtete, dann war es Quirin. Genau jenen Mann, den er unbedingt stürzen wollte. Er wusste, dass Quirin keine Widerständler duldete und jeden seiner unerwünschten Gegner öffentlich exekutieren ließ.

      Also agierten sie im Geheimen, in den Gasthäusern der Dörfer, in den Häusern der Bauern und in den geheimen Kammern im Keller seines Schlosses.

      Alles war perfekt, doch ihrer grandiosen Bewegung fehlte noch ein richtig cooler Name.

      Na klar, erst wenn die Putschtruppe einen fetzigen Namen hat,