Michael Schwingenschlögl

Märchenstunde


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Herrscher, der äußerst widerwertige Sachen tat, die ich jetzt gar nicht erzählen will. Sein Tod war eine Erlösung für das ganze Kaiserreich.

      Selbstverständlich kam rasch die Frage nach seinem Mörder auf.

      Trym und seine schwarzen Falken seien heimlich zurückgekehrt und haben ihre Mission erfüllt, behaupteten ein paar Betrunkene in den Spelunken.

      Die Brüder des Lichts, ein elfischer Geheimorden, von dem damals niemand wusste, ob es ihn tatsächlich gab, waren die Täter, stellten andere in den Raum. Denn die Brüder des Lichts steuerten in Wahrheit schon seit vielen hundert Jahren das Weltgeschehen aus dem Untergrund, waren sich die Verschwörungstheoretiker sicher.

      Selbstmord!

      Quintus ist gar nicht tot, man wolle die Bewohner nur anlügen!

      Die Zwerge waren es!

      Er wurde in Wahrheit von einem Drachen gefressen!

      Jeder hatte eine andere Meinung und jeder war selbstverständlich felsenfest davon überzeugt, dass seine wilde Theorie die einzig wahre war.

      Scharren von selbsternannten Hobbydetektiven reisten in die Kaiserstadt und wollten den Mordfall aufklären, denn immerhin gab es eine Belohnung von 50000 Nobel für denjenigen, der den unbekannten Mörder fassen würde.

      Jetzt könnt ihr euch sicherlich vorstellen, was da los war. Täglich schleppten die Leute dutzende „Verdächtige“ zur Stadtwache, um das Geld kassieren zu können. Manche brachten sogar ihren eigenen Bruder oder ihre Frau hin, weil 50000 Nobel nun einmal viel wertvoller als ein Leben waren.

      Alle Spuren verliefen aber im Dunkeln, kein Columbo, kein Monk und kein Tom Turbo, der den Fall jemals lösen konnte.

      Während all dem Trubel um den Mörder, beschäftigte das Kaiserreich ganz andere Dinge, denn Quintus hatte keinen Sohn, der ihn auf den Thron folgen würde.

      Die einzigen lebenden Verwandten waren ein paar Cousinen, denn die restliche Verwandtschaft brachte er mit eigenen Händen um und seinen Onkel Laurin verspeiste er sogar.

      Da tat sich allerdings ein kleines Problem auf, denn eine Frau durfte Ithrien nicht regieren. Zum Glück hatte die älteste Cousine einen Sohn, Nel, der nun ein immenses Erbe antreten musste.

      Man munkelte, dass Quintus mit der ein oder anderen Cousine hin und wieder ein zärtliches Stündchen verbrachte. Aus diesem Grund vermuteten viele, dass Nel ohnehin Quintus Sohn war.

      Eine schlechte Nachricht für alle Habsburger, Fans von Josef Fritzl und alle anderen Inzuchtfreunde, Quintus war nicht der Vater. Der geistesgestörte Kaiser war nämlich unfruchtbar. Nur wusste das damals eben niemand, es gab ja zu dieser Zeit keine Methoden, mit denen man die Zeugungsunfähigkeit des Mannes nachweisen konnte. Außerdem war ein großer Kaiser niemals fruchtlos, das war ein absolutes No-Go. Die kaiserlichen Spermien waren immer die besten!

      Nel war ein Kriegsherrscher und fing dort an, wo Quirin einst aufhörte. Sein Ziel war aber nicht etwa die Eroberung von Skyaltor, nein, er führte Krieg gegen das große Menschenreich im Westen, Rhaak.

      Genau genommen erklärte Rhaak Ithrien den Krieg, denn Nel tat etwas Abscheuliches.

      Rhaak war ihm schon länger ein Dorn im Auge, aber er wusste, dass sie ein ebenbürtiger Gegner waren, den er vermutlich nicht besiegen konnte. Daher wollte er sie still und heimlich schwächen, ohne mit der Kriegskeule anrücken zu müssen. Die Pest ging gerade in Ithrien um und Nel ließ viele Pestkranke unbeachtet nach Rhaak transportieren, um dort zu verenden und deren Bevölkerung anzustecken. Der Plan funktionierte und das Land im Westen wurde von einer massiven Welle des schwarzen Tods heimgesucht. Nel flog allerdings auf und Meris, der König von Rhaak, rief den Krieg aus. Jeder gesunde Mann musste nun kämpfen. Der Krieg dauerte lange, sehr lange.

      Die ersten Pestkranken schickte Nel im Jahre 714, im Zeitalter des Sturms, nach Rhaak. Im Jahre 1053 desselben Zeitalters fiel er an der Front. Natürlich gab es immer wieder Jahre, in denen nur kaum oder auch gar nicht gekämpft wurde, aber wirklich Friede wollte nie einkehren. Auch nicht nach Nels Tod. Sein Sohn Jove bestieg nun den Ebenholzthron.

      Jove war ein schwacher Kaiser und er bekam die ganzen Probleme in seinem Reich einfach nicht in den Griff. Der Krieg gegen Rhaak ging munter weiter und die Elfen und Zwerge wurden weiterhin unterdrückt, diese ließen sich das aber nicht mehr länger gefallen und begannen widerspenstig zu werden. Immer wieder brachen Bürgerkriege aus und die Fürsten taten in ihren Provinzen ohnehin was sie wollten. Die Armut, der Hass und das Elend wuchsen von Tag zu Tag. Ithrien lag in Trümmern, der Krieg gegen das mächtige Rhaak und die vielen Aufstände und Kämpfe innerhalb des Landes hinterließen tiefe Narben. Sogar die edle Kaiserstadt war ein trostloser Scherbenhaufen. Das Reich war viel zu groß, Jove konnte das alles einfach nicht bewältigen. Nach 215 Jahren am Thron erkrankte auch er an Burnout und beging in der Folge Suizid.

      Und dann kam eine Zeit, in der sich alles ändern sollte. Joves Sohn, Hieronymus der Friedfertige, bestieg den Ebenholzthron. Und mit seiner Krönung endete das Zeitalter des Sturms und jenes des Glücks begann.

      Hieronymus bescherte Ithrien ein goldenes Zeitalter. Zuerst schloss er Frieden mit Rhaak, gab den Zwergen ihre geliebten Reiche in den Bergen zurück und versprach ihnen, dass sie in seinem Land jederzeit herzlich willkommen wären. Einige Zwerge nutzten das Angebot auch und blieben einfach in den Städten und Dörfern, der Großteil zog aber dann doch wieder in die Gebirge in Ithrien.

      Dann schuf Hieronymus die Sklaverei ab und egalisierte alle Völker.

      Egal ob Mensch, Zwerg oder Elf, alle waren von nun an gleichrangig und alle besaßen die gleichen Rechte. Wer da anderer Meinung war, wurde eliminiert.

      Der neue Kaiser kurbelte die Wirtschaft an, man betrieb Handel, sogar mit dem einstigen Feind, dem großen Nachbarreich Rhaak sowie dem Elfenreich Anyhra, den Zwergen und mit einigen Inseln. 124 Jahre nach seiner Krönung fand Hieronymus einen ganz besonderen und vor allem äußerst geheimnisvollen Handelspartner.

      Es war der siebente Tag im Eismond, der erste Monat im Jahr 124, im Zeitalter des Glücks. Wir befinden uns wieder ganz im Süden von Ithrien, in der Provinz Yalfyr. Genauer gesagt in Nebelscheid, ein kleines Dorf am Rande zur kargen Öde.

      Ui, Nebelscheid, ein romantischer Name, oder?

      Ein dunkler, kalter Wintertag, der Wind wehte stark von Osten, so wie jeden Tag im Winter und die ersten Sterne blitzten schon durch ein paar Lücken in den dichten Wolken hervor. Gerfried der Schmied belud gerade mit seinen beiden Kindern Anselm und Magda und seinem Knecht Thorben den Karren. Er wollte die fertigen Waren früh am nächsten Morgen in die Nachbardörfer ausliefern. Der Wind wurde auf einmal stärker und kühler und plötzlich sahen sie etwas Merkwürdiges aus der Dunkelheit der kargen Öde auf sich zu kommen. 12 Reiter auf schwarzen Pferden nährten sich ihnen in Windeseile. Ein unheimliches und angsterregendes Bild, Gerfried musste erst einmal kräftig schlucken.

      „Magda! Lauf schnell zurück in unsere schäbige Hütte! Anselm! Sei ein guter Junge und bringe deinem Vater das Schwert! Thorben! Klopfe an die Häuser und hole die Männer heraus, etwas Böses ist im Busch und es wird uns bald überrollen!“, rief Gerfried hastig.

      Binnen weniger Augenblicke hielt er sein Schwert in den Händen und die angeforderte Unterstützung stand ebenfalls schon bereit. Ganze 8 Männer konnte Thorben in der kurzen Zeit auftreiben.

      „Was sind das für Gestalten?“, fragte Gerfrieds Nachbar Ulf ängstlich.

      „Wir werden es bald wissen, lieber Ulf.“, war die wenig aufschlussreiche Antwort des Schmieds.

      Die Männer begaben sich in den Kampfmodus, bezogen Stellung, Martin wollte schon einen Pfeil in ihre Richtung schießen, da unterbrach Gerfried seinen Angriffsversuch: „Halt, warte! Wir wollen das Feuer noch nicht eröffnen, lass sie einmal näher herankommen!“

      Als die mysteriösen Reiter schon ganz nahe und in Hörweite waren, schrie Gerfried ihnen tapfer entgegen: „Halt! Im Namen Ithriens befehle ich euch anzuhalten, sonst werden wir schießen!“

      Plötzlich stoppten die Pferde, gut