war fünf vor acht.
In spätestens zehn Minuten sollte er Ariane abholen und jetzt musste er noch hier auf dem Parkplatz herumscheißen, um irgendeinem Pritschenwagen das Benzin aus dem Tank zu saugen.
Der Moderator sagte The camper van Beethoven an.
Hödel drehte den Tonregler des Autoradios bis zum Anschlag. Vergeblich suchte er eine unbewachte Pritsche, leider stand auch sonst kein schäbiger Wagen herum, was als Wunder gelten konnte.
Dafür herrschte vor dem Programmkino das Chaos. Alles was Beine und Autos hatte, war vor dem Kino erschienen. Gary, Mike und Doris ergatterten mit Mühe die letzten Karten. In ihrer Überheblichkeit, dass nur Eingeweihte zu der Kinovorstellung kommen würden, saßen sie zwei Meter vor der Leinwand entfernt, in der ersten Reihe. Die Vorstellung war restlos ausverkauft, im Foyer kam es zu Schlägereien um die letzten vier bis fünf Restkarten. Die besonders Gewitzten besorgten, sehr zum Missmut der Messebesucher, ihre Stühle aus der nahe gelegenen Kirche, was den Ablauf der religiösen Riten erheblich störte. Die Sessel wurden geschultert und in das Kino geschleppt.
Eine Gruppe aufrechter Protestanten aus Pastor Maiers Herde verirrter Schäfchen demonstrierte vor dem Kinoeingang gegen die Verwilderung der Sitten. Lauthals sangen sie Choräle, Hilde Schrom und Birgit Pfeifer, zwei vertrocknete Jungfern von siebzehn Jahren, rührten die Pauken und tröteten markerschütternd in die Posaunen.
Der Lärm provozierte das böse Geschrei der Nachbarn, die drohten, die Cops auf die Ruhestörer zu hetzen.
Hilde Schrom, Birgit Pfeifer und ihre sieben wackeren Mitstreiter vom evangelischen Jugendkreis bekamen es mit der Angst zu tun und zogen unverrichteter Dinge ab.
Von den vergnügungssüchtigen Atheisten nahm niemand Notiz von „den Manifestanten zur Ehre Gottes“, wie sich die Schäfchenherde nannte.
Von all dem Treiben blieb Hödel ausgeschlossen, weil er mit einer sentimentalen Kuh nach Villach fahren musste, um die Brieffreundin abzuholen, die ausgerechnet am Samstagabend anreisen musste.
The camper van Beethoven begann mit einem neuen Song. Hödel klopfte am Lenkrad den Takt, er spukte aus dem Fenster. Kein Teenager lungerte herum, dem er das Taschengeld für zwei Joints abnehmen konnte, um den Sprit legal bei Freds Tankstellen zu kaufen. Madison hatte ihm den Shit angedreht, um den Stoff unter den Teenagern feilzubieten.
Er drehte eine Hauptplatzrunde, ohne ein geparktes Fahrzeug zu erspähen. In Harrys Bar jemanden anzupumpen war ebenfalls unmöglich, denn Harry hatte den Laden dicht gemacht, um ins Kino gehen zu können. Ein handgeschriebener Schmierzettel informierte die Uninformierten, dass die Bar bis halb elf geschlossen blieb.
Hödel verfluchte lautstark Sergio Leone diesen verdammten Italo-Western gedreht zu haben, der seit vierzig Jahren die Leute ins Kino rennen ließ.
Er sah auf die Armbanduhr. Zwei Minuten vor acht. Er musste endlich zu Ariane fahren, die ihn schön anfauchen würde, wenn er ohne einen Tropfen Benzin aufkreuzte. Um schneller auf die 10. Oktober-Strasse zu kommen steuerte Hödel die Pritsche durch die Fußgängerzone. Vor dem Valentino lungerten zwei Discoziegen herum, die knackigen Pos in hautenge Jeans gezwängt. Sie trugen Fliegerjacken und Cowboystiefel, die blonden Haare waren verführerisch zur Lockenmähne frisiert. Hödel parkte die Pritsche zwei Zentimeter vor den Stiefelspitzen der Mädels. The camper van Beethoven törnte die Countrygänse sofort an.
„Eine gute Idee von dir Musik zu machen“, sagte die Eine und blies ihm eine Rauchwolke ins Gesicht.
„Was ist los mit euch? Warum seit ihr nicht im Kino?“ fragte Hödel wirklich interessiert, warum heute jemand nicht vor der Leinwand hockte.
„Wir scheißen auf die Gewalt“, gab die Zweite zurück.
„Hier sind zwei Joints. Für jede Schönheit einer“, bot Hödel seine Wahre an.
„Wir scheißen auch auf deinen Shit.“
„Ihr scheißt wohl auf alles“, sagte Hödel gereizt. Er kochte vor Wut, nicht ausgestiegen zu sein, um den Girls die Piepen aus der Handtasche zu fischen. „Rückt trotzdem die Kohle raus. Ich bin total blank.“
„Wenn du mit uns ficken willst, kostet das einen Fünfziger, bar Cash auf die Kralle“, gab die Erste ungerührt zurück.
Hödel sprang auf den Fahrersitz, er packte seinen Schwanz aus und schrie: „Ja, aber für euch!“ Er zog seinen Revolver. „Her mit dem Zaster!“
„Du hältst dich wohl für unwiderstehlich? Verschwinde, du Arsch!“ Die Countryziegen zeigten ihm das Fickfäustchen und verdrückten sich ins Valentino.
Einen Moment spielte Hödel mit der Versuchung den beiden Gänsen nachzufeuern, doch er konnte jetzt keinen Ärger gebrauchen. Er steckte er den Revolver unter dem Fahrersitz, verstaute sein Gerät im Hosenstall und gab Gas.
Am Bambergerplatz fuhr Hödel die Pritsche nach Rechts an den Randstein und bremste scharf. Ein Streifenwagen kam in Schlangenlinien gegen die Einbahn geschossen. Hödel blendete die Scheinwerfer auf. Der Jungspund verriss, von schwerer Schlagseite gezeichnet, von den Lichtspielen auf der Strasse geblendet, das Steuer und der weiße Golf dogierte mit dem geparkten Peugeot 605 von Dr. Klein. Der Jungspund gab Gas, zog den Streifenwagen nach rechts, um in die Hauptstrasse einzubiegen und krachte gegen die wohlbehütete Marmorsäule der städtischen Bank. Der Motor soff ab. Im Wageninneren knallte der stockblaue Bulle mit dem Kopf gegen die Hupe.
Hödel sprang aus dem Cockpit. Sofort erkannte er einen der vier arschgefickten Jungschwänze, die ihn gefoltert hatten.
Hödel riss die Streifenwagentür auf. Ein mächtiger Hammer traf den Jungbullen am Hinterkopf, der ihn von der Hupe auf den Beifahrersitz schleuderte.
Hödel zog dem angeschlagenen Scheißer die Gummiwurst aus dem Hosenbund. Sieben saftige Hiebe knallten auf den Kopf und Rücken des Jungspunds nieder.
Blut floss.
Ein Knüppelhieb zerschmetterte das Funkgerät. Hödel nahm dem Bullen den Pistolengürtel und die Brieftasche ab. Mit den Handschellen fesselte er den bewusstlosen Kiebara ans Lenkrad und knallte mit dem Fußtritt die Streifenwagentür zu.
Auf dem Weg zu seiner Pritsche nahm Hödel drei Hunderter in kleinen Scheinen aus der Brieftasche und verstaute das Geld in der Brusttasche seiner Pilotenjacke, das Kleingeld füllte er in die Hosentaschen um.
Hödel sprang in den Pritschenwagen und gab Gas. Niemand hatte ihn gesehen.
Ariane erwartete Hödel mit einer saftigen Wut in den Gliedern. Sie war in der schlechten Gesellschaft von Pastor Maier, der sie, von schwerer Schlagseite gezeichnet, irrtümlich für eine Hure hielt, als sie nervös rauchend die Strasse auf und ab ging. Mit aufgerissenen Regenmantel und ausgestreckten Armen presste er das Mädchen gegen die Mauer. Ein schwarzes Barett saß auf seiner Glatze und an den waschlappengroßen Ohren klebten Walkmankopfhörer, aus denen zu jeder Tages- und Nachtzeit, kaum gedämpft, die Walküre plärrte.
„Weib, hüte dich vor der Hurerei“, überbrüllte er den wagnerianischen Krawall und drohte das Mädchen auf die Knie zu zwingen, um sie, wie seine Konfirmandinnen, zur Fellatio zu zwingen.
„Ich beiß’ dir den Schwanz ab, du Hurensohn“, röchelte Ariane und hielt den Pastor mit ihren scharfen Krallen vom Leib.
Zum zweiten Mal an diesem Abend sprang Hödel aus dem Cockpit. Die Gummiwurst kam ihm sehr gelegen. Drei kräftige Hiebe auf den Hinterkopf streckten Pastor Maier nieder. Ariane versetzte ihm einen Fußtritt in die Leiste. Sie spuckte auf ihn und trat ihm den Absatz ins Kreuz. Ihr verächtlicher Blick streifte den Pastorenzombie, als die Pritsche an ihm vorbei fuhr.
Hödel schob eine CD in den Player. The Meteors drehten voll auf. Sofort nach der Radarfalle trieb Hödel die Pritsche auf Höchstgeschwindigkeit. Er suchte auf dem UKW-Band den Polizeifunk. Zwei Mal lauerten die Bullen mit ihrer Radarfalle auf der Autobahn.
„Woher hast du den Gummiknüppel?“ fragte Ariane nach einer Strophe „Ma Johnson meets the rozor back“.
„Einem Bullen