Gisela von Mossen

Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck


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6 p. m. eintrudelten. Eine ganze Weile waren wir dann damit beschäftigt, all unsere Siebensachen, und das waren eine ganze Menge, generalstabsmäßig im Mobi zu verstauen und dieses nach getaner Arbeit ganz in der Nähe in einer Querstraße zu parken, da direkt vor dem Haus Halteverbot. Wir entspannten uns bei einem gemeinsamen leckeren Abendessen, das unsere Gastgeber inzwischen zubereitet hatten. Um 9.30 p. m. (!) fuhren Gaby und ich gemeinsam zu Safeway ganz in der Nähe. Bei dem Wahnsinnsangebot in dem riesigen Supermarkt, in dem übrigens trotz fortgeschrittener Stunde reges Leben herrschte, benötigten wir über eine Stunde. Wie herrlich entspannt man dann an der Kasse zusehen konnte, wie vier fleißige Hände die Ware nach der Registrierung vom übervollen Laufband in große Papiertüten beförderten und diese dann in einem bereit gestellten leeren Einkaufswagen stapelten, das wird für Deutschland wohl leider ein ewiger Wunschtraum bleiben.

      Fast eine Stunde nahm das Verstauen der ganzen Köstlichkeiten, darunter zu meiner Freude auch deutsches Schwarzbrot, in Anspruch, danach saßen wir vier noch gemütlich bei einigen Gläsern kalifornischem Wein und angeregter Unterhaltung zusammen, genossen noch einmal den Blick auf die beleuchtete Golden Gate Bridge, um uns dann weit nach Mitternacht von Gaby und Diethard zu verabschieden, da wir die Nacht bereits im Wohnmobil verbringen wollten und die beiden morgens sowieso wieder früh aufbrechen mussten. Um 2 a. m. lagen wir dann endlich todmüde in unserem gemütlichen Doppelbett.

      Bis 7.30 a. m. schliefen wir immerhin tief und fest durch, bis wir von vorbeifahrenden Autos und laut klappenden Türen geweckt wurden. Nach erster Morgentoilette im „Luxusbad“ beschlossen wir, zum Frühstück an den Yachthafen am Marina-Boulevard zu fahren, wo wir einen sehr schönen Parkplatz mit Blick auf Alcatraz fanden, die Golden Gate Bridge lag wie häufig um diese Tageszeit unter dickem Nebel verborgen. Wir ließen uns die ersten im Ofen aufgebackenen Brötchen schmecken und alles, was sonst noch so dazu gehört. Dann ging es frisch gestärkt südlich Richtung Highway One, der als eine der Traumstraßen der Welt gilt und vom hohen Norden Amerikas bis fast an die Grenze Mexikos meistens direkt an der Pazifischen Küste entlang verläuft. Ein starker Wind hatte die anfänglichen Wolken vertrieben, und die Sonne strahlte nur so vom Himmel. Flotte Rhythmen von mitgebrachten heimischen Kassetten verbreiteten beste Urlaubslaune.

      Gleich hinter der quirligen Studentenstadt Santa Cruz öffnet sich die etwa 40 km lange sanft geschwungene Bucht von Monterey, mit der einer der schönsten Küstenstriche in Kalifornien beginnt, dramatische Steilküsten wechseln sich ab mit weiten weißen Traumstränden, an wild zerklüfteten Klippen brechen sich laut donnernd die gischtenden Wogen des Pazifiks, klar, dass wir uns keinen der dargebotenen Lookouts entgehen ließen. Gegen Mittag erreichten wir die ehemalige Landeshauptstadt Monterey. Natürlich führte uns unser Weg zunächst zu deren bekanntester Adresse, der Cannery Row (Straße der Oelsardinen), übernommen aus dem gleichnamigen Roman des bekannten Schriftstellers John Steinbeck, wo einst durch riesige Sardinenschwärme vor der Küste eine lukrative Konservenindustrie blühte. Durch Buch und Verfilmung desselben ist sie zur Touristenattraktion geworden und lockt jetzt mit einer bunten Anhäufung von Souvenirläden, Boutiquen, Galerien und Restaurants eine Unmenge von Besuchern an. Wegen des herrschenden Gedränges und mangels passenden Parkplatzes machten wir Sightseeing vom Mobi aus, arbeiteten uns vor zum nahe gelegenen Fisherman’s Wharf, dem kleinen Fischereihafen, wo ebenso buntes Treiben herrschte. Am Yachthafen fanden wir dann endlich einen schönen Parkplatz für unsere traditionelle Teepause, die einzige Mahlzeit zwischen ausgiebigem Frühstück und dem Abendessen. Wir genossen nebst herrlichem Ausblick köstliche Muffins aus dem reichlich gekauften Vorrat.

      Weiter ging’s über Pacific Grove, eine kleine beschauliche Ortschaft mit hübschen viktorianischen Häusern, die im Westen nahtlos an Monterey anschließt, auf den berühmten 17 Miles Drive, eine private gebührenpflichtige Panoramastraße, die malerisch an der von Pampasgras und uralten windzerzausten Zypressen gesäumten zerklüfteten Felsenküste entlangführt, vorbei am Seal and Bird Rock, bevölkert von einer unübersehbaren Menge brüllender Seelöwen; auf den wild bewegten Wellen sich tummelnd oder mit ihren weiten Schwingen lautlos in der Luft schwebend, um im nächsten Moment im Sturzflug auf das Wasser hinunterzustoßen, Hunderte von Kormoranen, Pelikanen und kreischenden Möwen, die sich den schroffen Felsen mit den etwas plumperen tierischen Bewohnern teilen. Unser mitgebrachtes Fernglas leistete uns sehr gute Dienste. Natürlich war es ein absolutes Muss, die wohl am meisten auf der Welt fotografierte hoch oben auf einem schroffen Klippenvorsprung thronende einsame Zypresse, die so genannte Lone Cypress, im Bild festzuhalten, die dort schon seit mehr als 200 Jahren den rauen Meereswinden trotzt.

      Vorbei am manikürten Golfplatz am traumhaften Pebble Beach erreichten wir schließlich mit dem bezaubernden Örtchen Carmel, den südlichen Endpunkt des Drive. Hier findet äußerst gepflegtes Wohnen hinter Kiefern und Zypressen statt. An der eleganten Beach Avenue reihen sich Boutiquen, Galerien und Gasthöfe im attraktiven Tudor-Stil aneinander. Gern hätten wir der berühmten Carmel Mission, 1770 von den Spaniern erbaut, inmitten einer exotischen, leuchtend bunt blühenden Gartenanlage gelegen, einen kurzen Besuch abgestattet, aber leider war das schmiedeeiserne Tor verschlossen, und ein Schild verkündete: „Closed at 5 p. m.“ Das sollte uns bei unseren Reisen durch Amerika noch öfter passieren. Wie verträgt sich das eigentlich mit dem „American way of life“? Etwas enttäuscht schoss ich wenigstens ein Foto durch die Stäbe des Zaunes.

      Mit der Rückkehr auf den Highway One begann das wohl spektakulärste Wegstück, die kalifornische Zentralküste Big Sur, rau und von atemberaubender Schönheit. Schmal, kurvenreich und mit zahlreichen Steigungen und Gefällstrecken folgt die Straße der Kontur des Küstengebirges, von den Viewpoints boten sich uns Schwindel erregende Ausblicke auf den schäumenden Pazifik und die sich staffelnden Rücken der Coast Range.

      Es wurde langsam dunkel, die Landschaft in ein diffuses, fast unheimliches Licht getaucht, keine Menschenseele weit und breit. Entgegen unserer sonstigen Gepflogenheit, rechtzeitig einen Stehplatz für die Nacht aufzusuchen, hatten wir immer noch keinen Campground gefunden, denn in dem angeblich so freien Amerika ist es leider nicht erlaubt in freier Natur zu stehen. Endlich wurden wir vor der kleinen Ortschaft

      - Big Sur -

      fündig, einem Hinweisschild folgend bogen wir in eine kleine Straße mit halsbrecherischem Gefälle ein, vor uns eine dunkle undurchdringliche Wand. Vorsichtshalber stieg ich aus, um mit einer Taschenlampe das stockdunkle Gelände näher zu erkunden. Der angesteuerte Platz befand sich unter riesigen Redwood-Bäumen mit weit ausladenden dichten Wipfeln, lag also noch mehr im Finstern als die Straße. Gott sei Dank stieß ich wie Hänsel und Gretel auf eine Hütte, aus deren Fenstern schummeriges Licht fiel. Auf mein Klopfen öffnete statt der Hexe allerdings der Pächter, der sich zusammen mit seiner Frau gerade eine der unzähligen Serien im Fernsehen ansah. Dank der von mir mitgebrachten Internationalen Campingkarte und der Master Card waren die Formalitäten schnell abgeschlossen, und er begleitete uns zu dem uns zugewiesenen Platz zwischen zwei gewaltigen Stämmen, hoch über dem Big Sur River, den man in der Tiefe rauschen hörte. Nachbarn waren nicht zu sehen. Bei gemütlichem Kerzenschein ließen wir uns ein schnell zubereitetes leckeres Abendessen schmecken und den langen, aber sehr schönen Tag noch einmal Revue passieren. Um 10.30 p. m. fielen wir todmüde in unser kuscheliges Doppelbett.

      Da kaum Tageslicht durch die Kronen der riesigen Bäume fiel, beschlossen wir am nächsten Morgen, uns außerhalb des Campgrounds einen etwas helleren Frühstücksplatz zu suchen, was uns dann auch schon nach kurzer Zeit auf einem Viewpoint hoch über dem Meer gelang. Den Abgrund konnte man allerdings nur ahnen, da dichter Nebel den Blick in die Tiefe versperrte. Wir standen jedoch in hellem Sonnenschein und genossen zur anderen Seite hin einen herrlichen Blick auf die Santa Lucia Range. Frisch gestärkt brachen wir erneut auf zu Serpentinenfahrt in Schwindel erregende Höhen, kurze Blicke durch aufreißende Nebelschwaden führten