Gisela von Mossen

Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck


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ausgebessert, modernste Tankstellen entstanden fast an jeder Ecke. Es wurde und wird noch immer fleißig gebaut, renoviert, restauriert; aus tristen grauen Orten entwickelten sich schmucke Städte; als Vergleich ein Beispiel aus dem Tierreich: Farblose Motten mutierten zu wunderschönen bunten Schmetterlingen. Die ostdeutschen Landsleute, mit denen wir Kontakt bekamen, waren fröhlich und aufgeschlossen und blickten optimistisch in die Zukunft. Ich möchte meine Eloge mit der Feststellung beenden, dass die völlig überraschende, Gott sei Dank friedliche Wiedervereinigung trotz auch anders lautender Meinungen, die allerdings nicht so sehr ins Gewicht fallen dürften, das Beste war, was uns Deutschen passieren konnte.

      Rundreise durch Südosteuropa

      Im Sommer desselben Jahres beschlossen wir, nicht so sehr in die Ferne zu schweifen, sondern in unserem Urlaub die im Süden angrenzenden Länder TSCHECHOSLOWAKEI, UNGARN, ÖSTERREICH und SÜDDEUTSCHLAND zu besuchen. Bei herrlichem Sommerwetter brachen wir also am 10. August 1990, wie immer in bester Urlaubslaune, zu unserer Vierländer-Rundreise auf. Die erste Zwischenstation war die alte fränkische Kaiser- und Bischofsstadt

      - Bamberg -

      bekannt durch ihren prächtigen Dom, der mit seinen vier Türmen hoch oben über der Stadt thront. Da wir das Glück hatten, direkt davor einen Parkplatz zu finden, ließen wir es uns natürlich nicht nehmen, dieses Hauptdenkmal der deutschen spätromanischen und frühgotischen Kunst auch von innen zu besichtigen, denn mit den wohl herrlichsten Schöpfungen der deutschen Bildhauerkunst des 13. Jahrhunderts hat es einiges zu bieten, wie die Propheten- und Apostelreliefs, die Standbilder der Maria, der Elisabeth und eines Engels, vor allem des berühmten Bamberger Reiters; darüber, wer dort dargestellt werden soll, gibt es allerdings viele verschiedene Deutungen. Seit 1993 gehört die gesamte Altstadt zum Weltkulturerbe der UNESCO.

      Nach ausgiebigem Kunstgenuss delektierten wir uns auf der Terrasse eines sehr hübschen Restaurants an der Regnitz, die 7 km weiter in den Main mündet, an einem köstlichen Abendessen mit unmittelbarem Blick auf die wuchtige steinerne Obere Brücke aus der Mitte des 15. Jh. und das mitten im Fluss, in Verbindung mit der Brücke thronende Alte Rathaus im barocken Gewand mit wunderschön bemalter Fassade nebst 1688 vorgesetztem Fachwerkbau des Rottmeisterhauses, das über dem Fluss zu schweben scheint. Die Nacht verbrachten wir auf einem Parkplatz direkt am Ufer dieses romantischen Flusses.

      Der nächste Tag führte uns auf einer Nebenstrecke, mit kurzem Abstecher in die weltbekannte Festspielstadt Bayreuth, durch die grüne Hügellandschaft Oberfrankens mit seinen romantischen Weinbergen - eine Augenweide die blitzblanken kleinen Orte - direkt zur Grenze der

      - TSCHECHOSLOWAKEI -.

      Nach kurzer Passkontrolle erreichten wir schon wenige Kilometer weiter die einst sehr wohlhabende Handelsstadt Eger (Cheb), die jetzt komplett unter Denkmalschutz steht. Besonders schön präsentiert sich der Marktplatz mit seinen prächtigen Häusern, die teils Erker aus Gotik und Renaissance tragen, teils barocke Fassaden haben, darunter auch das Schillerhaus, in dem der Dichter 1791 wohnte, als er seinen Wallenstein schrieb. Gut erhalten ist auch ein mittelalterlicher Häuserblock, das so genannte Stöckl, eine Gruppe von malerischen, etwas windschiefen Fachwerkhäusern.

      Über Karlsbad (Karlovy Vary), seinerzeit das berühmteste Bad der Tschechoslowakei, das uns aber sehr grau und etwas heruntergekommen erschien - vielleicht haben wir auf der Durchfahrt nicht gerade die besten Ecken entdeckt - ging die Fahrt weiter bis in die um so schönere Hauptstadt, jetzt inzwischen von TSCHECHIEN und seit 2000 selbständige Verwaltungseinheit, die goldene Stadt

      - Prag (Praha) -

      in der wir am frühen Abend ankamen. Bei anhaltendem herrlichen Sommerwetter verzehrten wir unser mit Würstchen und Kartoffelsalat etwas frugaleres Mahl, das einzige was es von der sowieso nicht recht umfangreichen Speisekarte des Ausflugsrestaurants noch gab, wieder unter freiem Himmel. Dafür hatten wir von der hoch oben gelegenen Terrasse einen traumhaften Blick auf die Moldau, ihre unzähligen steinernen Brücken, allein im inneren Stadtgebiet sind es fünfzehn, die den Fluss überspannen, und die Alt- und Neustadt mit ihren vielen Türmen.

      Für unsere zweite Übernachtung fanden wir einen tollen Platz direkt am linken (westlichen) Moldauufer, in dem Kleinseite genannten Stadtviertel unterhalb des berühmten Wahrzeichens der Stadt, der mächtigen Burg (Hradschin), mit Blick auf die nicht minder bekannte Karlsbrücke, die älteste Prager Brücke, 1357 durch Karl IV. (1355 zum Kaiser gekrönt) errichtet, die aus Stein gebaut auf 16 massigen Pfeilern den Fluss überspannt, geschmückt mit 30 Statuen und Skulpturengruppen von Heiligen, die im Laufe der Zeit aufgestellt wurden, sowie imposanten Brückentürmen an beiden Ufern. Außer uns hatten noch zehn andere Wohnmobilisten aus ganz Europa diese Perle entdeckt, was zur Folge hatte, dass sich ein angeregter Erfahrungsaustausch entwickelte.

      Den nächsten etwas schwülwarmen Vormittag nutzten wir zu ausgiebiger privater Stadtrundfahrt. Es gab aber auch sehr viel zu sehen. Zunächst widmeten wir uns natürlich der Kleinseite, deren Zentrum der Ring bildet, ein von Patrizierhäusern, Adelspalästen und Laubengängen umgebener lebhafter Platz, unterteilt von der schönsten und bedeutendsten, 1750 nach 50-jähriger Bauzeit fertig gestellten Prager Barockkirche St. Niklas, deren 80 m hohe Kuppel und der gleich große frei stehende Glockenturm alle umstehenden Gebäude überragen. In der nahen, leicht ansteigenden Nerudagasse stehen links und rechts barocke Adels- und Bürgerhäuser, die zum Teil noch die alten fantasievollen Namensschilder tragen, wie z.B. „Zum grünen Hirschlein“ oder „Esel bei der Wiege“, was auch immer das bedeuten sollte.

      Am hoch gelegenen Hradschiner Platz schließlich stößt man auf fünf imponierende Paläste aus verschiedenen Stilepochen, wie z.B. das barocke Toskanerpalais, das Erzbischöfliche Palais mit verschnörkelter Rokokofassade und schließlich die benachbarten Paläste Martiniz und Schwarzenberg im repräsentativen Renaissancestil.

      Hier erhebt sich last not least auch die gewaltige Prager Burg, die, umgeben von einer hohen Mauer, mit den zahlreichen Bauwerken, die dort im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind, einen Stadtteil für sich bildet. Mit dem Ausdruck Hradschin ist übrigens nicht nur die Burganlage gemeint, sondern auch der gesamte Hügel oder Bergsporn, auf dem diese sich ausbreitet sowie ebenso der westlich daran angrenzende Stadtteil Prags.

      Leider fanden wir an dem Tag den Haupteingang durch ein großes schmiedeeisernes Tor verschlossen, flankiert von riesigen Barockstatuen, den Kämpfenden Giganten; ein davor postierter Polizist versuchte uns in flüssigem Tschechisch den Grund zu erklären, aber der Sprache nicht mächtig, nützte uns das sehr wenig. Also warfen wir wenigstens durch das Gitter einen Blick in den ersten der drei Burghöfe, den so genannten Ehrenhof, und weiter durch das zum zweiten Burghof führende geöffnete barocke Matthiastor in den größeren durch zwei kunstvoll verzierte Brunnen etwas hübscher gestalteten zweiten. Dahinter erhebt sich majestätisch aus dem großen dritten Burghof der imposante gotische Veitsdom mit seinen hoch aufragenden Türmen, das zentrale Gebäude in der riesigen Anlage, Grundsteinlegung unter der Herrschaft von Karl IV. im Jahr 1344, bis zur endgültigen Fertigstellung vergingen fast 600 Jahre. Die gesamte Altstadt wurde 1992 ebenfalls in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen.

      Über eine der vierzehn weiteren Brücken, die mächtige Karlsbrücke ist den Fußgängern vorbehalten, gelangten wir schließlich