Kristina Schwartz

Gwendoline


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Michael!«, öffnete sie freudestrahlend die Haustür.

      »Hallo«, lächelte er verschmitzt. »Dachte schon, dir wär was passiert. Seit zehn Minuten steh ich draußen und klopf mir die Finger wund.«

      Noch nie hatte Joe einen Mann gesehen, der so phlegmatisch, ja beinahe belustigt darauf reagierte, dass sie ihn warten hatte lassen. »Komm rein.«

      Er hob sie hoch und gab ihr einen langen Kuss. Wie vermisst hatte sie seine warmen männlichen Lippen, das Schalkhafte in seinen Augen, den Duft seines Aftershaves, das er ganz offensichtlich nicht nur nach dem Rasieren benutzte.

      »Tut mir leid, dass du warten musstest. Ich hab mich nur kurz hingelegt und ...«

      »Schon klar. Bei dir dauert es immer, bis du wieder ansprechbar bist.«

      »Eigentlich wollte ich uns heute Gnocchi mit Pinienkernen machen, aber ... Stört es dich, wenn wir später essen.«

      Er schüttelte den Kopf. »Hab keinen großen Hunger«, sagte er knapp. »Wär schon mit einer Kleinigkeit zufrieden«, und dabei grinste er so breit, dass Joe fürchtete, er könnte sich in die Ohrläppchen beißen. Mit Augen gefährlich und funkelnd steuerte er auf sie zu.

      »Michael, was hast du vor?« Joe versuchte überrascht und echauffiert zu klingen.

      Was wird er schon groß vorhaben, Joe? Also wirklich. Das, weswegen du ihn eingeladen hast, hat er vor. Und halt bitte die Klappe. Die Rolle der schockierten, biederen Jungfer steht dir ganz und gar nicht.

      Joe wandte sich um. Ihr Mund war versiegelt. Spielerisch floh sie vor ihm die Treppe hinauf, strampelte sich den Slip von den Beinen und ließ sich dabei genügend Zeit, dass sie selbst ein Achtzigjähriger nach einer missglückten Hüft-OP spielend eingeholt hätte.

      »Haha!«, lachte sie laut auf, als Michael sie an den Hüften packte, herumwirbelte, hochhob und gegen die Wand drängte.

      »Ich hab’s noch nie auf ’ner Treppe getan«, lachte er, »schon gar nicht auf so einer schön renovierten.«

      Joe schlang ihre Beine um seine Taille, ihre Arme um seinen Hals, keuchte ekstatisch, als er ihren Rock nach oben schob. Ehe sie sich’s versah, war er in ihr und stieß mit tiefen, elastischen Stößen auf sie ein. Sie spürte sein Becken an ihren Schenkeln, seinen flachen Bauch an ihrem Venushügel und ein unbändiges Verlangen in ihrer Mitte. Sie brodelte, kochte, krallte ihre kurz geschnittenen Nägel in seinen Rücken, doch er schien es nicht zu bemerken. Mit jedem Stoß wurde er heftiger, ungestümer, fordernder. Bald würde er ihren Körper an jenen Punkt bringen, an dem sie sich nicht mehr wehren konnte, wo sie ihm ausgeliefert war, wo es keine Ratio und keine Logik mehr gab, kein Heute und kein Morgen, wo nur noch willenlose Ekstase triumphierte. Sie spürte seinen prallen Schwanz, spürte, wie er sich tief in ihre Mitte bohrte, fühlte ihn an ihrer glatten Muskulatur, an ihrer ... Wie wild begann ihr Beckenboden bei diesem Gedanken zu zucken und sie kam heftig und ohne Vorwarnung. Ihre Beine zitterten, als sie sich auf die Stufen setzte. Gerne hätte sie jetzt eine Zigarette geraucht, nur um diese beängstigende Stille nicht ertragen zu müssen, um ihm nicht in die Augen sehen, ihn anlächeln zu müssen, um nicht irgendeinen Schwachsinn zu verzapfen, wie »es war wunderschön«. Doch sie rauchte nicht.

      Nachdem sie den Rock glatt gestrichen, den Slip aufgesammelt und er alles, inklusive T-Shirt wieder ordentlich in seiner Hose verstaut hatte, gingen sie zurück in die Küche.

      »Wein?«, fragte sie mit einem Blick, als wäre sie noch nicht wieder ganz im Hier und Jetzt angekommen. »Veltliner, Otmar-Spezial, aus der Gegend. Den gleichen den’s auch beim Dorfwirten gibt.«

      »Gern.«

      Joe schenkte zwei Gläser ein. Dann ließ sie eine Unmenge Butter in der Pfanne zerfließen, um die Pinienkerne anzurösten und stellte Wasser für die Gnocchi auf.

      »Ich ... vielleicht täusche ich mich«, begann Michael, »aber ich hatte das Gefühl, du warst heute irgendwie nicht bei der Sache.«

      »Hm.« Joe zuckte die Schultern. »Ich ... es ist mir irgendwie peinlich ...« Ihre Lippen schienen Worte artikulieren zu wollen, doch aus ihrem Mund drang kein Laut. »Ich hab noch nie drüber gesprochen. Seit neuestem ...«, sie räusperte sich, »... hab ich – wie soll ich sagen – ganz spezielle Bedürfnisse bei erotischen Zuwendungen ... beim Sex.« Joe schlug ihre Augen verlegen nieder.

      Michael hielt den Atem an und schien sich zu fragen, ob das nun gut oder schlecht für ihn war.

      »Es macht mich an ... ich meine ... ich steh auf härtere Praktiken«, sagte Joe und fühlte Hitze in ihre Wangen steigen. »Irgendwie«, setzte sie noch hinzu, als könnte dieses nichtssagende Umstandswort alles erklären.

      »Härter?«, fragte Michael verwundert. »Ist dir meine Art nicht hart genug?« Er holte Luft. »Ich dachte Frauen lieben es zärtlich und gefühlvoll.«

      Joe streckte demonstrativ ihr Brust heraus, als sie getrocknete Tomaten und Salbei zu den goldbraunen Pinienkernen gab. »Jein«, sagte sie verlegen.

      »Ja-ein?, das ist doch eine typische Frauenantwort.«

      Joe fühlte sich in die Enge getrieben. »Ich weiß nicht, ob es bloß eine Antwort oder eine typische Frauenantwort ist, Michael. Ich meine, ich kann doch auch nichts dafür, wenn mein Körper mit einem Mal komplett verrückt spielt«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Was kann ich denn dafür, dass ich auf einmal auf ...«, sie schluckte, »Handschellen, Fesselspiele, Auspeitschen ...«, sie hielt inne, »... voll abfahre.«

      »Handschellen? – Fesselspiele? – Auspeitschen? Um Himmels willen, Joe, was ist denn in dich gefahren?« Michaels Stimme überschlug sich. Dabei sah er aus wie ein Theaterschauspieler, der auf der Bühne stand und feststellte, dass er den Text für das falsche Stück einstudiert hatte.

      »Plötzlich? Eigentlich kam es nicht plötzlich. Es fing vor Monaten an. Und nun kann ... will ich nicht mehr ohne diese Dinge sein.«

      Michael biss auf die Innenseite seiner Wange.

      »Es gibt mir so ein Gefühl ... Hast du nie solche Dinge getan, ausprobiert?«

      »Nein«, sagte er zögerlich.

      »Nie davon geträumt?« Sie sah ihn aus warmen braunen Augen an. »Hast du nie daran gedacht, dich zu unterwerfen, die Verantwortung für dich und deinen Körper abzugeben, in die Hände einer Frau zu legen?«

      »Ich ... äh ... nein. Ich verabscheue Gewalt, nicht nur bei Frauen. Ich könnte nie ... ich könnte dich nie fesseln, dir Handschellen anlegen, dass du dich nicht mehr rühren kannst.«

      »Auch nicht, wenn es mir Lust bereitet? Auch nicht, wenn ich dich ganz lieb darum bitte?« Sie lächelte kokett.

      »Ich glaub’, dabei käme ich nicht einmal in die Nähe eines Orgasmus.« Ein schmales Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen.

      »Niemand ist perfekt«, lachte Joe. »Wir haben alle unsere Schwächen«, und es klang, als versuchte sie, die globale politische Situation auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Sie stellte die Teller mit den Gnocchi auf den Tisch und öffnete noch eine Flasche Wein. »Aus Italien«, sagte sie und hielt ihm den Rotwein unter die Nase. »Ach, wie dumm.« Sie holte zwei passende Gläser aus der Vitrine und goss ihm einen Schluck ein. »Was meinst du?«, forderte sie ihn auf zu kosten.

      Er trank den Wein in einem Zug aus. Dann nickte er. »Ausgezeichnet«, murmelte er, »das hast du ja spitzenmäßig hingekriegt, Joe.«

      Sie lächelte. »Michael, könnten wir nach dem Essen noch auf den Dachboden?«

      Er grinste.

      »Nein, nicht was du denkst. Ich meine, damit du mir sagst, ob und wie man ihn am besten ausbauen könnte.«

      Er nahm einen Schluck. »Sicher. Aber warum hast du uns denn nicht damals schon den Auftrag gegeben, dass wir ihn gleich mitmachen sollen bei der Sanierung?«

      Sie schürzte die Lippen. »Damals? Damals war das irgendwie noch nicht aktuell. Bin erst später draufgekommen, dass man da was Nettes draus