Rudolf Jedele

Kaana


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befand sich in einem der beiden Packen und er dachte nicht daran, diese zu öffnen, um sich eine bequeme Nacht zu sichern. Eine Nacht ohne Bettrolle hat noch keinen Jäger aus den Bergen umgebracht, also würde auch er nicht daran sterben. Er hatte noch genug Wasser in seiner Gürtelflasche und auch noch einen ordentlichen Brocken getrocknetes Fleisch und da er bereits morgen Abend am Ufer dieses Sees da unten lagern würde, konnte er in der kommenden Nacht leicht auf alle Bequemlichkeiten verzichten.

      Als es dunkel wurde, legte sich Joshara seine Traglasten so zurecht, dass er auf der kleineren Last liegen konnte, während die größere Last als Schutz gegen kalte Winde aus der Steppe herauf wirksam wurde. Die Felsen in seinem Rücken hatten den ganzen Nachmittag Wärme gespeichert, so dauerte es bis weit nach Mitternacht, ehe er spürte, dass es kühler wurde. Von Kälte zu sprechen, wäre aber des Guten zu viel gewesen. Joshara lag also entspannt auf seinem notdürftig hergerichteten Lager und starrte in den klaren Sternenhimmel hinauf. Dabei wurde ihm zum ersten Mal bewusst, um wie viel weiter die Sterne hier unten von den Augen eines Menschen doch entfernt waren. Der intensive Kontakt zum Himmelsgewölbe, wie er ihn gewohnt war, wollte sich nicht einstellen. Stattdessen schlief er plötzlich und ohne Vorwarnung ein und fiel in einen, für ihn als Jäger völlig untypischen Tiefschlaf. Er befand sich in einer gefühlten Sicherheit und sein Körper verlangte sein Recht. Die Geister der Toten blieben verschwunden und so schlief Joshara zum ersten Mal seit Beginn seiner Flucht eine ganze Nacht lang tief und fest durch.

      Das frühe Grau der Morgendämmerung weckte ihn und er erschrak ein wenig über sich selbst und seinen Leichtsinn. Bei einem guten Jäger – Joshara hatte sich zu den Besten des Clans gezählt - hätte man einen derartigen Schlaf unter freiem Himmel nicht erwartet. Andererseits, was hätte ihm denn hier oben in der Felseneinöde schon groß passieren können? Außer ihm selbst war keine Menschenseele mehr in dieser trostlosen Wüste aus massivem Fels und rutschigem Geröll unterwegs und wilde Tiere hatte er hier oben ebenfalls nicht zu fürchten. Bären, Wölfe, silberne Berglöwen und dergleichen hatte er hier nicht zu fürchten gehabt, denn es gab ja nichts zu jagen. Herumziehende Luchse griffen keine schlafenden Menschen an, blieb noch der Vielfraß, das große, marderähnliche Raubtier. Doch Spuren eines Vielfraßes hatte er seit vielen Tagen nirgendwo mehr gesehen. Abgesehen davon war es ohnehin zu spät, sich über all diese Dinge Gedanken zu machen. Die Nacht war vorüber und es war nichts geschehen. Er hatte ausgeschlafen, fühlte sich derart voller Energie wie lange nicht mehr und schon in der nächsten Nacht würde er wieder beweisen können, wie leicht sein Schlaf tatsächlich war. Nun aber war es an der Zeit, mit der Umsetzung seiner Abstiegspläne zu beginnen. Die beiden Pakete lagen bereits dicht an der Kante des Simses. Ein kleiner Stoß mit dem Fuß müsste reichen und seine Besitztümer würden über die Kante kippen und in den See hinunter stürzen.

      Joshara schaute noch einmal über die Kante und überprüfte die Oberfläche des Sees, soweit er sehen konnte. Er entdeckte nichts, was ihn daran hätte hindern können, seinen Plan umzusetzen und die beiden Packen hinunter zu werfen. Zwei leichte Tritte genügten tatsächlich, dann kippten beide Bündel über die Kante und sausten der Wasserfläche entgegen. Kurz hintereinander ertönte das Klatschen, als die Packen im Wasser aufschlugen, er sah zwei hohe Fontänen aufspritzen, doch dann war es auch schon wieder ruhig unter ihm. Nur die kreisförmig sich ausbreitenden Wellen zeugten davon, dass gerade erst zwei recht schwere Gewichte herunter gefallen und in den See gestürzt waren. Joshara aber wandte sich ab und begann nun unverzüglich selbst den Abstieg.

      Der Weg hinunter war beschwerlich genug. Immer wieder musste Joshara anhalten, sich sammeln und neu konzentrieren. Natürlich, denn er konnte und wollte sich so kurz vor dem Ziel keinen Fehler mehr leisten. Ein Sturz, ein gebrochener Arm, ein gebrochenes Bein, ja, selbst ein verstauchter Knöchel würden zu einem lebensbedrohlichen Problem werden. Er war, dessen wurde er sich urplötzlich bewusst, zum ersten Mal in seinem Leben ganz und gar auf sich allein gestellt. Kein Jagdgefährte war in der Nähe, der ihm aus einer Notsituation heraus helfen konnte. Niemand würde bemerken, wenn er am Abend nicht nach Hause käme und niemand würde sich auf die Suche nach ihm machen. Selbst seine Verfolger – eine Erkenntnis, die ihn zum Kichern reizte – hatten ihm ein gewisses Maß an Sicherheit geboten, er hätte sie vielleicht erst töten sollen, wenn er schon unten in der Steppe gewesen wäre. Sie hätten ihn gefunden, wenn er mit einer Verletzung liegen geblieben wäre und wenn er nicht sofort getötet worden wäre, hätte sich daraus eine zweite Chance ergeben können.

      Doch es half nicht, über Einsamkeit nachzudenken, wenn man in einem solchen Gelände unterwegs war. Das Geröll unter seinen Füßen stammte aus dem Fels oberhalb der Halde und war durch Wind und Wetter, durch Frost und Hitze aus dem massiven Stein heraus gesprengt worden und in die Tiefe gestürzt. Ein Sturz aus teilweise gut tausend Schritten Höhe lässt auch harten Fels zu feinen Teilen zerplatzen, wenn er auf einem festen Untergrund aufschlägt. Der Schutt, das Geröll hatten sich im Laufe der Zeit zu einer immer größeren Halde aufgetürmt, die aber in sich selbst völlig instabil war. Das Geröll war ein unfruchtbarer Untergrund, jedem Wachstum abhold. Da war also kein Gräschen, kein Strauch, nichts das mit seinem Wurzelwerk den Untergrund zusammen halten konnte. Die Steine lagen übereinander getürmt da und ein unbedachter Tritt konnte Ereignisse auslösen, die einen Menschen mühelos vernichteten. Es konnte zu Geröllrutschen kommen, zu Muren, die ihn mit in die Tiefe reißen würden. Er konnte in nicht sichtbare Hohlräume stürzen und für alle Ewigkeiten verschüttet bleiben. Ein oberhalb von ihm liegender Felsbrocken konnte herabstürzen und ihn unter sich begraben. Joshara konnte sich eine ganze Reihe solcher Unglücksfälle ausmalen und der Gedanke daran sorgte, dass er bis zum letzten Schritt achtsam blieb.

      Doch dann, etwa in der Mitte des Nachmittags war es geschafft. Seine Füße berührten zum ersten Mal das Gras Kaanas und er hatte die Grenze des Landes erreicht, das ihm – so hoffte er – zu einer neuen Heimat, zu einem Ort der Wiedergeburt nach einem langwierigen und schwierigen Übergang werden sollte.

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