Rudolf Jedele

Kaana


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besser weg blieb.

      Die Steppe wurde beherrscht vom Volk Kaana, den Reitern der Steppe.

      Josharas Ziel war es, von den Bergen hinab zu steigen, die Steppe zu erreichen und sich dem Volk Kaana anzuschließen, denn die fast vergessene Legende besagte, dass vor unendlich langer Zeit die Bewohner der Berge aus der Kaana herauf gewandert waren, um eine neue Bestimmung zu finden. Die Wurzeln der Bergbewohner lagen also in der Steppe.

      Joshara hatte sein Nachtlager unter einer ziemlich weit auskragenden Felswand aufgeschlagen, die ihm ein wenig Schutz vor der Witterung bot. Obwohl der Winter schon fast zu Ende war und der Fön und damit der Beginn der Schneeschmelze jeden Tag eintreffen konnten, schneite es seit Tagen wie verrückt und Joshara war sogar froh um diesen Schnee. Verfolger waren hinter ihm her und diese würden sich schwer tun, seiner Spur zu folgen, wenn ständig Neuschnee darüber lag. Zum ersten Mal seit mehr als dreißig Tagen hatte Joshara an diesem Abend ein kleines Feuer angezündet und nun brieten zwei, auf Stecken gespießte, magere Kaninchen über der Glut. Die lieben Tierchen waren ihm praktisch in die Hände gesprungen und Joshara hatte einfach nicht nein zu diesem Zufall sagen können. Er wagte es ein Feuer zu machen, denn er war sich sicher, dass nur noch eine der beiden Verfolgergruppen hinter ihm her war und er war sich auch sicher, dass sein Vorsprung mehr als einen Tagesmarsch betrug.

      Neben den Kaninchen stand ein kleiner Topf auf der Glut und in diesem Topf brodelte heißes Wasser, in das Joshara Moosbeeren, Flechten und ein paar dürre Blätter von Sträuchern geworfen hatte, um sich eine Art Tee zu brauen.

      So genoss er an diesem Abend einen dreifachen Luxus, wie er ihn seit Beginn seiner Flucht nur selten hatte genießen können.

      Der Tee war fertig, Joshara schöpfte sich einen Becher voll ab und stellte den Becher zum Abkühlen in den Schnee neben sich, dann beobachtete er weiterhin, wie die beiden Kaninchen langsam zu garen begannen.

      Wie jeden Abend holte ihn die Erinnerung ein, sobald sein Körper etwas zur Ruhe kam.

      Eigentlich war Josharas Leben in ganz geregelten Bahnen verlaufen. Er war als Sohn eines angesehenen Jägers im Clan der Wolfshöhle aufgewachsen und hatte sich, ungeachtet aller Warnungen in die schöne Tochter des Nachbarclans verliebt. Azawa zählte zu den schönsten jungen Frauen des Clans und es war ihm tatsächlich gelungen, sie zu seiner Gefährtin zu machen. Mehr noch, er schaffte es mit ihr – welch ungebührliche Fruchtbarkeit – drei wundervolle Töchter zu zeugen. Töchter aber waren in den Clans der Berge ihr Gewicht sozusagen in Gold wert.

      Joshara war also reich gewesen. Märchenhaft reich sogar. Doch trotz seines Reichtums hatte er nie abgehoben. Er war ein würdiger Sohn seines Vaters als Jäger geworden. Einer der besten Jäger seines Clans, doch weit mehr als die Jagd, hatte ihn schon immer alles interessiert, was man aus Metall herstellen konnte, deshalb hatte er auch das Handwerk des Schmiedes erlernt. Schon in jungen Jahren hatte man von ihm als dem besten Schmied gesprochen, der jemals den Menschen der Berge geboren worden war. So war aus Joshara schon sehr früh ein weit und breit geachteter und geschätzter Mann geworden, dessen Wort man auch außerhalb seines Clans hörte. Ein Mann und ein Künstler des Schmiedehandwerks, dessen Ruf sogar bis hinunter in die Wüstenstadt Zeparana gedrungen war. Als derart geachteter und wichtiger Mann war er auch bereits zweimal in der Stadt gewesen, doch ein drittes Mal, so sagte er immer wieder, zog es ihn nicht dorthin.

      Josharas Leben war immer gut gewesen, doch das änderte sich grundlegend, als er eines Tages auf der Suche nach Erzen durch die Berge gestreift war und eine Entdeckung machte. Eine Entdeckung, die einfach so vieles, fast alles über den Haufen warf, was ihm in seinem bisherigen Leben wichtig gewesen war. Er fand einen Gesteinsbrocken, der keinem Material glich, das er bis dahin in den Händen gehalten hatte. Ein etwa faustgroßer Brocken, der ihm durch Zufall in die Hände geraten war. Schon das Gewicht des Steins sagte ihm, dass es sich wohl um metallhaltiges Gestein handeln musste, um Erz. Er untersuchte den Brocken näher und erkannte, dass sich ungewöhnlich viele dünne Adern durch den Stein zogen, die – obwohl eigentlich von einem ungewöhnlichen rotbraun - sehr rasch einen silberhellen Glanz bekamen, wenn man ein wenig daran herum kratzte.

      Joshara tat nach einigem Überlegen mit dem Stein das, was er auch mit jedem anderen Erzbrocken getan hätte:

      Er warf ihn am Abend in sein Feuer und hoffte, dass die Glut die unterschiedlichen Materialien des Erzes trennen würde.

      Seine Überlegung war richtig gewesen, denn am nächsten Morgen fand er in der Asche die Schmelze eines silbern glänzenden Metalls, das bedeutend härter war, als alles, was er je zuvor in seinen Händen gehalten hatte. Joshara hatte das Eisen entdeckt.

      Joshara war, wie es sich für einen guten Handwerker geziemt, sofort von seiner Entdeckung begeistert. Er sammelte eine größere Menge von den rotbraunen Steinen, die an dieser Stelle reichlich herum lagen und machte sich auf den Weg nach Hause. Er schmolz das Erz und trennte Mineralien und Metall voneinander und hielt zwei Tage später einen doppelt faustgroßen Klumpen reinen Eisens in seiner Hand. Ohne zu zögern begann er das Material als Schmied zu sehen und versuchte es zu bearbeiten. Nach einigen Tagen und vielerlei Experimenten hatte er es geschafft, aus einem Teil des Metallklumpens eine Messerklinge zu formen und dann, als er diese neuartige Klinge geschärft hatte, besaß er ein Messer, das allen anderen Messern, die er bis dahin aus Bronze und Messing hergestellt hatte, bei weitem überlegen war.

      Joshara war begeistert von seiner Entdeckung und zugleich wurde ein einsamer Mann aus ihm.

      Zwei Jahre lang sprach er mit niemand über seine Entdeckung und auch nicht über die damit verbundenen weiteren Erfindungen. Er versuchte und experimentierte immer weiter und dann, nach gut zwei Jahren - Joshara war mittlerweile knapp über zwanzig Sommer alt – hatte er gelernt, wie er durch heißeres Feuer und die Beigabe von Mineralien immer besseres Eisen machen konnte und er nannte dieses Eisen ab sofort Stahl. Danach begann er diesem Stahl andere Metalle beizumischen und nun konnte er harten und spröden Stahl herstellen oder auch weicheren und geschmeidigen Stahl, ganz nach Bedarf. Er lernte, dass man weichen Stahl besser schärfen konnte, als harten und dass der harte Stahl die Schärfe besser hielt als der weiche. Aber in vielen Fällen stellte eine Verbindung aus hartem und weichem Stahl die optimale Lösung dar.

      Am Ende seiner Experimentierzeit besaß er eine Reihe von eisernen Waffen und Werkzeugen. Er hatte mehrere Messer, darunter ein wundervolles Jagdmesser dessen Klinge fast eine Elle lang war, zwei ebenso lange Speerspitzen, zwei Dutzend Pfeilspitzen, eine Axt und ein prächtiges, langes, gerades und zweischneidiges Schwert geschmiedet. Dazu einige äußerst effektive Werkzeuge, von einer hauchdünnen und extrem spitzen Nadel beginnend bis zu einer stabilen Zange, mit der man auch weiß glühende Metallteile aus der Schmiedeesse holen und zur Bearbeitung auf den Amboss legen konnte.

      Der Stahl, so hatte er entdeckt, war weitaus härter und zugleich viel zäher als Bronze je sein konnte. Stählerne Klingen konnte er viel dünner ausschmieden und danach so scharf schleifen, dass er seinen Bart mit ihnen rasieren konnte, ohne auch nur einen einzigen Kratzer in seiner Haut zu hinterlassen. Doch wenn er unachtsam war, schnitt er sich mit diesen Klingen und die Schneide durchtrennte seine Haut und sein Fleisch so schnell und so tief, dass er rasch lernte, seine Waffen nur noch mit allergrößter Vorsicht zu benutzen.

      Er zeigte niemand, was er in seiner Werkstatt hergestellt hatte. Er bewahrte das Geheimnis, denn eine düstere Ahnung sagte ihm, dass dieses Wissen und Können ihm möglicherweise nicht nur Freude und Freunde bescheren würde. Er konnte sich durchaus vorstellen, dass sowohl unter den Schmieden als auch unter den Clanführern wegen eiserner Waffen und Werkzeuge große Spannungen entstehen konnten und er konnte sich auch vorstellen, dass diese Spannungen sogar über die enge Welt des Hiron – Gebirges hinaus schwappen und selbst in Zeparana noch für Unruhe sorgen mochten. Zu Überlegen war jedes einzelne, aus Eisen hergestellt Stück der bislang gebräuchlichen Bronze.

      Wer weiß, wie lange er das Geheimnis noch für sich bewahrt hätte, wäre da nicht etwas Schicksalhaftes geschehen, das sein Leben noch mehr auf den Kopf stellte und schließlich aus den Fugen kippte.

      Joshara streckte sich und ließ seine Gelenke knacken, denn die kauernde Pose, mit der er an seinem Feuer saß, tat seinen von der langen und unglaublich mühsamen