Rudolf Jedele

Kaana


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und probierte. Noch ein wenig Geduld musste er aufbringen, das Fleisch war noch nicht ganz durch. Dann veränderte er seine Position, suchte sich eine neue, vielleicht etwas bequemere Stellung und verfiel wieder ins Grübeln, kehrte zurück in seine jüngste Vergangenheit.

      Im vergangenen Sommer war die Frau an der Seite des Clansvater Kirgis bei einem Steinschlag ums Leben gekommen.

      Kirgis war zwar schon ein relativ alter Mann, schon beinahe sechzig Jahre alt, doch sein Appetit auf junge Frauen war ungezügelt. Jung und schön, anders wollte er es nicht haben. Die aktuell Schönste unter den jungen Frauen des Clans aber lebte in Josharas Haus. Azawa hatte zwar schon drei Töchtern das Leben geschenkt, doch kein Mann, der sie gehen, stehen, sich bewegen sah, konnte sich ihrer sinnlichen Ausstrahlung entziehen. Es hatte im Clan schon oft Raufereien Azawas wegen gegeben, denn Josharas Gefährtin wusste nur zu gut um ihre Wirkung auf Männer und sie genoss es über alle Maßen, diese immer wieder einzusetzen, auszuprobieren, wie weit die Männer ihretwegen gehen würden. Joshara fand das Verhalten seiner Gefährtin zwar als lästig, er war aber auch nicht gewillt, sie ohne weiteres wieder herzugeben. So lernte er im Laufe der Zeit zu kämpfen und Azawa zu behalten.

      Doch dann, am Schluss verlor er sie doch.

      Kirgis lüsterne Blicke waren nach dem Tod seiner eigenen Gefährtin fast zwangsläufig auf Azawa gefallen und bereits im Spätsommer, nur einen Mond nach dem Tod seiner eigenen Gefährtin, hatte Kirgis einen seiner erwachsenen Söhne zu Joshara geschickt und die sofortige Herausgabe Azawas mitsamt ihren Töchtern verlangt.

      Diese Forderung war für Joshara absolut unannehmbar, denn gerade die drei Töchter stellten einen wesentlichen Teil seines Vermögens dar. Ihre Mitgift würde schon bald kommen und dann hatte er ausgesorgt bis ans Ende seiner Tage. Das konnte er nicht einfach so verschenken.

      Der Clansvater aber pochte auf sein Recht, er war den Bräuchen der Bergwelt entsprechend der uneingeschränkte Herr über den gesamten Clan und konnte nach Gutdünken über die Menschen seines Clans und über ihre Fähigkeiten und Besitztümer verfügen. Ein guter Clansvater nutzte diese Privilegien niemals, aber Kirgis war kein besonders guter Clansvater. Er bestand auf seinen Rechten.

      Es kam, wie es kommen musste, Joshara verlangte einen Zweikampf und wäre bei einem Sieg über den Alten selbst zum Clansvater geworden. Kirgis nahm den Kampf an, aber er ließ sich durch seinen ältesten Sohn, einen im gesamten Gebirge gefürchteten Raufbold und Schläger vertreten. Auch das war eines der Vorrechte, die ein Clansvater besaß. Kirgis Sohn wählte einen Kampf mit dem Schwert und so wurde Josharas Klinge zum ersten Mal in aller Öffentlichkeit präsentiert.

      Der Kampf war nur kurz, denn Josharas Gegner mit seinem einseitig geschliffenen Bronzeschwert hatte nicht den Hauch einer Chance gegen Joshara eiserne Klinge. Mit blitzschnellen Hieben zerschlug der Schmied die Waffe seines Gegners in kleine Stücke und am Schluss, als dieser immer noch nicht aufgeben wollte, schlug er ihm mit einem fast beiläufig wirkenden waagrechten Herumschwingen seines Schwertes den Kopf von den Schultern.

      Das Entsetzen unter den Beobachtern war ungeheuer. Sofort kamen die Worte von böser Magie und einer Hexenklinge auf und Josharas Sieg wurde nicht anerkannt. Azawa und ihre Töchter verließen Josharas Haus und zogen in die Hütte des alten Clanvaters.

      Joshara blieb trotz allem bei seinem Clan. Wohin hätte er denn auch gehen sollen, war doch dieser Clan alles, was er als Heimat kannte. Aber seine Position wurde rasch immer schwieriger und dann unhaltbar, denn Azawa erzählte Kirgis schon während der ersten Nacht in seinem Bett von Josharas neuartigen Waffen und Werkzeugen und weckte eine enorme Gier in dem alten Mann.

      Eisen, so begriff Kirgis bedeutete Macht.

      Mit Eisen konnte er seine Herrschaft über das ganze Hiron – Gebirge ausdehnen und sein Herz schlug höher, als er für einen Moment an all die schönen, jungen Frauen dachte, die er dann haben konnte. Er ließ gleich am nächsten Morgen Joshara rufen und verlangte die bedingungslose Herausgabe aller Geheimnisse, die Joshara um das Eisen, seine Herstellung und Verarbeitung besaß als Wiedergutmachung für den Tod seines Sohnes. Alle Schmiede des Clans sollte von Joshara eingeweiht werden und danach sollte der Clansvater als einziger das Recht haben, zu entscheiden, wer Eisenwaffen herstellen und wer sie tragen durfte und wer nicht.

      Joshara begriff die Gedankengänge des Alten nur zu gut. Er sah den Machthunger in dessen Augen glitzern und deshalb lachte er dem alten Mann ins Gesicht. Dann erklärte er:

      „Ich habe deinen Sohn in einem anständigen und ehrlichen Zweikampf besiegt und der gesamte Clan war Zeuge davon, dass ich offen und ohne Heimtücke gekämpft habe. Weshalb also sollte ich Sühne leisten? Und ehe du die Geheimnisse des Eisens bekommst, beiße ich mir die Zunge ab. Du bekommst nicht mehr alles, wonach dir der Sinn steht, alter Mann!“

      Nie hatte ein Mann des Clans so mit dem Clansvater zu sprechen gewagt und nie hatte ein einfacher Jäger und Handwerker den Clansvater einfach wie einen dummen Jungen stehen lassen und war davon gegangen.

      Deshalb beschloss Kirgis den Schmied zu brechen.

      Schon am nächsten Tag berichteten die Menschen des Clans davon, dass Kirgis während der Nacht nicht nur Azawa bestiegen und auf eine Art geritten hatte, wie sie es von Joshara nicht gewohnt war, sondern auch Josharas älteste Tochter Simala. Das Mädchen war noch keine zehn Sommer alt.

      Joshara schäumte und tobte, doch er konnte nichts dagegen tun.

      Wenige Tage später aber erhielt er aus dem Haus des Clansvater die Nachricht, dass Kirgis sich auch die siebenjährige Malvi und die achtjährige Tingua in sein Nachtlager geholt hatte und sie zu seinen Gefährtinnen gemacht hatte.

      Damit war Joshara jede Basis entzogen, seine Töchter zurück zu gewinnen und sie mit einer guten Mitgift einem anderen Mann zu geben. Kein Mann würde eine Mitgift für eine Gefährtin geben, die in solch jungen Jahren von einem Mann wie Kirgis bestiegen worden war.

      Joshara zerbrach tatsächlich. Aber anders, ganz anders, als Kirgis erwartet hatte.

      Eines Abends, kurz vor Sonnenuntergang stand er plötzlich vor dem Haus des Clanvaters. Er war vollständig bewaffnet und er forderte den Alten erneut zu einem Zweikampf heraus. Kirgis hatte aus verschiedenen Gefährtenschaften vier Söhne. Einen hatte Joshara bereits getötet, die drei anderen überlebten die Herausforderung des Schmiedes ebenfalls nicht. Joshara richtete ein in den Bergen nie erlebtes Blutbad an.

      Die drei Söhne des Alten starben zuerst. Danach drang er in das Haus von Kirgis ein und brachte Azawa und seine drei Töchter um und zu guter Letzt hackte er Kirgis die rechte Hand ab und kastrierte ihn.

      Danach verschwand er in der Nacht und seine Flucht begann.

      Wieder veränderte Joshara seine Sitzposition, dann probierte er die Kaninchen und fand, dass sie gar waren. Er aß beide Kaninchen restlos auf, dann legte er sich in seine Felle, deckte sich zu und schloss die Augen. Doch schlafen konnte er nicht. Wieder einmal nicht…

      Seit jenem Abend, da er am Haus des Clansvater zum Berserker geworden war, hatte er nur noch wenig geschlafen. In der Nacht nach dem er sieben Menschen ermordet und einen alten Mann verstümmelte, hatte auch seine Flucht begonnen. Er war geflohen, weil ihm von den Menschen des Clans ein geradezu unglaublicher Hass entgegen schlug. Die Menschen sprachen immer wieder von der Hexenklinge aus weißem Eisen, in der angeblich alles Böse aus dem Wesen ihres Erzeugers gefangen war und man sprach von Joshara dem Mörder. Selbst seine bislang besten Freunde wandten sich von ihm ab und wurden zu unversöhnlichen Feinden. Es gab kaum eine Behausung im Clan, in dem kein Werkzeug oder keine Waffe aus Josharas Werkstatt zu finden gewesen wäre. Jetzt lagen alle diese Waffen und Werkzeuge im Dreck, so als wollten die Menschen des Clans mit nichts mehr etwas zu tun haben, das aus Josharas Hand stammte.

      Seit jenem Vorfall war er Tag für Tag durch die Berge gezogen und hatte keine Ruhe mehr gefunden.

      Kirgis Macht als Clansvater war ungebrochen. Die Verstümmelung seines Körpers durch den wütenden Schmied hatten ihn eher noch unberechenbarer werden lassen, als er es zuvor schon gewesen war und sein glühender Hass raubte Joshara selbst auf viele Tagesreisen Entfernung hin fast den