Hedwig v. Knorre

mensch MIT Gebärmutter - ein Puzzleteil zum Menschenbild


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das Wertvollste, was ich habe? Meine Persönlichkeit! In meinem Körper! Das war nicht immer so. Und es wird nicht immer so bleiben.

      Was ist ein menschlicher Körper, rein chemisch gesehen? Ein Eimer voll Wasser – darin zwei Handvoll Erde und eine Handvoll Asche. Tatsächlich, mehr ist es nicht. Macht das mal, konkret. Rührt drin rum mit den Händen. Dann merkt ihr es.

      Diese Substanzen so zu organisieren, dass ein lebender, menschlicher Körper dabei heraus kommt – das ist das WUNDER DES LEBENS.

      Jedes neue menschliche Leben ist ein Wunder. Ich habe das an meinen eigenen Kindern sehr intensiv erlebt. Ich wußte jeweils von Anfang an, dass ich schwanger war und begleitete den winzigen neuen Menschen innerlich mit der Frage, „wirst du es schaffen, dich einzunisten? Bitte! Es wäre so wunder-bar!“ Oft legte ich mich hin, um die Durchblutung des Urogenitalsystems und damit die Lebensbedingungen für das Kind zu verbessern. Dabei redete ich mit meinem Kind. Ich versuchte, ihm zuzuhören. Das klingt vielleicht seltsam. Ich war innerlich ganz nah dran an dem winzigen Menschen: „wie geht es dir jetzt? Gut? Prima! So soll es sein!“ Die größeren Geschwister bezog ich später mit ein. „Jetzt schläft das Baby im Bauch“ oder „jetzt ist es wach und spielt! Fühl mal, wie es strampelt! Es will seine Beine trainieren, das macht ihm Spaß! So wie wenn du Trampolin springst!“

      So ging es weiter. So geht es weiter bis heute. Ich habe viele Freunde in meinem Alter, die Eltern oder auch schon Großeltern sind, die es ebenso erleben. Unsere Kinder bleiben unsere Kinder. Wir lieben sie. Sie sind sie selbst, treffen ihre eigenen Entscheidungen, leben ihr eigenes Leben, entfalten sich auf ihre ganz persönliche Art und Weise und bewältigen ihre ganz persönlichen Probleme in ihrer eigenen Art und Weise. Wo sie es wollen, beziehen sie uns in ihr Leben mit ein. Wo es nötig ist und sie es wollen, unterstützen wir sie, so gut wir es können.

      Wir erinnern uns an die Zeit unseres Lebens, in der sie nicht da waren. Und nun sind sie da. Sind in dieses Leben gekommen - durch uns. Wenn das nicht etwas super besonderes ist!

      Titel

       erlebt

      ich war willkommen bei meinen Kindern. Mein Kinder spielten im Kinderzimmer, im kleinen Spielzimmer, in der Küche, im Esszimmer, immer um mich herum. In ihre eigenen Zimmer die Treppe rauf zogen sie sich erst im späteren Grundschulalter zurück, und dann meist nur, wenn sie Freunde zu Besuch hatten. Sie mochten meine Nähe und ich mochte sie um mich haben – win-win für beide Seiten.

      Um das möglich zu machen, hatte ich viel zu tun. Geld war wenig da. Also verdiente ich Geld, in dem ich es sparte. Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten. Brot backen im Holzofen. Fahrrad statt Auto. Renovieren, kleine Reparaturen – ich lernte so einiges im Lauf der Jahre. Meine Kinder erlebten einen lernende Mutter. Besonders liebte ich neue Geräte und ihre Gebrauchsanweisungen. Die studierte ich auf dem Klo. Die Tür war zwar nicht abgeschlossen, damit ich für ein weinendes Kind erreichbar wäre, aber meist hatte ich dort meine Ruhe. Danach probierte ich die Geräte aus. Ein Höhepunkt war das Telefon mit Anrufbeantworter!

      Zum Spielen mit meinen Kindern hatte ich keine Zeit. Das war nicht schlimm, im Gegenteil. Das konnten sie ja selbst. Ich schuf den Rahmen und machte ihnen Angebote. Beispielsweise hatte ich Puzzles im Schrank. Zwei „Kleinkinderleben“ lang lagen sie ungenutzt herum. Meine Motivationsversuche gingen an gleichgültigen Mienen vorbei. Komisch, fand ich, ich hatte immer so gerne Puzzles gelegt! Das Dritte dann, das entdeckte sie schon bevor es laufen konnte und liebte sie! Die beiden Großen schauten einige Zeit befremdet. Nach einigen Monaten ließen sie sich inspirieren. Da lag dann plötzlich der ganze Kinderzimmerfußboden voll mit einer „Puzzle-Ausstellung“! Auch die großen, schweren mit 200 Teilen waren dabei!

      Immer wieder ließ ich all meine Arbeit ruhen. Sie lief mir nicht davon. Dann setzte ich mich auf den Fussboden im Kinderzimmer. Einfach um mitzuerleben, was meine Kinder so machten. Wofür sie sich interessierten, wie sie spielten, wie sie ihre Interessen und Neigungen entfalteten. Dann erlebte ich mich sehr willkommen! Sie lachten, kamen zu mir gelaufen oder gekrabbelt, zeigten mir ihre Kreativitäten, ihre Bauwerke oder Bilder oder Lager, erklärten mir die Idee dahinter und ich war begeistert! Sie waren alle so unterschiedlich, jedes eine eigene starke Persönlichkeit, von Anfang an! Dann krabbelten sie auf meinen Schoß und wollten Bücher vorgelesen haben. Klar doch, gerne!

      Außerhalb der Mahlzeiten war der große Eßtisch zum Malen und Basteln da. Ich habe gerne mit meinen Kindern gebacken und Radtouren gemacht, aber ich habe nicht gerne mit ihnen gebastelt, darum habe ich es bleiben lassen. Dafür waren in der Eckbank immer Malstifte, auch Stempel und Schablonen, Schere, Klebstoff, Papier. Was haben die Kinder gemalt und gebastelt, einzeln und Gemeinschaftswerke, Geschichten geschrieben … sie zeigten mir ihre Werke, sie schenkten mir das meiste und ich habe einige Kisten davon aufgehoben. Bis heute sind sie mir fast wertvoller als die Fotos. Denn es ist das, was sie GEMACHT haben, selbst, aus sich heraus. Es drückt ihre Persönlichkeiten viel intensiver aus als die Fotos, ihre innere Entwicklung. Die Fotos zeigen sie ja „nur“ von aussen. Auch schön und wichtig, klar!

      In der Rückschau war das die reichste Zeit meines ganzen Lebens. Auf manch anderes Erleben könnte ich gut verzichten. Doch das - das bereue ich nicht! Im Gegenteil - wäre ich zur Arbeit gegangen und hätte von dem Geld Babysitter bezahlt, dann hätten die das alles miterlebt. Und es hätte sie nicht halb so sehr interessiert wie mich. Denn es waren MEINE Kinder!

      Titel

       Geburt und Sterben

      Wir Menschen, so unterschiedlich wir auch sonst sind – in einem sind wir alle gleich: wir kamen durch eine Geburt auf diese Welt und werden sie sterbend wieder verlassen. So selbstverständlich diese Wahrheit ist, so ungern beziehen wir sie oft in unsere Überlegungen ein. Wenn wir es allerdings bedenken, wird deutlich, wie wertvoll unser LEBEN ist.

      Wir Hebammen arbeiten an der Quelle des Lebens. Wer alte Menschen versorgt, arbeitet am Abschied vom Leben. Beginn und Abschied – die beiden größten und würdevollsten Lebenssituationen überhaupt. Sie zu meditieren bedeutet, den WERT DES LEBENS zu achten, unabhängig von Aussehen oder gesellschaftlichem Status, schon garnicht von Herkunft und Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung oder gar Kleidung. Darunter sind wir nämlich alle nackt.

      Diese Achtung des Lebens, das Wissen um das WUNDER DES LEBENS ist Inhalt jeder gesunden Spiritualität. Sie prägt das Streben nach Frieden und Miteinander, nach Achtsamkeit - und den inneren Widerstand gegen alles Destruktive.

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       Spiritualität

      Wer mit Geburt und Sterben zu tun hat, kommt um das Thema Spiritualität nicht herum.

      Spiritualität ist ein sehr wichtiges Element im menschlichen Leben, schon immer gewesen und heute nicht weniger als je zuvor. Die innere Beziehung des Menschen zu einer aussermateriellen liebenden Energie oder Person, dem Kosmos, Schicksal, Göttin, Gott, Allah, Jesus, Jahwe, dem großen Geist. Es gibt so viele spirituelle Ansätze wie es Menschen gibt, und Spiritualität birgt ein erstaunliches, manchmal wunder-bares Potential. Wo andere Menschen verzweifelt aufgeben, können spirituelle Menschen oftmals so unglaublich viel positive Inspiration und Energie durch ihre Spiritualität beziehen, dass es mir als Außenstehende immer wieder an „Wunder“ grenzt.

      Spiritualität ist nicht statisch. Spirituelle Intensität ist individuell verschieden, und es kann sich im Laufe eines Lebens mehrfach ändern, in wie weit oder tief eine Person Spiritualität lebt und pflegt.

      Spiritualität ist der persönlichste Teil im Inneren eines Menschen, in Seele und Geist, intimer als die Beziehung zu irgend einem anderen Menschen, sogar intimer als die Beziehung zwischen Mutter und Kind. Vielen Menschen ist ihre eigene Spiritualität nicht bewusst. Ich habe einige Atheisten erlebt, die in hohem Maße spirituell lebten, empfanden und handelten, obwohl sie es verbal materiell begründeten.

      Die spirituelle Energie oder Person, auf die wir uns innerlich beziehen, sollte in unserer Vorstellung überwiegend weibliche, mütterliche Attribute haben. Frauen geben Leben. Für Frauen steht größtmögliche Fürsorge