Hedwig v. Knorre

mensch MIT Gebärmutter - ein Puzzleteil zum Menschenbild


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die Psyche in aller erster Linie die Frage: „bin ich schwanger?“ Alle anderen Anliegen, die sonst im Vordergrund stehen, treten weit in den Hintergrund.

      Kommt es zu einer ungeplanten Schwangerschaft, beherrscht auch diese die Psyche: wie kommt es nur – was mach ich jetzt – will ich dies Kind – schaffe ich das – was sagen die Angehörigen? Ist es gar lebensgefährlich, wie in manchen Kulturen? Oder für meine berufliche und gesellschaftliche Zukunft existenzbedrohend?

      Von nun an bleibt der psychische Focus auf das Kind bestehen, solange es Kind lebt. Wird eine Mutter 100 Jahre alt und ihr Kind ist 80 Jahre alt, wird auch dann noch eine starke psychische Priorität vorherrschen mit der Frage: wie geht es meinem Kind? Alles in Ordnung? Das ist normal und gesund.

      Während der Schwangerschaft leitet diese Focussierung die Mutter des ungeborenen Kindes zu einem Verhalten an, das für das Kind optimal ist. „Gebe ich ihm die aller besten Lebensbedingungen? Dass es gut gedeiht?“ Beispielsweise können Raucherinnen plötzlich für ihr Kind mit dem Rauchen aufhören. Manchen fällt es schwer und sie halten es nur während der Schwangerschaft durch, anderen fällt es leichter und sie vermeiden das Rauchen auch während der Stillzeit, oder sie fangen später garnicht mehr damit an. Da Rauchen eine starke Sucht ist, beeindruckt mich dies immer wieder und zeigt mir, wie sehr die Mütter auf das Wohl ihrer Kinder bedacht sind.

      Die starke Focussierung auf das Geschehen in der Gebärmutter wird auch deutlich bei der Fehlgeburt eines erwünschten Kindes. Sie ist das Ende eines Lebens und die Trauer entsprechend ebenso intensiv wie beim Tod eines geborenen Kindes, eines älteren Kindes, wie um den Tod von Geschwistern, Eltern, Partnern … bei sehr nahe stehenden Menschen eben!

      Dies wird vielfach noch nicht verstanden. „Bist doch noch jung, kannst noch öfter schwanger werden“, muss so manch trauernde Mutter sich anhören und ist zusätzlich zum Geschehen psychisch schwer verletzt von solch ignorante Bemerkungen. Die können von Angehörigen kommen, oder gar von ärztlicher Seite, sogar von Hebammen (extrem selten, zum Glück).

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       psychische Transformation zu Eltern

      Die Entstehung eines Kindes initiiert eine Persönlichkeitsveränderung, Es handelt sich um die Transformation der Frau zur Mutter und, im optimalen Fall, auch des Mannes zum Vater.

      Nach Ansicht mancher PsychologInnen ist keine echte menschliche Reife möglich ohne dies Leben mit einem Neugeborenen: die durchwachten Nächte, die Rund-um-die-Uhr-Verantwortung für einen ganzen hilflosen Menschen und all seine Bedürfnisse. Während dieser Zeit müssen die eigenen Bedürfnisse bis auf ein Überlebens-Minimum zurück gestellt werden. Das ist nicht immer ein Vergnügen, dafür immer in der 100%igen Überzeugung, dass es wichtig ist.

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       Persönlichkeitsreife

      Naja, manche haben ein einziges super pflegeleichtes Kind und dazu mehrere Großeltern, die gerne viele Aufgaben übernehmen. So können sie Eltern sein und ihr Leben doch fast so weiter führen wie ohne Kind. Und dem Kind geht es gut.

      Bei anderen ist es genau anders herum. Ihr Kind ist normal schwierig und ohne hilfreiche Großeltern bringt das die Eltern total an ihre Grenzen.

      Selten sind Kinder behindert. Das bedeutet für die Eltern eine Extrembelastung, an der auch schon gute Beziehungen zerbrochen sind.

      Junge Eltern müssen sich dem Eltern-Sein stellen und daran wachsen. Sie müssen ihm aber auch gewachsen sein.

      Ein 14jähriger Teenager ist in unserer Gesellschaft wirklich überfordert allein mit Kind und braucht unbedingt Unterstützung. In einfacheren, weniger komplex strukturierten Gesellschaften, womöglich mit Großfamilie, sind 14jährige dagegen durchaus in der Lage, für eigene Kinder zu sorgen. Wobei allgemein ein höheres Alter für die Geburt des ersten Kindes besser ist.

      Wieder andere Menschen haben zwar keine Kinder und erreichen doch diese Reife auf andere Weise. Da ist beispielsweise die Mitt-20-Jährige, deren Mutter an Krebs erkrankt und sie sich darum kümmert, komplett, neben 100%iger Berufsarbeit her: Krankenhaus rein, Krankenhaus raus, Wäsche, Einkauf, Essen, Pflege, Dokumente für Krankenkasse und Ämter, und nach dem Tod der Mutter organisiert sie die Beerdigung und löst ihre Wohnung auf. Danach ist sie selbst kaputt und lässt sich vom Arzt zur Kur schicken. Hochachtung vor dieser Persönlichkeitsreife! Ganz ohne eigene Kinder!

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       alte Mütterweisheit

      Beim ersten Kind hilft dir die Nachbarin.

      Beim zweiten Kind kommst du klar.

      Beim dritten Kind hilfst du der Nachbarin.

      Diese alte Mütter-Weisheit bedeutet, dass wir beim ersten Kind sozusagen in der Ausbildung sind. Beim zweiten Kind sind wir ausgebildete Berufsanfänger. Beim dritten Kind haben wir Berufserfahrung.

      Die psychisehe Transformation zu Eltern ist ein überaus wichtiges Thema! Wir brauchen eine Eltern-Gesellschaft, in der Eltern-Sein im Focus ist, als normal, gut und wichtig angesehen ist.

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       innere Ambivalenzen

      Innere Ambivalenzen sind normal, in allem. Morgens müssen wir aufstehen – keine Lust, es ist so schön gemütlich im Bett! Aber wenn wir nicht aufstehen, kriegen wir Ärger in der Schule oder auf der Arbeit … also stehen wir auf. Oder wir nehmen den Ärger in Kauf.

      Auch da, wo es um Kinder geht, gehören innere Ambivalenzen dazu. Viele Erwachsene, die Kinder haben, denken ab und zu, „worauf habe ich mich nur eingelassen! Gibt es wirklich kein Zurück?!“ Das kann schon während der Schwangerschaft sein. Unter der Geburt kommt es häufiger vor. Oder mit schwierigen Teenagern… Wir kommen an unsere Grenzen. Wir lieben unsere Kinder nicht immer, nicht unbedingt von Anfang an, nicht jederzeit durchgängig gleichermaßen. Das Kind verändert sich, und da will das Lieben immer wieder neu gelernt sein.

      Auch bei Wunschkindern kommt das vor. Meist ist es ein Tabu-Thema. Es widerspricht dem Mythos der 100%igen Mutter in der Frau. Doch es ist normal. Es gehört zum inneren Reifeprozess, sich damit auseinanderzusetzen und daran zu wachsen. Im besten Fall kommen wir zu einer inneren Sicherheit in der Überzeugung, „ich hätte es gerne einfacher. Doch nun ist es nun einmal anders, als ich es mir vorgestellt oder gewünscht habe. Ich stelle mich dieser Aufgabe. Dies ist MEIN Kind. Ich lerne dazu, ich stelle mich innerlich um.“

      Die offene Auseinandersetzung ist Bestandteil des Reifeprozesses. Sie geschieht im inneren Dialog mit uns selbst und auch im Dialog mit verständnisvollen Personen. Nach oben hat dieser Reifeprozess übrigens keine Grenzen. Das heißt, dass diese innere Auseinandersetzung immer wieder neu geführt werden muss, vor allem, wenn neue, vorher unvorstellbare Schwierigkeiten auftreten.

      Da gibt es Menschen, die in Extremsituationen weit über sich selbst hinaus wachsen. Sie lernen und bewältigen, was sie von sich selbst nicht möglich gehalten hätten und andere von ihnen auch nicht.

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       erlebt

      Ich hatte immer Kinder um mich, mein Leben lang: meine Geschwister, unzählige Nachbarskinder auf der Straße, unzählige Cousins und Cousinen bei Familienfeiern. Für die Kleineren war ich als Teenager in den Schulferien Babysitter. In der Nachbarschaft war ich beliebter Babysitter und räumte auch gerne die Küchen auf, nebenbei, wenn die Kinder abends schliefen. Ab 14 gab ich Grundschulkindern regelmäßig Nachhilfe.

      Meine Kinder hatten immer viele Freunde, meine Freunde hatten viele Kinder, und auch heute habe ich Besuch von Nichten und Neffen, habe Nachbarskinder um mich, gebe Nachhilfe und lassen mir von den Kindern erzählen, was sie beschäftigt.

      Kinder interessieren mich. Ich mag Kinder. Sehr!