Hedwig v. Knorre

mensch MIT Gebärmutter - ein Puzzleteil zum Menschenbild


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Die früheste Trennung ist die Fehlgeburt. Oh wie Mütter unter Fehlgeburten leiden! Ihr Kind, mit dem sie innerlich verbunden waren, mit dem sie lebten – es ist tot, sie konnten es nicht einmal richtig kennen lernen! Die Intensität ihrer Trauer entspricht der einer alten Person, deren jahrzentelange glückliche Partnerschaft durch den Tod des geliebten Gegenübers beendet wurde. Nach einer Fehlgeburt sind die Worte, „was heulst du denn, kannst doch wieder schwanger werden“ kein Trost. Im Gegenteil.

      Oder später der Verlust eines Kindes. Chronisch kranke Kinder, die sterben – gibt es schwerere Trennungen als diese?

      Doch, gibt es, leider. Viele Tausend Kinder verschwinden pro Jahr in Deutschland, eine Anzahl davon entführt in die Kinderpornografie oder -prostitution.

      Später verlieren Mütter ihre Teenager oder jungen erwachsenen Kinder an die Drogenszene, an kriminelle oder mafiöse Strukturen … es ist nie „egal“! Diese Trennungen bleiben lebenslang ein tiefer Schmerz, an dem Mütter richtig gehend zerbrechen können.

      Doch zurück zur ersten gesunden Trennung von Mutter und Kind, zur Geburt.

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       Geburt

      Die Geburt ist sozusagen die erste aktive „Teamwork“ zwischen Kind und Mutter. Sie agieren zusammen, ähnlich wie zwei Erwachsene beim Sex. Hormone spielen ebenso eine Rolle wie Bewegungen. Wird die Gebärmutterwand während einer Wehe hart, stößt das Kind sich kräftig daran ab und versucht, mit dem Kopf einen Weg zu finden, zu bahnen. Dies wiederum stimuliert über Nerven die Ausschüttung weiterer Hormone, die den Geburtsprozess fördern. Wie der Orgasmus beim Sex, so ist die Geburt des Kindes der Höhepunkt des Geschehens.

      Eine natürliche gesunde Geburt stärkt Frauen ungemein und ihre Kinder ebenso! Das „Wunder des Lebens“ bewältigen, eigenständig - das ist einmalig, nichts kann das ersetzen.

      Die Kinder haben zur Zeit der Geburt eine „Geburtsenergie“. Sie sind auf den anstrengenden Weg in unsere Welt vorbereitet und wollen ihn erleben, wollen ihn bahnen, wollen ihn „gehen“. Die Kompression im Geburtskanal erleben sie als angenehmes „Wach-Küssen“, das sie öffnet und aufnahmefähig macht für ihr Leben in der neuen Welt. Immerhin – bisher brauchten sie weder ihre Lungen noch ihren Verdauungstrakt zum Leben, das hat alles die Plazenta übernommen, und die lassen sie beim Neu-Start komplett hinter sich!

      Der erste Atemzug, das erste Saugen an der Brust, die ersten Blicke in die neue Welt: gibt es etwas wunder-bareres, etwas aufregenderes?! Kann ich mir nicht vorstellen.

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       Wochenbett

      Es ist eine große Umstellung vom Kind im Bauch zum Kind an der Brust. Die erste Zeit nach der Geburt ist so anstrengend und die hormonelle Umstellung so gravierend, dass die Übergänge zur Depression fließend scheinen. „Heultage“ wurde es während meiner Ausbildung genannt, heute heißt es „baby-blues“. Ist ja logisch: die Geburt ist in der Regel sehr anstrengend, anschließend kommt DAS Hochgefühl – und danach Schlafentzug, emotionale Erschöpfung, schmerzende Brüste und Brustwarzen. Dem Kind geht’s nicht besser mit seinen Adaptationsschwierigkeiten. Was ist also oberstes Gebot für diese Tage? Entspannung, Ruhe und nochmals Entspannung.

      Sicher ist eine Geburt ein freudiges Ereignis und keine Krankheit. Aber sie ist für den Körper und die Seele eine immense Umstellung, nicht nur beim ersten Kind. Diese Situation benötigt ganz viel Ruhe. Das soziale Umfeld ist also gefordert, der Mutter eine gute Mutter zu sein und ihr alle nur erdenkliche Alltagsarbeit abzunehmen, damit sie ihrem Kind eine gute Mutter sein kann.

      Zu Beginn sollte das frisch gebackene Mutter-Kind-Paar ganz viel miteinander im Bett liegen, wie das für frisch verliebte Paar sowieso zu empfehlen ist. Optimal liegen beide so entspannt und bequem, dass sie jederzeit einschlafen können. Und wenn sie wach sind, können sie sich verliebt ansehen, streicheln, knuddeln. Der Mund des Kindes soll ganz nah an der Brustwarze sein, soll sie „küssen“. So kann es jederzeit anfangen zu saugen, und wenn es nur 2-3 Züge sind. Wenn es dann wieder Pause braucht – bitte sehr, wir haben alle Zeit der Welt! So gewöhnen sich beide ganz entspannt und ohne Druck an einander und an das neue Leben miteinander.

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       die weibliche Brust

      Im menschlichen Körper gibt es vielerlei Drüsen. Bekannt sind die Schweißdrüsen, die Speicheldrüsen und die Leber als größte Drüse, doch es gibt noch viel, viel mehr. All diese Drüsen haben alle Menschen.

      Doch die Milchdrüsen sind nur bei Menschen mit Gebärmutter angelegt. Darum könnte man auch umgekehrt von „Menschen mit Milchdrüsen“ sprechen, die „auch“ eine Gebärmutter haben. Die beiden gehen sozusagen Hand in Hand. Sie sind zum gleichen Zweck angelegt: einem Kind Leben geben. Zeitliche Reihenfolge: Erst Gebärmutter, dann Milchdrüsen. Die Gebärmutter steht am Anfang des Geschehens. Darum hat dies Büchlein auch diesen Titel bekommen. Doch die Milchdrüsen sind ebenso wichtig, darum gebührt ihnen ein eigenes Kapitel!

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       die milch- und lebensspendende Brust

      Die Milchdrüsen fangen an zu arbeiten, wenn ein Kind in der Gebärmutter heran wächst. Sie sind gut aufgehoben nahe am Herzen, in der Brust. Die weibliche Brust ist insbesondere und primär dazu da, einem Kind Leben zu geben. Nahrung ist Leben - „an der Brust nähren.“

      Das Stillen stimuliert positive Emotionen. Vom nervlichen und Neurotransmittergeschehen her ist es wieder ähnlich wie beim Sex und bei der Geburt: zwei Personen agieren gemeinsam, mit Freude und Lust. Beginnt das Kind zu saugen, melden die Nerven das ans Gehirn. Darauf hin wird Oxytocin ausgeschüttet. Das bewirkt Aktivität der vielen kleinen Muskeln um die Milchgänge, so dass sie die Milch aktiv spendet, manchmal so kräftig, dass Milchstrahlen durchs ganze Zimmer „schießen“! Es kommt vor, dass die Kinder kaum nach kommen mit Schlucken. Das „Wunder des Lebens“ wird beim Stillen nochmal so richtig spürbar!

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       erlebt

      Holte ich eine Frau mit ihrem Neugeborenen aus dem Kreißsaal auf unsere Station, schlief das Kind in der Regel. Die Frau lag auf dem Rücken im Bett und das Kind auf ihrer Brust, beide gut zugedeckt, denn in den Fluren und im Treppenhaus konnte es zugig sein. Ein Kinderbett gab es dann oben bei uns auf Station.

      Einmal hatte sich ein Kind so kräftig an der Brust fest gesaugt, die Mutter in Seitenlage, dass ich die beiden so mit nahm, auch gut zugedeckt. Es war nicht kalt an diesem Tag und darum zu verantworten.

      Doch dann standen wir im Treppenhaus und es kam kein Aufzug. Irgendwer mit Schlüssel hatte alle Aufzüge blockiert, sogar den kleinen Personenaufzug. Natürlich wurde ich ungeduldig – Zeitdruck! - nützte natürlich nix. Lächeln, Ruhe ausstrahlen, warten.

      Vor dem Personenaufzug sammelte sich eine größere Gruppe von Frauen, über 20 Personen, Alter Mitte 20 bis 30 Jahre. Keine Schwangeren. Vielleicht eine Fortbildung, vielleicht eine Verwaltungsexcursion, keine Ahnung. Auch sie waren genervt, weil kein Aufzug kam.

      Spontan hatte ich eine Idee. Ich fragte die Frau in meinem Bett. Sie lächelte und nickte zustimmend. Dann rief ich rüber zu der Frauengruppe: „möchten Sie mal das Schönste sehen, was es in diesem Leben gibt?!“ Befremden. Unsicherheit. Ich wiederholte mein Angebot. 2 bis 3 Mutige kamen zu uns. Ich sagte: „schauen Sie mal!“ und zeigte ihnen das vier-Stunden-alte Neugeborene an der Mutterbrust.

      Ihre Gesichter leuchteten auf! Als hätte man eine große Kerze angezündet! So drehten sie sich zu ihren Kolleginnen um und ermutigten sie, auch zu kommen. Nach und nach, erst zögerlich, dann selbstverständlicher kamen sie näher und warfen letztlich alle einen Blick auf dieses WUNDERbare Bild – und ein Gesicht nach dem anderen leuchtete auf! Das Leuchten blieb auf den Gesichtern, als die Aufzüge kamen und die spontane Versammlung sich auflöste.

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