Hedwig v. Knorre

mensch MIT Gebärmutter - ein Puzzleteil zum Menschenbild


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ob beglückend oder gar leidvoll: es geht VIEL TIEFER als jedes Erleben mit jedem anderen Kind. Es ist einfach so.

      Ich verstehe es. Ich akzeptiere es, und ich bewerte es als normal, gut und gesund.

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       Glücksgefühle

      Wer steht nicht auf Glücksgefühle? Mal ehrlich, die lieben wir doch alle! Wir suchen sie, streben sie an, wollen sie haben … dochwann bekommen wir sie? Und wie? Ist das nicht eine der ganz großen Fragen der Menschheit?

      Die Glücksforschung ist eine spannende Sache. Mehrere wissenschaftliche Disziplinen sind involviert. Es gibt schon Schulen, die „Glücks-Unterricht“ als Fach in den Stundenplan integriert haben.

      Macht Eltern-Sein glücklich? Auch dazu gibt es viel Umfragen und Untersuchungen mit widersprüchlichen Aussagen.

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       Glück und Leid sind messbar

      Sind Glück und Leid messbar? Ja, so ist es. Mimik und Gestik sind bedingt aussagekräftig. Weit aussagekräftiger sind die beiden Stoffe Oxytocin und Cortisol. Sie sind wesentliche Bestandteile des komplexen Neurotransmitterhaushalts in unseren Körpern. Sie finden sich im Speichel. Der Gehalt diese beiden körpereigenen Stoffe kann auf recht einfache Weise nachgewiesen werden. Sie dienen in der Forschung schon lange als markante Indikatoren für „Glück“ und „Leid“.

      Krabbelkindern wurden in verschiedenen Situationen Speichelproben entnommen und auf Oxytocin hin untersucht. Wenn sie mit Frauen zusammen waren, war ihr Oxytocin-Spiegel am höchsten beim Schmusen und Kuscheln. Waren sie mit Männern zusammen, war ihr Oxytocin-Gehalt am höchsten, wenn sie mit ihnen gespielt haben. Kleine Kinder wollen also am liebsten mit Frauen kuscheln und schmusen und mit Männern am liebsten spielen. Das finde ich super interessant!

      Das funktioniert auch bei Tieren. Speichelproben von Zirkustieren wurden in verschiedenen Situationen entnommen und auf Cortisol untersucht: im Käfig, auf Reisen, beim Proben, gleich nach der Vorstellung. Die Proben wurden verglichen mit entsprechenden Tieren in der Wildnis. Auch diesen Tieren wurde in verschiedenen Situationen Speichelproben entnommen und ebenfalls auf ihren Cortisolgehalt untersucht. Überraschendes Ergebnis: Zirkustieren geht es deutlich besser als Tieren in der Wildnis! Erklärung: sie bekommen regelmäßig zu Essen und müssen nicht jagen, was oftmals anstrengend und erfolglos ist. Sie bekommen Zuwendung von ihren Betreuern und Beschäftigung bei Proben und Auftritten. An das Reisen haben sie sich gewöhnt.

      Stress ist bei uns in aller Munde. Alle fühlen sich gestresst. Dass Stress viele Krankheiten begünstigt, ist bekannt. Dann kommt wieder die gute Nachricht des Weges, dass es auch „gesunden Stress“ gibt und wir uns bitte schön nicht so aufregen sollen!

      Stress im negativen Sinn, also Distress, kann über den Cortisolgehalt im Speichel festgestellt werden. Ein zu hohes Maß an Distress ist uns unangenehm, unerfreulich, wir empfinden es als leidvoll. Der Körper erträgt keine Überdosis negativen Stresses. Auf Dauer produziert Distress Schäden und Krankheiten, die dem Kettenrauchen, dem Konsum von Alkohol oder Drogen und anderen nachgewiesenermaßen ungesunden Lebensweisen in nichts nachstehen.

      Frauen sind in unserer Gesellschaft vielfach einem zu hohen Maß an Distress-produzierenden Situationen ausgesetzt. Das gilt leider sehr häufig insbesondere für Mütter. Das ist schlecht für sie und ihre Kinder!

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       Liebe als Fähigkeit

      Was ist Liebe?

      Auf diese Frage gibt es viele Antworten.

      Am profundesten ist mir folgende Sicht: Liebe ist eine Fähigkeit. Sie setzt sich zusammen aus mehreren Fähigkeiten, ist aber in ihrer Gesamtheit mehr als die Summe dieser Fähigkeiten.

      Zu diesen Fähigkeiten gehört in erster Linie ein aufrichtiges Interesse an der anderen Person und in diesem Interesse ein echtes Mitgefühl. Geht es der geliebten Person gut, freue ich mich mit. Geht es nicht so gut, nehme ich Anteil und überlege, wie ich dazu beitragen kann, etwas zum Besseren zu wenden.

      Freundlichkeit, Geduld und Entgegenkommen gehören selbstverständlich dazu. Manchmal muss ich die andere Person wichtiger nehmen als mich selbst, beispielsweise in Zeiten der Krankheit, oder wenn ein Kind nachts nicht schlafen kann, weil es zahnt. Dann kann sogar auch einmal die Leidensfähigkeit gefragt sein.

      Auf solch liebevolle Weise begegnen wir in der Regel nicht „irgendwem“, oder zumindest selten. Je enger wir emotional mit einer Person verbunden sind, desto mehr sind wir in dieser Weise für sie da.

      Rein biologisch ist die engste Verbindung zweier Menschen die Mutter-Kind-Beziehung. Damit birgt sie das größte Potential zur Entstehung der Liebesfähigkeit, um sie optimal lebenslang weiter zu entwickeln.

      Dies Phänomen der Mutterliebe beschäftigt die Menschheit seit ihrer Existenz. Die Literatur ist voll davon, und wo sie pathologisch entartet, steht sie in immenser Kritik. Doch die Mutterliebe an sich ist normal, gesund und natürlich. Trennen wir unbedingt das Subjekt von den Möglichkeiten seines Mißbrauchs! Denn Liebe gibt es nie zu viel. Was als „zu viel Liebe“ bezeichnet wird, ist kranke Liebe.

      Der Mißbrauch der Mutterliebe geschieht weitaus häufiger und intensiver von aussen als durch die Mutter selbst. Autokratische Familienverbände oder Gesellschaften missbrauchen die Mutterliebe für ihre ausbeuterischen und gewalttätigen Zwecke. Dazu später mehr.

      Sehen wir die Liebe als Fähigkeit an, fragen wir uns, wie sie zustande kommt. Ist sie veranlagt und die einen können es von Geburt an besser, andere schlechter und wieder andere garnicht?

      Nein. Es ist ähnlich wie bei der Musikalität. Heute ist erwiesen, dass jeder Mensch mit der Anlage zur Musikalität geboren wird und dass es abhängig ist vom Umfeld, in wie weit die Person Musik machen wird oder nicht. „Ich kann nicht singen“ ist eine tiefe Grundüberzeugung vieler Menschen schon im Kindesalter, doch leider stimmt das nicht. Eltern oder Lehrer haben das Singen nicht gefördert oder gar negative Bemerkungen gemacht, vielleicht auch Kameraden und Freunde. Darum wird nicht gesungen. Und da Singen Training braucht, die Person aber nicht mehr trainiert, ist es logisch, dass diese Person nicht singen kann. Obwohl eine normale Musikalität angeboren ist.

      Ähnlich ist es mit der Liebesfähigkeit. So gut wie jeder Mensch wird mit der Anlage zur Liebesfähigkeit geboren. Doch es ist abhängig vom Umfeld, in wie weit die Person tatsächlich eine Liebesfähigkeit entwickelt oder nicht.

      „Liebe als Fähigkeit“ - diese Sicht ist in unserer Gesellschaft nicht üblich. Liebe als Gefühl, ja, allerdings meist unsicher definiert. Das kann nicht alles sein - und nun? „Liebe gibt es nicht!“ behaupten so manche Schriftsteller und Soziologen. In verschiedenen Fachrichtungen wird Liebe am Rand thematisiert. „Liebe“ sei berechnender Egoismus, rechnen manche Soziologen auf. „Liebe“ sei „nur“ eine Mischung bestimmter Hormone und Neurotransmitter, wissen manche Biochemiker. „Liebe“ sei eigentlich der pure Egoismus, ist die Sicht mancher Psychoanalytiker. Und so weiter.

      Ich sehe das anders. Für mich gibt es Liebe. All diese wissenschaftlichen Aspekte sprechen aus meiner Sicht nicht dagegen, sondern dafür.

      Es ist bezeichnend für unsere so differenzierte Gesellschaft, dass „Liebe“ keinen rechten Platz in unseren Vorstellungen findet. In meinem Leben und in meinem sozialen Umfeld gibt es Liebe als Grundbedürfnis und als Fähigkeit, mit einer normalen Grundanlage und weiter erntwickelt. Liebe macht glücklich: Liebe geben - Liebe nehmen ... Liebe muss fließen wie Blut, wie Verkehr. Von Mensch zu Mensch. Das tut allen gut. Win-win für alle Seiten.

      Soziale Systeme, die auf Liebesfähigkeit basieren, sind gesund und gut für alle. Im Folgenden weitere Aspekte dazu, die deutlich machen, wie wichtig eine gesunde Mutter-Kind-Beziehung für das gesamtgesellschaftliche Miteinander ist.

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