Melissa Jäger

Raetia


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den Qualitäten deines jungfräulichen Körpers überzeugen. Das kann Glycera ihm nicht bieten. Kopf hoch! Und jetzt komm! Ich sehe, dass die Gäste bereits nach dir suchen. Die Hochzeitsfackel ist entzündet. Es wird Zeit für dich zu gehen!“

      Sie stand auf und nahm die Ältere bei der Hand. Gemeinsam traten sie ins Atrium, wo sie von den wartenden Eltern und Gästen freudig begrüßt wurden.

      Unter begeisterten „Talassio!“-Rufen bewegte sich die Prozession auf das Haus des Soterichus zu. Es hagelte Nüsse und anzügliche Bemerkungen.

      An der Tür des Hauses rieb Ilara die Torpfosten mit Öl ein und wickelte Wollbinden um die Scharniere. So ehrte man nach alter Überlieferung den Gott Portunus und die Göttin Cardea. Bevor Lucius seine Frau über die Schwelle des Hauses trug, sprach sie die Formel „Ubi tu Gaius ego Gaia“. Bei diesem feierlichen Schwur, wurde Ilara schwindelig. Ob es an der Hitze lag oder an den Befürchtungen, die sie mit dem Betreten des Hauses ihres Bräutigams verband - Ilara wurde schwarz vor Augen, sie sackte in die Knie. Lucius fing sie auf und trug sie unter lautem Beifall und Jubelrufen über die Schwelle des Hauses. Im Atrium benetzte Tibulla die Stirn ihrer Schwiegertochter mit Wasser aus dem Marmorbecken. Langsam kehrten Ilaras Sinne zurück. Lucius setzte sie behutsam auf dem Mosaikfußboden ab, und als sie sich wieder ein wenig gefangen hatte, reichte er ihr Fackel und Wasserkrug. Unter den neugierigen Blicken der Gäste brachte Ilara den Lares des Hauses die obligatorische Münze als Geschenk dar. Man feierte ausgelassen und fröhlich, bis es dunkel wurde.

      ***

      Lucius freute sich auf die Hochzeitsnacht mit seiner hübschen, jungen Frau. Glycera konnte er ohnehin momentan kaum treffen. Schließlich war Rufus wieder in der Stadt. Mit wachen Augen beobachtete er die eleganten Bewegungen Ilaras. Sie sah großartig aus! Er konnte es kaum erwarten, sie endlich in sein Cubiculum zu führen.

      Als es dunkelte, verschaffte sich der Bräutigam Gehör. Er nahm Ilaras Hand, dankte allen Gästen für ihr Kommen und die schönen Geschenke, die auf dem großen Tisch im Atrium lagen. Er bat alle, doch recht fröhlich weiterzufeiern, er und seine Gattin hätten noch etwas zu erledigen. Dabei zwinkerte er Ilara anzüglich zu. Er zog seine Braut zur Treppe. Von seinen Freunden, den Familienangehörigen und einigen Schaulustigen wurden sie in die Räume im ersten Stock geleitet. In seinem Wohn- und Arbeitszimmer löste Lucius umständlich den komplizierten Knoten, den die Pronuba in Ilaras Gürtel geschlungen hatte. Sie nahm das Flammeum ab und reichte es an Alpina weiter, die errötend inmitten jubelnder Festgäste stand. Bedeutete das Übernehmen des Schleiers doch, dass sie als nächste Kandidatin verheiratet werden würde.

      Elvas und Tibulla begleiteten Ilara ins Cubiculum und zogen sie dort aus. Ilara versteckte sich schamhaft unter der Decke und wartete auf ihren Bräutigam.

      Der ließ sich nicht lange bitten, betrat das Cubiculum und schloss unter den anzüglichen Scherzen seiner Freunde die Tür. Das Zimmer mit der großen, breiten Bettstatt, die mit vielen bequemen Decken und Kissen ausgestattet war, wurde nur schwach von einer doppelarmigen Öllampe beleuchtet. Hinter der geschlossenen Tür hörte Lucius die Freunde lärmen. Die sollten nur hören, wie er seine Braut zur Frau machte! In Ilaras Augen flackerte Angst. Sie hatte die Decke bis zum Kinn hochgezogen. Lucius setzte sich an die Bettkante und streichelte Ilaras Wange.

      „Keine Angst, Süße! Ich dachte, du liebst mich? Da wirst du doch keine Angst vor der schönsten Sache haben, die Mann und Frau verbindet, oder?“

      Ilara versuchte zu lächeln. Irritiert blickte sie zur Tür. Draußen war Gelächter zu hören. Lucius nahm ihre Hand.

      „Lass die doch ihre Scherze machen, die Kerle. Sie sind nur neidisch. Konzentriere dich lieber auf das hier!“

      Er führte ihre Hand zu seinem erigierten Penis und versuchte die kalten Finger zu ignorieren. Dann schlug er mit der anderen Hand die Decke zurück. Ilara war schlank und ihre kleinen Brüste hoben sich mit den steil stehenden Brustwarzen jungfräulich von ihrem Brustkorb ab. Schnell wie ihre Atemzüge hoben und senkten sie sich. Lucius begann sie zu streicheln. Ilara blieb stocksteif liegen. Sie machte keine Anstalten, seinen Penis zu massieren oder sich ihm zu öffnen. Also musste er nachhelfen.

      Die Sache war bald vorbei. Ilara hatte nicht geschrien, aber ihrem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass sie Schmerzen hatte. Tränen glitzerten in ihren Augenwinkeln. Lucius stand auf und reinigte sein bestes Stück mit einem weißen Tuch. Die Blutspuren würde er als Zeichen seines Erfolgs als Ehemann den feiernden Gästen zeigen. Bevor er das Cubiculum verließ, strich er der zitternden Ilara erneut über die Wange. Er tröstete sie.

      „Es tut nur am Anfang weh, Kleine. Bald wirst du dich daran gewöhnt haben.“

      ***

      Nachdem sich das Brautpaar zurückgezogen hatte, feierten die Gäste im Erdgeschoss des Hauses weiter. Alpina half den Hausdienern und Celsa, die sich ganz selbstverständlich dem neuen Haushalt unterordnete, beim Aufräumen. Sie musste sich beschäftigen, zu sehr schwirrte ihr der Kopf von all den Ereignissen des Tages. Grübelnd, was sie von der ernsthaften und zugleich so persönlichen Bitte halten sollte, Clementianus beim Vornamen zu nennen. Der Vorname war in der Regel Familienangehörigen und guten Freunden vorbehalten. Musste sie ihren Eltern davon erzählen? Schließlich gebot es sonst die Höflichkeit, dass sie den Ritter ehrerbietig behandelte. Doch er selbst hatte die Grenze überschritten, er hatte mit den Vertraulichkeiten begonnen.

      Alpina hatte nicht lange Zeit, über ihr neues Verhältnis zu Claudius nachzudenken, denn Lucius war bereits kurz nachdem er die Festgemeinschaft verlassen hatte, um mit Ilara zusammen zu sein, wieder unter den Feiernden. Stolz zeigte er ein weißes Taschentuch vor, auf dem die Blutspuren der erfolgreichen Entjungferung zu sehen waren. Entsetzt beobachtete Alpina, wie Lucius mit dem Blut ihrer Schwester prahlte. Sie musste zu Ilara! Die ältere Schwester würde entweder noch im Trakt des jungen Kaufmanns oder in ihren neuen Räumen sein. Sie suchte nach ihr in der Kammer, in der Ilara den Abend der Verlobung in Schockstarre verbracht hatte. Dort wurde sie tatsächlich fündig. Ilara saß auf dem Bett, die Arme um die Knie geschlungen. Sie hatte die Decke um ihren Körper gewickelt und starrte vor sich hin - ganz so wie an jenem Abend. Alpina sagte zunächst gar nichts, sie legte nur den Arm um die Schulter der Schwester. Eine Weile saßen sie so nebeneinander. Alpina gab der Älteren Halt, bis diese schließlich ihren Kopf an die Schulter der Jüngeren legte. Ilara seufzte. Sie begann leise zu sprechen.

      „Entschuldige bitte, dass ich dir das Flammeum gegeben habe. Ich weiß jetzt, dass es ein Fehler war. Versprich mir, dass du nicht so schnell heiraten wirst! Versprich es!“

      Alpina versprach es. Sie hatte ohnehin nicht das geringste Bedürfnis, den Grammatikunterricht mit dem Cubiculum zu tauschen.

      „War es so schlimm?“, fragte sie die Ältere.

      Ilara nickte. „Es war gar nicht so sehr der Schmerz, als er in mich eingedrungen ist. Viel schlimmer war die Erinnerung an Glycera und ihn. Die ganze Zeit musste ich an die Szene denken, die ich gesehen hatte. Wie sie auf ihm ritt und beide so offensichtlich Spaß hatten. Und ich? Ich lag da wie ein Brett! Versteinert, unfähig das zu genießen, was er so gerne mit dieser Meretrix macht. Immer musste ich daran denken, dass ich es nie schaffen werde, sie auszustechen. Nie!“

      Tränen der Verzweiflung rannen über Ilaras Gesicht.

      Monat Juni, am III. Tag vor den Kalenden des Juli

      Ilara wurde sanft von Celsa geweckt, die sich an die Bettkante ihrer jungen Herrin setzte.

      „Domina Ilara!“ Leise rief sie ihren Namen. Dann wagte sie es, die junge Frau an der Schulter zu berühren. „Domina, Ihr werdet zum Frühstück erwartet!“

      Ilara fühlte sich schlecht. Ihr war übel, ihr Unterleib schmerzte, und der Kopf war wie in Watte gepackt. Blinzelnd betrachtete sie ihre Sklavin. Seit sie ihr diente, war sie noch nie so liebevoll und freundlich zu Ilara gewesen. Meist war Celsa still und verschlossen. Gespräche beschränkten sich auf das Nötigste.

      Celsa lächelte sanft. „Ich weiß, wie man sich fühlt nach dem ersten Mal, Domina.“

      Die