Hedwig v. Knorre

DAS Erste Große BetrugsOpferBUCH


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gehören.

      Ablauf des Experiments

      Der nicht eingeweihten Versuchsperson(L) wurde gesagt: „es handelt sich um ein Experiment zur Untersuchung des Zusammenhangs von Bestrafung und Lernerfolg“. Vor Beginn des eigentlichen Experiments wurde der Versuchsperson (L) ein elektrische Schlags von 45 Volt verabreicht. Das sollte der Versuchsperson (L) die körperlichen Folgen elektrischer Schläge vergegenwärtigen. Zudem wurde der Versuchsperson (L) das an einen elektrischen Stuhl erinnernde Versuchsinventar gezeigt, auf dem der „Schüler“ (S) getestet werden sollte. Diese Versuchsanordnung mit der gewollten Assoziation wurde von den Probanden (L) zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt.

      Der Versuch bestand darin, dass der „Lehrer“ (L) dem „Schüler“ (S) bei Fehlern in der Zusammensetzung von Wortpaaren jeweils einen elektrischen Schlag versetzte. Dabei wurde die Spannung nach jedem Fehler um 15 Volt erhöht. In Wirklichkeit erlebte der Schauspieler, der den „Schüler“ (S) spielte, keine elektrischen Schläge, sondern er reagierte nach einem vorher bestimmten Schema, abhängig von der eingestellten Spannung. Erreichte die Spannung beispielsweise 150 Volt, verlangte der Schau-spieler(S), von seinem Stuhl losgebunden zu werden, da er die Schmerzen nicht mehr aushalte. Dagegen forderte der dabei sitzende Experimentator (V), dass der Versuch zum Nutzen der Wissenschaft fortgeführt werden müsse. Wenn der „Lehrer“(L) Zweifel äußerte oder gar gehen wollte, forderte der Experimen-tator(V) in vier standardisierten Sätzen zum Weitermachen auf. Äußerte die Versuchsperson (L) einen Zweifel, antwortete der Experimentator(V) mit dem ersten standardisierten Satz, auf den nächsten geäußerten Zweifel mit dem zweiten standar-disierten Satz usw. Nach dem vierten Mal, so waren die Standards des Experiments, brach der Experimentator (V) das Experiment ab. Damit die Sätze immer gleich ausfielen, wurden sie vorher mit dem Schauspieler, der den Experimentator spielte, eingeübt, insbesondere auch, um einen drohenden Unterton zu vermeiden.

      Dies sind die vier standardisierten Sätze des Experimentators:

      Satz 1: „Bitte, fahren Sie fort!“ Oder: „Bitte machen Sie weiter!“

      Satz 2: „Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen!“

      Satz 3: „Sie müssen unbedingt weitermachen!“

      Satz 4: „Sie haben keine Wahl, Sie müssen weitermachen!“

      Es gab noch weitere Standardsätze in antizipierten Verlaufs-situationen: Wenn die Versuchsperson (L) fragte, ob der „Schüler“(S) einen permanenten physischen Schaden davon-tragen könne, sagte der Versuchsleiter(V): „Auch wenn die Schocks schmerzvoll sein mögen, das Gewebe (tissue) wird keinen dauerhaften Schaden davontragen, also machen Sie bitte weiter!“ Auf die Aussage des „Lehrers“(L), der „Schüler“(S) wolle nicht weitermachen, wurde standardmäßig geantwortet: „Ob es dem Schüler gefällt oder nicht, Sie müssen weitermachen, bis er alle Wörterpaare korrekt gelernt hat. Also bitte machen Sie weiter!“ Wenn nach der Verantwortung gefragt wurde, sagte der Versuchsleiter(V), er übernehme die Verantwortung für alles, was passiert. Die scheinbare „Versuchsperson“, also der „Schüler“ (S) reagierte auf die Stromschläge mit auf Band aufgenommenen und somit standardisierten Schmerzens-äußerungen. Diese hatten Milgram in Prätestversionen des Experiments zunächst gefehlt, die Gehorsamsbereitschaft war dann aber so hoch, dass er sie hinzufügte.

      

Der „Schüler“(S) war in diesem Fall ein unauffälliger Amerikaner irischer Abstammung und repräsentierte einen Menschentyp, mit dem Fröhlichkeit und Gelassenheit verbunden wurde. Mit dieser Auswahl sollte eine Beeinflussung der Handlungsweise durch eine mentale Disposition des Probanden vermieden werden. Zudem war es wichtig, dass die Versuchspersonen (L) weder von dem Versuchsleiter(V) noch von dem „Schüler“(S) unbeabsichtigt beeinflusst werden konnten. Der „Lehrer“ (L) konnte selbst bestimmen, zu welchem Zeitpunkt er das Experiment abbrechen wollte. Der Versuchsleiter (V) verhielt sich sachlich, seine Kleidung war in einem unauffälligen Grauton gehalten. Sein Auftreten war bestimmt, aber freundlich.

      Die Versuchspersonen wurden über eine Anzeige in der Lokalzeitung von New Haven gesucht, wobei die angegebene Gage von vier US-Dollar plus 50 Cent Fahrtkosten schon für das bloße Erscheinen in Aussicht gestellt wurde. Das Experiment fand in der Regel in einem Labor der Yale Universität statt und war in der Anzeige als unter der Leitung von Prof. Stanley Milgram stehend gekennzeichnet.

      Milgram führte eine Vielzahl von Varianten des Experiments durch. Eine Variation betraf die Nähe zwischen „Lehrer“ und „Schüler“. Dabei wurden folgende vier experimentelle Bedin-gungen gestellt:

       die Versuchsperson(L) konnte den „Schüler“(S) weder sehen noch hören, sie nahm nur einen Schlag an die Wand bei dem Erreichen der 300-Voltgrenze wahr

       der „Lehrer“(L) hörte die Reaktionen des „Schülers“(S) über einen Lautsprecher

       „Lehrer“(L) und „Schüler“(S) befanden sich in einem geschlossenem Raum und

       die Versuchsperson(L) hatte direkten Kontakt zu dem Schauspieler(S).

      In der letzten Versuchsanordnung musste der Proband(L) geschützt durch einen Handschuh, die Hand des „Schülers“ (S) auf eine Metallplatte drücken, die vermeintlich elektrisch gela-den war. Zudem wurde die Präsenz des Versuchsleiters(V) variiert, der entweder direkt im Raum, nur über Telefon erreich-bar oder abwesend sein konnte. Im letzten Fall erfolgten die Instruktionen erfolgten im letzten Fall.

       Ergebnisse

      Folgende Tabelle gibt die Anzahl der Versuchspersonen (Vpn) (n=40) wieder, die das Experiment abbrachen, abhängig von der Stärke der letzten applizierten „Schocks“.

      

Interpretation

      26 Personen(L) gingen in diesem Fall bis zur maximalen Spannung von 450V und nur 14 brachen vorher ab.

      Folgende Tabelle gibt den Zusammenhang zwischen einigen variierenden Versuchsbedingungen, dem Anteil der Versuchs-personen (Vpn /L), die den maximalen Schock versetzten, und die dazugehörige durchschnittliche Schockstärke an.

      

Das Ergebnis des ersten Experimentes war derart überraschend, dass Milgram über zwanzig Varianten mit jeweils abweichenden Parametern durchführte. In der ersten Versuchsreihe waren 65 Prozent der Versuchspersonen(L) bereit, den „Schüler“(S) mit einem elektrischen Schlag mit den maximalen 450 Volt zu „bestrafen“, allerdings empfanden viele einen starken Gewis-senskonflikt. Kein „Lehrer“(L) brach das Experiment ab, bevor die 300-Volt-Grenze erreicht war. In der vierten Versuchsanord-nung, in der die Versuchspersonen den direkten Kontakt zum „Schüler“ hatten, war die erreichte Volt-Stufe am niedrigsten. Die Abwesenheit des Versuchsleiters(V) bewirkte, dass die Gehorsamsrate dreimal niedriger ausfiel als in der Versuchs-anordnung mit seiner Anwesenheit. In einer Versuchsanord-nung, in der Frauen die Elektroschocks austeilen sollten, ergab sich kein signifikanter Unterschied in der Abbruchrate gegen-über Versuchen mit männlichen Probanden.

      Das Ergebnis einer Erweiterung des Experiments im Jahre 1965 war, dass der Anteil der bedingungslos gehorchenden Proban-den(L) stark auf 10 Prozent abnahm, sobald zwei weitere vermeintliche „Lehrer“(Schauspieler) an dem Experiment teil-nahmen, die dem Versuchsleiter(V) Widerstand entgegen-setzten. Befürworteten die zwei „Lehrer“(Schauspieler) allerdings die Fortführung des Experimentes, so folgten dem 90 Prozent der Probanden(L).

      In einer Variante des Versuchs, in der zwei Versuchsleiter(V) den Versuch leiteten und dabei Uneinigkeit über die Fortsetzung des Experimentes vor spielten, wurde das Experiment in allen Fällen von der Versuchsperson(L) abgebrochen. Drängte eine „zweite Versuchsperson“(Schauspieler) statt des Versuchsleiters(V) auf die Fortsetzung des Experimentes, so applizierten „nur“ 25 % der Versuchspersonen(L) den maximalen Schock. Die Autorität des Versuchsleiters blieb erhalten,