Hedwig v. Knorre

DAS Erste Große BetrugsOpferBUCH


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kleines bisschen. Und sie haben Angst, dass es raus kommt. Und darum lügen sie auch nicht so oft.

      Ist Lüge also eigentlich kein Thema? Die Lügen, die ich oben genannt habe, finde ich auch nichts besonders. Die dürfen tatsächlich zum Leben gehören. Für diese Alltagslügen, Notlügen und Gewohnheitslügen haben Menschen ihre guten Gründe. Und im Großen und Ganzen kann man sich trotzdem auf sie verlassen.

      Doch um diese Lügen geht es hier nicht. Hier geht es um Betrüger-Lügen.

      2. Die Lügen der Betrüger

      Betrüger lügen anders als normale Menschen. Die Lügen eines Betrügers sind völlig anderer Natur als alle Lügen, die wir normalen Menschen irgendwie kennen. Sie sind für normale Menschen überhaupt nicht nachvollziehbar. Im Folgenden beleuchten wir die Lüge als Betrugselement.

      2.1. Motivation

      Die Gründe für ihre Lügen sind bei Betrügern völlig andere als bei normalen Menschen. Weder „drängen“

       Not oder

       (psychische) Krankheit inclusive

       Sucht

      zum Lügen, auch nicht

       Überforderung oder

       Hilflosigkeit. Da sind weder

       Realitätsverlust noch

       Kontrollverlust. Es gibt keine

       Notlügen, keine

       Alltagslügen. Es geht nicht einmal darum,

       ein Ziel zu erreichen! „Schnell viel Geld ergaunern“ zum Beispiel kommt erst an zweiter Stelle.

      Hauptmotivation für Betrüger, zu lügen: die Lüge selbst

      Die Hauptmotivation für das Lügen der Betrüger ist die Lüge selbst. Sie lügen, weil sie lügen wollen. Es ist ihr Hobby, ihr Spiel, ihr Sport, ihre Profession, ihre Lebensfreude. Lügen gehört für Betrüger zur Lebensqualität. Sie üben das Lügen und wollen im Lügen immer besser werden. Mitten in der Realität des Lebens lügen sie, weil es ihr Lebensinhalt ist: im Geschäftsleben, im Banken- und Versicherungswesen, in der Politik, im privaten Bereich, und selbstverständlich auch vor Gericht. Es macht ihnen Spaß! Manchmal lachen sie entspannt und wirken damit ungeheuer souverän, anziehend und glaubwürdig – doch in Wahrheit erfreuen sie sich daran, dass sie eben dabei sind, ihre Umgebung massiv zu belügen. Lügen ist Selbstzweck für Betrüger.

      2.3. Kein Unwohlsein, kein Leiden

      Wie fühlen sich Betrüger beim Lügen?

       sie fühlen sich nicht unwohl, im Gegenteil:

       damit sind sie wie der berühmte „Fisch im Wasser“.

       Sie fühlen sich beim Lügen nicht unsicher.

       Kein Gewissen drückt sie, weil sie keins haben.

       Sie leiden nicht darunter, ihre Umgebung zu belügen.

       Darum hören sie auch nicht damit auf, sondern lügen weiter, ihr Leben lang.

       Sie fürchten nicht, dass es raus kommt: das ist für sie eine Herausforderung, sich weiter führende Lügen auszudenken.

       Ignoranz zeichnet sie aus. Der Schaden, den sie ihrer Umgebung zufügen, ist ihnen gleichgültig.

       Sogar Sadisten sind darunter: manche freuen sich schon auf den Moment der Zerstörung ihres Gegenübers...

      2.4. Keine normalen Anzeichen für Lügen

      Weil Betrüger beim Lügen nicht unsicher sind, sich nicht unwohl dabei fühlen und nicht darunter leiden, zeigen sie auch nicht die gewohnten Anzeichen, an denen Lügen normalerweise zu erkennen sind.

      Betrüger zeigen beim Lügen die Emotionen, die sie erfüllen: Sicherheit, Wohlbefinden, Freude, Erfüllung, auch Spaß... also all die Emotionen, die sich bei keinem normalen lügenden Menschen finden. Beim Lügen strahlen sie all das aus, was Menschen gern in ihrem Gegenüber erleben.

      Je erfahrender der lügende Betrüger ist, desto glaubwürdiger kommt er 'rüber! ...auch vor Gericht!

      Mythos

      Eine Weiterentwicklung der Betrüger-Lügen sind die Mythen über Betrugsopfer. Diese irrigen Fehlmeinungen über Betrugs-opfer verhelfen den Betrügern in besonderer Weise dazu, weiter betrügen zu können. Dank dieser Mythen erscheint Betrug den Juristen in den meisten Fällen „nicht greifbar“, und Psychotherapeuten wie auch Psychiater glauben, ihre betro-genen KlientInnen seinen „wirr“. Betrüger haben diese Mythen vor Urzeiten in die Welt gesetzt und halten sie mit ihren subtil-manipulativen Fähigkeiten aufrecht. Sie gehören zu ihrem Tarnsystem. Sie sind Hauptthema des nächsten Kapitels.

      2.5. Motivation zum Lügen • Betrügen: Aspekt Akzeptanz

      Ein Psychotherapeut sagte mir, dass er prinzipiell immer für seine Klienten Position bezieht. Er unterstützt die Person, die zu ihm kommt. Das ist sein Selbstverständnis als Therapeut. Auch einen Betrüger würde er unterstützen, da dieser seine Gründe hätte, zu betrügen.

      Das sehe ich natürlich differenzierter.

      Nicht jeder Betrug ist in meinen Augen verwerflich. Ich akzeptiere eine Mutter ohne Existenzgrundlage, die mit betrügerischen Mitteln versucht, an das Nötigste für ihre Kinder zu kommen. Ich würde versuchen, mit ihr einen Weg zu finden, ihre Kinder ohne Betrug versorgen zu können.

      Im 3. Reich haben manche Beamte falsche Stammbäume oder Ausweise für Juden erstellt. Das war Betrug. Das war natürlich gefährlich im Nazi-System und wenn dieser Betrug heraus kam, konnte es den Beamten das Leben kosten. Für solchen Betrug bin ich voller Hochachtung! Ich werte ihn als Heldentat!

      Der zitierte Psychiater hatten wahrscheinlich noch nie einen Betrüger als Klienten. Vielleicht war seine Aussage unbedacht. Wahrscheinlich schwebte ihm eine literarische Figur vor wie „Felix Krull“ oder den Helden des Filmes „catch me if you can“: intelligente, phantasiebegabte Personen, die sich auf ihre Weise durchs Leben tricksen, ohne irgend jemandem wirklich zu schaden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er an einen Betrüger wie Jochem dachte. Solch eine destruktive Persönlichkeit ist ihm wahrscheinlich noch nie begegnet, weder real noch in seinen Aus- und Fortbildungen.

      Lüge kommuniziert Unwahrheit

      Wie gesagt, wir alle lügen von Zeit zu Zeit, darum wissen wir, wie das geht. Aber unser Lügen ist dilettantisch, nicht professionell. Professionelles Lügen lehren die professionellen Lügner einander. Dazu fälschen sie nicht nur Ausweispapiere, sondern Persönlichkeiten, Gefühle, Lebenserinnerungen und alles, was zum normalen Leben gehört.

      „Lügen – ohne zu lügen“ ist ein sehr wichtiges Element, denn „dann kann dir keiner was nachweisen“. Wie geht das?

       im Gegenüber einen anderen Eindruck erwecken

       z.B. durch Weglassen von Informationen

       „eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge“

       Ablenkung

       Antworten, die an der Frage vorbei gehen

       unauffälliges Vorspiegeln, die Frage nicht verstanden zu haben

       ...usw...

      Auswirkungen von Lügen

      Welche Auswirkungen haben Lügen auf die Umgebung, die Beziehungen? Lüge

       verunsichert – doch