genommen werden.«
Darauf lief ich davon.
Zur Hochzeit trug ich zum ersten und letzten Mal in meinem
ganzen Leben einen Rock (blau mit Metallknöpfen) und ich gab
Sophy mit eigener Hand hinweg. Die Gesellschaft bestand bloß
aus uns dreien und dem Gentleman, unter dessen Obhut sie
während der vergangenen zwei Jahre gestanden hatte. Das
Hochzeitsmahl für vier Personen fand im Bibliothekswagen statt.
Hochzeitsmahl für vier Personen fand im Bibliothekswagen statt.
Taubenpastete, gepökelter Schweinebraten, ein Geflügel, dazu
passendes Gemüse und das Schönste und Beste zu trinken. Ich
hielt eine Rede, der Gentleman hielt eine Rede, alle unsere Späße
hatten Erfolg, und das Ganze nahm seinen Gang wie eine Rakete.
Während des Mahles erklärte ich Sophy, daß ich den
Bibliothekswagen als meinen Wohnwagen benutzen würde,
wenn ich nicht auf der Fahrt wäre, und daß ich alle Bücher für
sie, so wie sie standen, aufbewahren würde, bis sie zurückkäme,
um sie zu verlangen. So ging sie also mit ihrem jungen Gatten
nach China, nachdem wir unter heißen Tränen bitter schweren
Abschied genommen hatten; ich verschaffte dem Jungen, den ich
hatte, eine andere Stelle, und nun schritt ich wie früher, als mein
Kind und mein Weib gestorben waren, mit der Peitsche über der
Schulter allein neben dem alten Gaul her.
Sophy schrieb mir viele Briefe, und ich schrieb ihr viele Briefe.
Gegen Ende des ersten Jahres erhielt ich einen von ihr, der mit
unsicherer Hand geschrieben war:
»Liebster Vater, vor nicht ganz einer Woche wurde mir ein süßes
kleines Töchterchen geschenkt, aber ich bin so wohlauf, daß
man mir gestattet hat, diese Worte an Euch zu schreiben.
Liebster und bester Vater, ich hoffe, mein Kind wird nicht
taubstumm sein, aber ich weiß es noch nicht.«
In meiner Antwort bat ich in vorsichtigen Worten um baldige
Nachricht darüber; da aber Sophy niemals darauf zurückkam, so
Nachricht darüber; da aber Sophy niemals darauf zurückkam, so
merkte ich, daß dies ein schmerzlicher Punkt war, und äußerte
die Bitte nicht wieder. Lange Zeit wechselten wir regelmäßig
Briefe, aber dann begannen sie unregelmäßig zu werden, denn
Sophys Gatte war in eine andere Stelle versetzt worden, und ich
war immer unterwegs. Aber wir dachten immer aneinander,
dessen war ich sicher, mochten nun Briefe kommen oder nicht.
26
Fünf Jahre und einige Monate waren es her, seit Sophy die
Heimat verlassen hatte.
Ich war immer noch der König der fahrenden Händler und meine
Beliebtheit beim Publikum war größer denn je. Das Geschäft
war im Herbst prachtvoll gegangen, und am dreiundzwanzigsten
Dezember des Jahres eintausendachthundertvierundsechzig
befand ich mich in Uxbridge in Middlessex mit gänzlich
ausverkauftem Karren. So trabte ich froh und leichten Herzens
mit dem alten Gaul nach London, um den Weihnachtsabend und
Weihnachtstag allein neben dem Kamin in dem Bibliothekswagen
zu verbringen. Darauf wollte ich mich vollkommen neu mit allen
nötigen Artikeln eindecken, um sie wieder zu verkaufen und das
Geld einzustecken.
Ich habe eine geschickte Hand im Kochen, und ich will euch
sagen, was ich für mein Mahl am Weihnachtsabend in dem
Bibliothekswagen zustande brachte. Es war ein BeefsteakBibliothekswagen
zustande brachte. Es war ein Beefsteak-
Pudding mit zwei Nieren, einem Dutzend Austern und ein paar
Pfifferlingen als Zugabe. Das ist ein Pudding, um einen Menschen
mit allem auf der Welt auszusöhnen, nur mit den beiden untersten
Knöpfen an seiner Weste wird er Schwierigkeiten haben.
Nachdem ich mich an dem Pudding gütlich getan und den Tisch
abgedeckt hatte, schraubte ich die Lampe niedrig und setzte
mich an den Kamin, die Augen auf Sophys Bücher gerichtet, die
das Feuer mit seinem Schein erhellte.
Sophys Bücher stellten mir so lebhaft Sophy selbst vor die Seele,
daß ich ihr rührendes Gesicht ganz deutlich vor mir sah, bevor
ich neben dem Feuer einschlummerte. Das mag der Grund dafür
sein, daß Sophy mit ihrem taubstummen Kind im Arm während
meines ganzen Schläfchens schweigend neben mir zu stehen
schien. Ich war auf der Landstraße, neben der Landstraße, an
allen möglichen Orten, in Nord und Süd und Ost und West,
soweit der Wind im Lande bläst, hier und dort und am anderen
Ort, über die Berge und weiter fort, und noch immer stand sie
schweigend neben mir mit ihrem schweigenden Kind in den
Armen. Erst als ich aus dem Schlaf auffuhr, schien sie zu
verschwinden, als hätte sie noch einen einzigen Augenblick zuvor
an dieser selben Stelle neben mir gestanden.
Ich war durch ein wirkliches Geräusch geweckt worden, und
dieses Geräusch kam von den Karrenstufen. Es war der leichte,
rasche Schritt eines Kindes, das hinaufkletterte. Dieser
Kinderschritt war mir einst so vertraut gewesen, daß ich einen
halben Augenblick lang glaubte, ich würde einen kleinen Geist zu
Gesicht bekommen.
Aber wirkliche Kinderhände berührten die äußere Klinke der
Tür, die Klinke wurde niedergedrückt, die Tür öffnete sich ein
wenig, und ein wirkliches Kind guckte herein. Ein hübsches
kleines Mädchen mit großen dunklen Augen.
Die Kleine blickte mich voll an und nahm ihren winzigen Strohhut
ab, wobei dichte schwarze Locken um ihr Gesichtchen fielen.
Dann öffnete sie ihre Lippen und sagte:
»Großvater!«
»O mein Gott!« rief ich aus. »Sie kann sprechen!«
»Ja, lieber Großvater. Und ich soll dich fragen, ob ich dich an
jemand erinnere.«
Im nächsten Augenblick hing Sophy, ebenso wie die Kleine, an
meinem Hals, und ihr Gatte preßte mir die Hand, während er
sein Gesicht zu verbergen suchte, und wir mußten uns alle
zusammennehmen,