Ralph-Peter Becker

Der Gelbe Kaiser


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du das verstehen?“

      „Ich – ich glaube, du machst dich über mich lustig. Du riskierst dein Leben, Magier.“

      „Keineswegs, Mokk“, fährt der Magier fort, „auch ich kann das Innen des Kristalls nicht verstehen. Aber ich will dir gern erklären, warum es so gefährlich ist, sich der Kräfte des Kristalls zu bedienen …“

      „Achtet jetzt auf die dicksten Lügen dieses Betrügers!“, wendet sich der Häuptling an die Mitglieder des Rats der Krieger, von denen jeder einzelne gebannt den Worten des Magiers lauscht.

      „Um zu verhindern, dass auch nur ein einziges all der bösen Wesen, die in diesem Kristall gefangen sind, jemals entweichen kann, hat der unbekannte Baumeister dieses Kristalls dafür gesorgt, dass der in das Innere der Höllenwelt führende Eingang nur von außerhalb dieser Höllenwelt zu öffnen ist – und er kann nur von innen wieder verschlossen werden! Weißt du, was das bedeutet, Mokk, wenn ich die Pforten der Hölle geöffnet habe?“

      „Es bedeutet“, schaltet sich Hoggo in das Gespräch wieder ein, „dass du dich, wenn du die Wahrheit sprichst, selbst in den Kristall begeben musst, um ihn von innen wieder zu verschließen – und dann selbst zum Gefangenen des Inneren der Kugel, der Höllenwelt, wirst. Die magische Kraft des Kristalls nützt dir nichts.“

      „Du kommst der Wahrheit recht nahe, Hoggo. Du wirst nicht ohne Grund überall wegen deiner Klugheit gerühmt. Was aber, wenn ich jemanden hätte, der sich freiwillig in diese Höllenwelt begeben möchte – und für mich die Höllentore von innen wieder verschließt?“

      „Dann könntest du genau einmal die magischen Kräfte deines Kristalls nutzen. Wer aber fängt die Dämonen ein, die aus der Kugel in unsere Welt entfliehen werden, wenn du erst einmal die Höllentore geöffnet hast?“

      „Du bist wirklich schlau, Hoggo. Derjenige, der die Höllentore von innen verschließt, der wird dafür sorgen, dass keine ungebetenen Gäste in unserer Welt zurückbleiben. Bist du nun zufrieden?“

      „Eine letzte Frage noch, Magier. Wer ist dieser Jemand, der sich freiwillig in die von dir beschriebene Höllenwelt begeben würde?“

      „Das wirst du sehen, wenn wir uns auf ein Bündnis einigen.“

      „Was gibt dir die Sicherheit, dass die Darr nicht wortbrüchig werden?“

      „Jedes Mitglied des Rats der Krieger wird mir etwas von seinem Blut geben, das ich in einem Seelenbeutel an einem sicheren Ort aufbewahren werde. Wenn der Zweck des Bündnisses sich erfüllt hat, dann bekommt ihr den Seelenbeutel zurück und könnt dann wieder tun und lassen, was ihr wollt.“

      „Darauf wird sich keines der Ratsmitglieder einlassen. Diese Forderung ist unverschämt.“

      „Dann werdet ihr unsere Feinde sein und in diesem Fall ist es besser, wenn ich die Achtbeinigen erst die Darr und Gor vernichten lasse, bevor ich sie mithilfe des Kristalls aus der Steppe entferne.“

      „Die Achtbeinigen werden uns hier nicht mehr vorfinden“, ruft Mokk wütend. „Im Morgengrauen werden wir das Lager verlassen und dem Feind entgegen ziehen. Wir wissen sehr genau, dass unsere Feinde sich am Hauptlagerplatz der Gor sammeln. Dort werden wir sie angreifen und sowohl die Gor wie auch die Achtbeinigen vernichten. Weil du mein Gast bist, will ich dir auch nicht verschweigen, dass wir danach in deiner Heimat Jagd auf deinen Vater und dann auch auf dich machen werden. Wie ich immer wieder höre, entwickelt sich Huang der Krieger zu einem sehr lästigen Störfaktor für den Kaiser und bald sicher auch für mich.“

      „Nun, Mokk, ich will mich auch nicht als schlechter Gast erweisen. Darum teile ich dir höflich mit, dass du deine Feinde ziemlich unterschätzt hast und dich daher bald in großen kriegerischen Schwierigkeiten befinden wirst. Du wirst niemanden im Morgengrauen angreifen, weil euer Feind euch während des dunkelsten Teils der heutigen Nacht schon angreifen und töten wird.

      Erbarmungslos wird er ohne Ansehen der Person jedes Leben, ob Krieger, ob Tier töten. Nur die bleichen Gebeine eurer Toten werden als Mahnmal hier von euch zurückbleiben. Und nicht einer von euch wird dem Belagerungsring der Achtbeinigen entkommen, weil sie euch schon längst umstellt haben.“

      „Wimmre du ruhig vor Angst“, spottet Mokk, „unsere Kundschafter hätten uns schon längst gewarnt, wenn …“

      „sie nicht schon längst tot wären“, fällt der Magier in die Rede des Häuptlings, der weitere Späher in alle Richtungen losschickt …

      „Das ist unmöglich. Unsere Späher hätten uns dies längst gemeldet und wären wir von unseren Feinden umzingelt, dann hätten die zuletzt ausgeschickten Kundschafter uns dies schon längst gemeldet.“

      „Meine eigenen Kundschafter“, hält der Magier dagegen, als eine große Eule aus der Dunkelheit im Steilflug auf ihn niederstürzt und sich vorsichtig auf seiner Schulter niederlässt, „melden mir den Tod aller deiner Kundschafter, selbst der, die du vor wenigen Augenblicken losgeschickt hast …“

      „Wenn das so ist“, erklärt Mokk lächelnd, „dann wirst du mit mir und einigen hundert Kriegern auf Kundschaft gehen. Das heißt nicht, dass ich dir glaube. Die Feinde können sich unmöglich schneller fortbewegen, als es die Darrkundschafter tun, die immer mit unseren besten Pferden beritten sind.“

      „Dann scheinst du nicht viel über die Achtbeinigen zu wissen, Mokk. Durch Unwissenheit wurden schon viele Schlachten verloren. Die Achtbeinigen laufen dreimal so schnell, wie deine schnellsten Pferde. Deswegen konnte ihnen auch keiner deiner Kundschafter entkommen. Und deswegen ist es in keiner Weise unmöglich, dass sie dein Kriegslager in der Dunkelheit umstellen konnten.“

      „Ich nehme an, du lügst wie immer. Aber die Möglichkeit, dass du ausnahmsweise die Wahrheit sprichst, will ich in Betracht ziehen.“

      „Dann stell dich darauf ein, dass der Feind in Rufweite bereits auf der Lauer liegt. Und da ich auch weiterhin kein schlechter Gast sein will, teile ich dir mit, dass die Achtbeinigen in der finsteren Nacht genauso gut sehen, wie du am hellen Tag.“

      „Du steckst so voller Lügen“, knurrt der Häuptling, „dass ich Lust hätte, dir jede Lüge einzeln aus dem Leib zu prügeln. Die Krieger sind bereit, wir brechen jetzt auf.“

      _

      Der Magier beugt sich hinunter zu seinem Wolf, dessen flinke Zunge ihm sofort liebkosend durch das Gesicht fährt: „Wir machen es wie immer, mein lieber Wu – du leitest mich durch deine Augen, Nase und Ohren und ich schicke nach deinen Angaben die freundlichsten Grüße von uns und unserem Bogen zu diesen verdammten Achtbeinigen. Dieses Mal wird es gefährlich für uns …“

      Huang und Mokk mit seinen Kriegern sitzen schnell zu Pferd. Doch es hätte keines Pferdes bedurft, um in Rufweite des Feindes zu gelangen, der von allen Kriegern der Darr im Lager unbemerkt, sich in der Dunkelheit dem Lager bis auf hundert bis hundertfünfzig Schritt genähert hatte. Der Bogenschütze zieht einen Pfeil aus dem Köcher, legt ihn an die Sehne und erkundigt sich bei Mokk:

      „Worauf wartest du noch, Mokk? Hat dich plötzlich der Mut verlassen? Gib den Befehl zum Angriff!“

      „Ich sehe hier nichts, was einen Angriff lohnen würde.“

      „Was denn, Mokk – macht die Angst dich blind? Gib den Befehl anzugreifen und du wirst die Feinde schneller zu sehen bekommen, als dir lieb sein wird.“

      „Wenn du so mutig bist, Magier, dann erlaube ich dir, die Leere der finsteren Nacht anzugreifen – und dann sollst du dich schämen!“

      Der Bogenschütze spannt die Sehne, zielt kaum, der Pfeil macht sich leise, kaum hörbar durch das Nachtschwarz surrend auf den Weg. Schon fliegen ein zweiter und ein dritter Pfeil durch die Nacht und dann ist der lautlose Feind auch schon heran.

      Pferde stürzen mit entsetztem Wiehern zu Boden, Knochen splittern, Knochen brechen – Krieger schreien, stürzen, sterben. Wie der Raubvogel aus den Höhen des Himmels sich schnell,