Ralph-Peter Becker

Der Gelbe Kaiser


Скачать книгу

festgelegt wurde.“

      „Du weißt, Magier, dass niemand zu den Darr mit leeren Händen kommen darf?“

      „Ich komme nicht mit leeren Händen, Hoggo.“

      „Wir haben dich sehr genau durchsucht. Du trägst nichts bei dir, was für uns von Interesse wäre. Zeige mir eines deiner vielen Verstecke an deinem Körper, in denen du angeblich ein Vermögen verstecken kannst.“

      „Dazu musst du mir die Fesseln entfernen, wie soll ich sonst in meine Verstecke greifen?“

      „Sogar ich, Magier, der keine magischen Kräfte besitzt, könnte mich selbst von den leichten Fesseln befreien, die wir dir haben anlegen lassen – aber wie du willst“, antwortet Hoggo milde lächelnd und winkt einem der Krieger zu, dem Magier die Fesseln zu entfernen.

      „Nun lass uns sehen und staunen“, muntert Hoggo den Magier spottend auf.

      Der Magier entledigt sich seiner Oberbekleidung, so dass er schließlich mit freiem Oberkörper vor der Menge der verständnislos ihn anstarrenden Krieger steht. Er fordert Hoggo auf, nach versteckten Gegenständen an den entblößten Körperstellen zu suchen.

      „Es ist nichts versteckt oder offen Daliegendes an deinem Körper zu erkennen!“, ruft Hoggo laut und der Magier schließt seine Augen, steht eine Weile regungslos da. Die umstehenden Krieger werden unruhig, beginnen den Magier zu verspotten und auszulachen.

      Seltsam kontrastiert das um sich greifende Gejohle der Krieger mit der augenblicklich einsetzenden Ruhe, die sich bis zur Erstarrung steigert, als der Magier seine rechte Hand in Brusthöhe hebt und sie dann langsam in seinen Leib eindringen lässt. So tief gleitet die Hand des Magiers in seinen Leib hinein, dass sie bis zum Handgelenk darin verschwindet. In die Gesichter der dem Aberglauben der Zeit zutiefst verfallenen Krieger malt das Entsetzen Bilder der Furcht vor dem Unerklärlichen. Selbst der kluge Hoggo und der halsstarrige Mokk wären in diesem Augenblick bereit, alles zu glauben, was der Magier ihnen an Unglaublichem als Wahrheit zu verkaufen gesonnen sein mag.

      Wie den Donnerschlag eines unerwarteten Gewitters in die Lautlosigkeit der Steppe, empfindet jeder der in der Nähe stehenden Krieger die sanfte Stimme des Magiers, der in die Stille hinein leise nach der „Fleischberg“ genannten Frau ruft, die ohne die Erlaubnis ihres Ehemannes zu erfragen, sich schnaufend zum Magier begibt.

      „Zeige mir deinen Ehemann“, bittet der Magier und die Wohlbeleibte zeigt auf den nur wenige Schritte hinter ihr stehenden, breitschultrigen, ungemein kräftig wirkenden Krieger.

      „Ist er der Krieger, der mir seine Lanze an den Kopf gehauen hat?“

      „Ja, das ist er“, piepst die Wohlbeleibte ängstlich.

      „Das nehme ich ihm übel. Geht er mit dir auch so grob um?“

      „Er wird mich wieder verprügeln, wenn ich dir diese Frage beantworte.“

      „Möchtest du ihn bestrafen? Oder willst du ihm alle an dir begangenen Schlechtigkeiten verzeihen?“

      „Wie soll ich ihn bestrafen? Er wird sich wehren und mir sehr wehtun.“

      „Er soll dich nicht wieder quälen und dich auch nicht aus Hohn und Spott jedem Fremden als Ehefrau anbieten.“

      „Ein bisschen Strafe kann nicht schaden, oder?“

      „Du hast Recht“, nickt der Magier der Wohlbeleibten freundlich zu. „Ich werde dir dabei behilflich sein. Siehst du den Kristall in meiner Hand?“

      „Ich weiß nicht, was ein Kristall ist, Magier, aber wenn du das Ding da in deiner Hand meinst – ja, das sehe ich.“

      „Kennst du die Dämonen, die nachts durch die Steppe streifen und manchmal dabei auch Unheil anrichten?“

      „Nein, die kenne ich zum Glück nicht, aber ich habe schon oft von ihnen erzählen gehört.“

      „Weißt du, wo diese Dämonen den Tag verbringen, wo sie wohnen, wenn sie nicht in der Nacht durch die Steppe fliegen?“

      „Nein, das kann kein Mensch wissen, Magier. Diese Frage können nur die Dämonen selbst beantworten. Weißt du es vielleicht?“

      „Ja, ich weiß, wo sie wohnen. Sie wohnen an einem Ort, der so unvorstellbar furchtbar ist, dass die Dämonen immer wieder versuchen, aus ihrem Gefängnis für immer zu entweichen. Es ist die schrecklichste, unvorstellbar düstere Hölle, die ganz besonders bösen Seelen und Geistern vorbehalten ist. Dieser glitzernde Kristall in meiner Hand ist der Höllenein- und -ausgang. Manchmal öffnet sich der Hölleneingang ein ganz kleines bisschen und dann kannst du ein kleines Stück weit in die Vorhölle schauen – furchtbar, sage ich dir. Du musst aber nicht erschrecken. Die bösen Geister können dir nicht schaden, solange niemand sie aus ihrem Gefängnis befreit“, fügt der Magier lächelnd hinzu, als die Wohlbeleibte erschreckt zurückfährt. Er hält den Kristall in Bauchhöhe vor seinen Körper, löst den Griff seiner Hand von der glitzernden Kugel, die einfach da, wo der Magier sie los gelassen hat, frei über dem Steppenboden schweben bleibt.

      „Sie fällt nicht runter – das kann nur das Werk böser Dämonen sein!“, flüstert die Dicke

      erschrocken und ein ungläubiges Flüstern geht durch die Reihen der Krieger.

      „Ja, vielleicht“, lächelt der Magier. „Und nun geh zu dem Grobian, der dir doch eigentlich ein liebevoller Ehemann sein sollte. Ergreife seinen Kopf an den Haaren und ziehe kräftig.“

      „Ich würde ihm schon gerne mal kräftig an den Haaren ziehen, wie er es schon so oft bei mir getan hat – aber er wird sich wehren!“

      „Versuch es nur. Wenn er sich wehrt, dann kannst du dich ja bei ihm entschuldigen.“

      Die Dicke folgt nichts ahnend der Aufforderung des Magiers. Wenig zimperlich ergreift sie das Haupthaar ihres Mannes, der sie schon so lange gequält hat, und zieht mit einem kräftigen Ruck. Ein Aufschrei des Entsetzens geht von der Dicken aus und macht als leises Raunen seine Runde auch bei den rauen Kriegern, als die Dicke nach kräftigem Ruck den Kopf des Kriegers an den Haaren in ihrer Hand hält.

      „Was – was – was soll ich jetzt tun, Magier!“, schreit die Dicke verzweifelt, „Ist mein Mann jetzt tot?“

      „Nein, er ist nicht tot – noch nicht tot. Beruhige dich und bringe den Kopf hierher zu mir. Wir wollen ihn neben dem Eingang zur Hölle schweben lassen. Dann kannst du dich bequem mit ihm unterhalten und er kann schon einmal die Hölle von innen besichtigen.“

      „Nein! Der Kopf wird herunterfallen in den Schmutz“, kreischt die Dicke und fleht den Magier an, ihr den Kopf ihres Mannes abzunehmen.

      „Nimm dir einen Zweig und male eine Linie in den Boden, die vom Kopf deines Mannes zu seinem Rumpf führt“, bittet der Magier die Dicke, die gehorsam tut, was der Magier von ihr verlangt.

      „Wenn du deinen Mann töten willst, dann nimm ein Messer und kreuze damit die Linie, die du eben mit einem Zweig sehr schön gemalt hast. Bedenke aber, dass sein Tod dann unwiderruflich ist.“

      Der Magier wendet seine Blicke jetzt dem Häuptling zu.

      „Mokk, du tapferer Kriegshäuptling der Darr, wenn du mutig genug bist, dann bringe mir jetzt deinen Kopf – sonst hole ich ihn mir.“

      „Das wagst du nicht. Meine Krieger werden dich zerreißen, bevor du in meine Nähe kommst!“

      „Ich will deinen Kopf, Mokk. Deine Krieger können es nicht verhindern.“

      „Was willst du mit meinem Kopf, Magier?“

      „Reden, nur reden. Du kriegst ihn zurück.“

      „Hoggo“, flüstert der Häuptling seinem Vertrauten zu, „rede du an meiner Stelle mit diesem Verrückten. Meinen Kopf jedenfalls kriegt der nicht!“

      „Sag