Peter Peppler

Samui und zurück


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hätte ich noch gesagt: “Endlich wieder daheim!”. Aber jetzt war alles anders und ich war noch immer nicht mit mir selbst einig, ob es überhaupt richtig war, wieder hierher zu kommen. Die Maschine wendete und rollte auf ihre Park Position, wo bereits die pittoreske, bunt mit Inselmotiven bemalte Zugmaschine des Samui Airport Shuttles mit ihren fünf Anhängern wartete. Irgend etwas mit meinem Magen stimmte ganz und gar nicht. War vielleicht doch keine so gute Idee mit dem Singha in Don Muang nach den schätzungsweise 15 Singha und Chang gestern über den ganzen Tag verteilt. Immerhin waren rund um die Gepäckausgabe unter dem palmgedeckten Dach einige Standventilatoren aufgestellt und es wehte ein angenehmes Lüftchen. Der Gepäckwagen mit seinen drei Anhängern kam mit surrendem Elektromotor an und unter den ersten abgeladenen Gepäckstücken war auch mein Trolleykoffer, die blaue Umhängetasche war auf dem zweiten Wagen. Ich schleppte mein Gepäck zu der Reihe wartender Taxis, stieg ein, sagte nur: “Smile House, Bo Phut Beach, please“ und hatte absolut keine Lust, mit dem Fahrer eine Konversation anzufangen.

      Wohin ich auch schaute entlang der Straße, so gut wie nichts war unverändert geblieben seit ich vor drei Jahren zum letzten Mal hier war. Angefangen mit der überdimensionierten neuen Pier am Big Buddha Beach für Kreuzfahrtschiffe in der Traumschiff-Größenordnung über die zahllosen neuen Bungalowanlagen bis hin zu den neu erbauten Luxusresorts kurz vor Ban Bophut. Und der Ort selbst war fast gar nicht mehr wiederzuerkennen. Nicht mehr viel war übrig geblieben von dem verschlafenen Fischerdorf, in dem ich vor zwanzig Jahren so gut wie jeden Einheimischen mit Namen kannte. Überall neue Restaurants, Bars, Boutiquen und Hotels überwiegend in der Hand von Deutschen, Schweizern, Österreichern, Engländern, Skandinaviern oder Australiern.

      Am Smile House angekommen zahlte ich den horrenden Fahrpreis von 250 Baht, schulterte die Fototasche, hob die Thai-Tasche und zog meinen Trolley über die Straße. Es war ein seltsames Gefühl, so mutterseelenallein hier anzukommen, mir schien plötzlich alles so fremd. Nicht einmal ein Anflug von Freude darüber, endlich mal wieder hier zu sein, nur Leere und Gleichgültigkeit. Ich sah mich um, es war sehr ruhig für diese Jahreszeit, die Liegen am Pool leer und im Becken so gut wie nichts los und in das Restaurant schielend zählte ich vier Gäste. An der Rezeption standen zwei Mädchen und diskutierten vor dem Computer. Die eine war Katai, die andere kannte ich nicht. Katai schaute auf, sagte gewohnheitsmässig ihr freundliches ‘Sawadee kah’, stutzte, deutete mit dem Zeigefinger auf mich und sagte, mit leicht fragendem Unterton: “Pita? Pita! Hey, willkommen im Smile House! Wo ist Meou?”. “Sawadee krap Katai, ich bin allein, weisst du nicht, dass wir geschieden sind?”. Sie zuckte mit den Schultern, seufzte ein wenig und meinte: “Doch, sie hat es mir letztes Jahr erzählt, als sie mit ein paar Freunden hier war, aber hätte ja sein können, dass ihr wieder zusammen seid. Wie lange willst du bleiben?”. “Zwölf Tage, am sechsten März fliege ich wieder nach Krungthep. Nicht viel los hier zur Zeit, oder?”. “Nein, eine Menge Buchungen sind gecancellt worden wegen der Terroranschläge in den letzten Wochen. Ich gebe dir S4, ist das OK?”. Ich drehte mich um in Richtung Pool, überlegte kurz und erinnerte mich. “S4 ist rechts, ja?”. Das bedeutete: Sonnenaufgang auf der Veranda und Schatten am Nachmittag. Sie reichte mir das kleine Brettchen mit der blauen Filzschreiber-Aufschrift ‘S4’ und einem Ring mit Schüssel daran. “Genau. Kommst du klar mit deinem Gepäck, ich sehe, du hast nicht viel. Ich kann im Moment nicht weg hier, wir haben Probleme mit dem Computer, komplett neues Reservierungsprogramm und keiner weiss, wie es funktioniert“. Ich lachte. “Ist schon OK, ich geh dann erst mal auspacken, bis später“.

      Ich schleppte meine Sachen über den sandigen Parkplatz am Pool vorbei über den Rasen zum Bungalow S4, öffnete die Tür und hatte endlich doch so ein wenig dieses ‘wieder daheim’-Gefühl. Koffer und Tasche legte ich aufs Bett, räumte meine Klamotten in den Wandschrank und stellt die kleine Kaffeemaschine auf das Tablett mit den Gläsern auf dem Kühlschrank. Meine Breitling zeigte viertel nach eins, ich nahm sie vom Arm und steckte sie in das Seitenfach der Kameratasche zu meinen Papieren. Da ich nicht die geringsten Anzeichen von Hunger oder wenigstens Appetit verspürte, beschloss ich, ein wenig am Pool vor mich hinzudösen, zog meine Badehose an, nahm das Teleobjektiv aus der Fototasche, steckte statt dessen die Suntan Lotion hinein, warf mir mein Strandhandtuch über die Schulter und schlenderte gemächlich zum vorderen Pool.

      Es war Ende Februar, Hauptreisezeit, das Smile House, wie auch alle anderen Hotels und Bungalow-Anlagen normalerweise ausgebucht, aber zur Zeit war alles ruhig. Ich nahm die vier Stufen hoch zum Pool, schaute mich um und schlenderte weiter. Ein Pärchen schmuste auf der rechten Seite im Schatten, auf einer Liege las ein älterer, bärtiger Mann in einem Buch und auf der linken, der Sonnenseite, waren drei Liegen mit Handtüchern bedeckt und Taschen und Gläser standen daneben. Im Pool spielten drei Mädels mit einem großen roten, aufblasbaren Wasserball und unterhielten sich auf deutsch, wie ich im Vorbeigehen hören konnte. Die pralle Sonne wollte ich zugunsten meines Hangovers inklusive Kopfschmerzen erst einmal vermeiden und nahm die Liege unter dem Sonnenschirm in Beschlag, so dass zwischen meiner und den drei mit den Handtüchern noch eine Freie stand. Ich machte es mir auf meinem Handtuch bequem, steckte ein Roth-Händle an, holte den MP3-Player aus der Tasche und setzte die Kopfhörer auf. Zum Musikhören war ich absolut nicht aufgelegt mit meinem kaputten Kopf, es war lediglich so eine Art ‘Bitte nicht Stören’-Signal, deshalb liess ich den Player ausgeschaltet. Ausserdem konnte ich so mitbekommen, was um mich herum vor sich ging.

      Mit halb geöffneten Augen hinter der Sonnenbrille sah ich den Mädels zu, die sich kichernd den Ball zuwarfen. Sie mochten alle drei wohl so um die 30 sein, eine war besonders hübsch mit langen, fast weissblonden Haaren und einem ordentlichen Sonnenbrand auf den Schultern. Gelegentlich schauten sie zu mir herüber und schienen sich auch kurz über mich zu unterhalten, aber verstehen ich konnte nichts. Es dauerte keine fünf Minuten, da flog mir der Ball auf die Beine und rollte hinter meine Liege. Ich lächelte den Mädels zu, winkte in ‘Ist-nichts-passiert’-Manier mit der Hand, setzte die Kopfhörer ab und begann, meine nassgespritzte Sonnenbrille abzutrocknen. Die Brünette mit dem schwarzen Bikini kletterte aus dem Pool und kam auf mich zu, begann mit “Sorry,..“. entdeckte die Packung Roth-Händle auf dem Handtuch am Fussende der Liege und fuhr fort: “ah, Roth-Händle, du bist auch aus Deutschland?”. “Ja”, antwortete ich, noch immer an der Sonnenbrille reibend, “Peter, aus Bad Nauheim“. Sie reichte mir lächelnd ihre Hand.

      “Ich bin Lena aus Hannover, die Blonde da ist meine Freundin Tina und die andere ist Leonie aus Kassel, sie ist alleine hier. Tut mir leid, war keine Absicht“. Umständlich griff ich hinter das halb aufgerichtete Kopfteil meiner Liege und rollte den Ball nach vorne. “Danke. Du bist gerade angekommen?”. “Ja, vor ‘ner Stunde, bin noch etwas müde“. “Komm mit ins Wasser, dann wirst du wach“. “Später, ich bin jetzt einfach zu faul“. Sie lachte. “Ging mir am ersten Tag genauso“, warf den Ball ins Wasser und sprang hinterher. Nach etwa zehn Minuten kamen sie dann alle drei aus dem Pool, trockneten sich kurz ab und setzten sich auf ihre Liegen.

      Lena steckte sich eine Zigarette an und winkte mir zu. “Hey, Peter, komm doch zu uns rüber,” und deutete auf die noch freie Liege. Ich sah prüfend nach oben, dann hinter mich, stand auf, rückte den Sonnenschirm einen guten Meter nach links hinter die freie Liege, holte noch Handtuch und Tasche und machte es mir dort bequem. Die Dunkelhaarige mit dem glitzernden blauen Badeanzug saß auf der Liege neben mir und hielt mir lächelnd ihre Hand entgegen. “Hallo, ich bin Leo. Lena sagt, du bist aus Bad Nauheim. Ich war noch nie da, habe aber mal eure Eishockeymannschaft gegen unsere Kassel Huskeys spielen sehen. Ist doch schon mal ein Anfang, oder? Wie lange bleibst du?”. “Zehn oder zwölf Tage, weiss nicht genau, müsste ich im Ticket nachsehen“. Sie war so etwa einsfünfundsechzig und schätzungsweise Anfang 30, hatte ein wirklich hübsches Gesicht und dunkelbraune Augen, war aber für ihre Größe und meine Ansprüche ein wenig zu breit um die Hüften. “Ich gehe mal an die Bar und hole was zu trinken, soll ich dir was mitbringen? Ich sehe, du hast gar nichts“. “Nein, vielen Dank“, erwiderte ich, “habe im Moment keinen Durst.”

      Sie drehte sich um. “Lena, Tina, soll ich euch etwas mitbringen?”. Tina, die Weissblonde mit dem gelben Bikini und einer tollen Figur, winkte ab. “Nein, danke, nachher gibt’s noch genug Bier“. Und, nachdem Leo losgetrabt war, zu mir gewandt: “Hallo, ich bin Tina, hier gibt es später noch ‘ne Party.