Peter Peppler

Samui und zurück


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Typen aus Rosenheim“, erklärte sie, “fahren in Deutschland Harleys, haben sich hier jeder eine gemietet und donnern jeden Tag dreimal um die Insel. Und ‘Captain Bavaria’, das ist Joss, der Chef der Truppe, hat heute Geburtstag. Heute morgen hat er gesagt, sie bringen aus dem Supermarkt in Chaweng Weizenbier mit, soviel sie auf den Maschinen transportieren können, ich bin ja mal gespannt!” Captain Bavaria, dachte ich, da hat wohl einer zu oft Peter Fonda als Captain America in Easy Rider gesehen.

      Kaum hatte sie den Satz beendet, da bogen die vier Harleys lautstark von der Straße auf den Parkplatz vor dem Pool ein, an jeder hingen zwei gut gefüllte Taschen am Lenker. Sahen schon wild aus, die Typen. Alle vier trugen Jeans, Motorradstiefel, T-Shirts und darüber ärmellose schwarze Jacken mit dem Harley Davidson Schriftzug auf dem Rücken, aber keinen Helm. Sie stellen die Motorräder ab, nahmen die Taschen und drei von ihnen machten sich auf in Richtung Bungalows, während einer mit einem leuchtend roten Tuch im Piratenlook um den schwarzen Lockenkopf gewickelt herüberwinkte und mit einer Tüte in der Hand die Treppe zum Pool heraufkam. “Hey Mädels, ich hab euch was mitgebracht! Der Rest muss erst noch mal in den Kühlschrank”. Er setzte sich auf das Fußende von Lenas Liege und atmete erleichtert auf. “Meine Fresse, war das eine bescheuerte Fahrerei mit der Sauferei am Lenker, habe beinahe meine Harley geerdet, vorne in der Kurve vor der Ampel”. Aus seiner Jackentasche fingerte er ein dickes, rotes Helvetia Taschenmesser und begann, eine Flasche Paulaner Hefeweizen aus der Tüte nach der anderen zu öffnen. “Ist noch ganz gut kalt, kann man so trinken“, meinte er, reichte Lena und Tina eine Flasche und sah dann auf mich.

      “Das ist Peter aus Bad Nauheim, ist heute Mittag angekommen“, stellte Tina mich ihm vor. Er stand auf und ging breitbeinig die drei Schritte bis vor meine Liege und hielt mir seine Hand entgegen. “Hi, ich bin Joss, auch Captain Bavaria genannt. Heute wird gefeiert”, und bot mir mit der anderen Hand ein Paulaner an. “Ja”, sagte ich, “habe ich schon gehört, du hast heute Geburtstag, herzlichen Glückwunsch“, und schüttelte seine Hand. “Aber sorry, ein Bier kann ich jetzt beim besten Willen nicht trinken, mir ist noch ganz übel von der blöden Fliegerei, das würde mir mit Sicherheit den Rest geben“. Er lachte. “Kenn ich, nach meinem ersten Trip war ich auch am Anfang etwas neben der Spur, da musst du halt durch. Jetzt bin ich zum fünften Mal hier, da ist das alles Routine!”. “Dann besteht ja noch Hoffnung für mich“, bemerkte ich erleichtert.

      Die drei anderen kamen die Treppe zum Pool herauf, grüßten mit “Hallo” an mich gerichtet, und “Hallo Mädels”, bückten sich nach einem bereits von Joss geöffneten Paulaner und hockten sich auf die Steinplatten an den Beckenrand vor die Liegen. So auf Mitte 30 schätzte ich sie alle, einer sah etwas jünger aus. “Das ist Richie“, begann Joss die drei vorzustellen, “war schon zweimal mit mir hier, das ist Ecki und das ist Barney, beide auch schon einmal mit dabei gewesen“. Er fühlte sich offensichtlich ernsthaft als der absolute King. Leo kam von der Bar zurück, einen Teller mit einem Sandwich in der Hand, begrüßte den Harley Club, setzte sich auf ihre Liege und begann zu essen. “Habe euch kommen hören, da hab ich gedacht, Bier habt ihr ja mitgebracht, ein Sandwich ist jetzt wohl sinnvoller“, sagte sie mit halbvollem Mund und Ecki reichte ihr eine Flasche.

      Joss setzte sich auf die Platten neben die anderen direkt vor meine Liege. “Ey Mann“, fing er wieder an, “wenn du Lust hast, kannst du gerne mal eine Inselrundfahrt mit uns machen. Die Mädels haben wir auch schon mitgenommen nach Chaweng, da ist echt die Hölle los, lohnt sich aber kaum vor Mitternacht. Wenn du was von Samui sehen willst, dreh einfach mal mit uns ‘ne Runde. Ich sage ja, ich bin jetzt zum fünften Mal hier innerhalb von sechs Jahren, ich kenne die Insel wie meine Westentasche. Vor zwei Jahren habe ich mir einen Ausrutscher erlaubt in die DomRep, ist aber zum Motorradfahren denkbar ungeeignet. Ich habe noch nicht einmal eine Harley bekommen und musste mit einer alten 750er Honda rumgurken, elend war das. Da lobe ich mir Samui!” Leo hatte kauend zugehört und fügte hinzu: “Kannst du ruhig machen, die Jungs fahren echt ganz vernünftig. Und in Chaweng gibt’s geile Discos!”

      Ich nickte anerkennend, steckte mir eine Zigarette an und sagte: “Danke für das Angebot, aber ich denke, ich mache erst mal ein paar Tage lang gar nichts ausser faulenzen und relaxen. Dann sehen wir weiter, wie lange bleibt ihr denn noch?”. “Wir sind noch knapp über zwei Wochen hier, 16 oder 17 Tage“, antwortete Joss und nahm sich sein zweites Bier. Die Sonne stand schon etwas tiefer. Ich öffnete meine Tasche und warf einen Blick auf die Uhr, es war bereits viertel vor vier.

      Joss neigte sich zur Seite, schaute an mir vorbei auf den Weg zwischen Bungalows und Pool, winkte und rief, breit grinsend “Sawadee krap!” und, wieder an mich gerichtet, erklärte er: “Das war Pak, der Besitzer von dem Laden hier. Latscht den ganzen Tag in abgerissenen Klamotten durch die Anlage wie ein Penner, kaum zu glauben, dass er hier der Oberboss ist. Er wohnt mit der ganzen Familie in der geilen Villa da oben vor den Luxushütten. Ist aber ein feiner Kerl. Ich hatte nur einmal Ärger mit ihm, als wir vor ein paar Jahren mal zu dritt mit unseren Harleys um vier Uhr morgens durch den Garten bis vor die Bungalows gedonnert sind. Richtig sauer war er und hat rumgebrüllt. Aber seitdem sind wir die besten Freunde. Und wenn wir früh morgens aus Chaweng zurückkommen, machen wir die Mühlen schon draussen auf der Straße aus und rollen auf den Parkplatz, damit wir bloß niemanden aufwecken“.

      Da ich befürchtete, mir noch mehr von Joss’ Prahlereien anhören zu müssen, beschloss ich, zum Bungalow zurückzugehen und sagte schläfrig: “Wisst ihr was, ich lege mich mal ‘ne Stunde aufs Ohr, vielleicht geht’s mir dann besser”, steckte Kopfhörer und Zigaretten in die Tasche und warf mir mein Handtuch über die Schulter. “Ja, mach das, komm doch heute Abend zur Geburtstagsparty an die Bar. Falls wir nicht mehr dort sind, findest du uns ein paar Häuser weiter auf der rechten Seite in der Kneipe bei Franz, der hat auch Paulaner“.

      “Danke für die Einladung”, nickte ich, ein kurzes “Ciao, wir sehen uns später“ zu den Mädels und ich stapfte los. Gerade treppab auf der gegenüber liegenden Poolseite, kam Pak von oben den Weg herunter, er hatte wohl nur die drei langen Papierrollen aus seinem Haus geholt, die er unter den Arm geklemmt hielt. Wie üblich in abgewetzten Shorts, einem halbgeöffneten, graukarierten Hemd, das auch schon bessere Tage gesehen hatte und ausgelatschten Flipflops. “ Pita, sawadee krap“, rief er mir lachend entgegen, kam auf mich zu, legte seinen Arm um meine Schultern und drückte mich an sich. “Wie geht’s dir?”, fragte er auf Thai, “Katai hat mir schon gesagt, dass du hier bist, wie lange bleibst du?”. “Zwölf Tage“, sagte ich, klopfte ihm auf den Rücken und löste mich aus seiner Umarmung. “Du hast ja wieder einiges gebaut hier“, sagte ich anerkennend und meinte damit vor allem sein neues Office, den ersten Bungalow auf der linken Seite, direkt gegenüber der Rezeption, der mir beim Einchecken am Vormittag sofort aufgefallen war. “Und die Bungalows sind auch alle renoviert und sehen aus wie neu!” Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Joss und seine Truppe sich zu uns umgedreht hatten und nicht schlecht staunten über das, was sie sahen.

      “Hah, das ist noch nicht alles“, grinste Pak, legte zwei der drei Papierrollen auf die roten Steinplatten des Weges, wickelte mit beiden Hände die dritte Rolle auf und breitete sie vor mir aus. So war er nun mal, wenn er Pläne hatte, konnte er damit nicht hinterm Berg halten. Voller Stolz deutete er mit einer Kopfbewegung nach rechts zum Nachbargrundstück, einem seit mehr als zwanzig Jahren brachliegendem, total verwildertem Areal mit einem verfallenen Holzhaus, einer zwei Meter hohen Betonmauer zur Smile House Seite und verrottetem Lattenzaun um den Rest. “Hier“, nickte er auf den aufgerollten Plan, “das Land ist jetzt endlich freigegeben worden und ich habe es gekauft. Eineinhalb Rai“, das entspricht einer Fläche von hundertfünfzig mal fünfzig Metern, “Platz für zehn neue Bungalows und einen kleinen Pool, nur für Kinder, mit Rutschbahn und einen Spielplatz“. Voller Begeisterung fuhr er abwechselnd mit seinem Zeigerfinger über die Zeichnung und deutete auf sein neues Grundstück, während ich die rechte Seite der Papierrolle festhielt. “In sechs Wochen fangen wir an.” Interessiert studierte ich den Grundriss der Smile House Erweiterung und meinte bewundernd und leicht mit dem Kopf schüttelnd: “Pak, du kannst einfach nicht aufhören, irgendwann gehört dir noch ganz Samui”, worauf er laut loslachte. “Kin kao“, deutete er in Richtung Restaurant, rollte den Plan zusammen und klemmte sich wieder die drei Rollen unter den Arm,