Jürgen Brandt

Ein Flüstern der Vergangenheit


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verwüstet. Der Inhalt aller Schränke wurde gleichmäßig über den Boden verteilt, die Regale geleert und die Matratzen sowie Sofas aufgeschlitzt, sozusagen das Innere nach außen gekehrt. Außerdem wurden alle Bilder von den Wänden gerissen, da vermutlich nach einem versteckten Tresor gesucht wurde.

      Interessanterweise ist auf allen Bildern im gesamten Haus unser Opfer mit einer Frau zu sehen, jeweils in inniger Umarmung. Aber, und das ist das wirklich Bemerkenswerte, auf jedem Foto ist eine andere Dame abgelichtet.

      „Es könnte sein, dass etwas sehr Konkretes gesucht wurde. Nachdem der oder die Einbrecher das Gesuchte offensichtlich nicht gefunden haben, wurde der Hausherr intensiv befragt“, beginnt Jo eine erste Deutung der Spuren.

      „Aber da der Hausherr tot ist, kann niemand sagen, um was es sich gehandelt haben könnte. Wenn es denn überhaupt so war“, ergänze ich. „Und noch weniger wissen wir, ob er es ihnen verraten hat.“

      „Ihnen, ihr oder ihm!“, unterbricht uns Georg.

      Natürlich können wir über die bzw. den Täter noch nichts sagen. Aber immer alle Eventualitäten zu erwähnen, ist doch etwas nervig. Aber definitiv können wir auf die Schnelle nicht feststellen, ob es ein Einzeltäter war oder doch mehrere. Und erst recht können wir nicht sagen, ob hier überhaupt Gegenstände verschwunden sind.

      „Es wurden ein paar Gegenstände bei einem Pfandleiher wiedergefunden“, unterbricht uns ein mir unbekannter Polizist. Ich schaue ihn solange irritiert an, bis er endlich weitere Informationen hervorbringt.

      „Diebeswaren von den letzten Einbrüchen sind wieder aufgetaucht. Ein Pfandleiher aus Kassel hat bei einem angekauften Laptop die Seriennummer kontrolliert und diese auf unserer herausgegebenen Liste wiedergefunden. Und so unglaublich sich das auch anhört, er hat sofort die Polizei informiert.“

      Es gibt offensichtlich doch noch mehr ehrliche Geschäftsleute als ich immer befürchtet habe. Es ist schön, auch mal positiv überrascht zu werden! Nachdem wir die Adresse des Ladens erhalten haben, machen wir uns auf den Weg nach Kassel.

      Das Pfandleihhaus liegt in der Bosestraße, in der Nähe des Schlösschens Schönfeld, ein Kleinod in der Nähe des Botanischen Gartens und des Park Schönfelds. In diesem Schloss bemühten sich schon um 1813 unter anderem die Gebrüder Grimm darum, alte, deutsche Überlieferungen zu sammeln.

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      Schlösschen Schönfeld

      Im Laden werden wir höflich vom Besitzer empfangen. Nach der üblichen Vorstellungsrunde kommen wir schnell zur Sache.

      „Wissen Sie, wer Ihnen den gestohlenen Laptop verkauft hat? Kennen Sie seinen Namen?“, beginne ich direkt.

      „Leider nein. Ich hatte ihn auch vorher noch nie bei mir gesehen. Ich habe hier jede Menge Stammkunden. Gegen Ende des Monats wird es bei einigen oft etwas knapp in der Kasse. Da wird das eine oder andere schnell bei mir verpfändet und am nächsten Monatsanfang wieder ausgelöst.“

      „Können Sie ihn wenigstens näher beschreiben? Das wäre ebenfalls sehr hilfreich!“

      „Nicht wirklich. Es war gerade so ein Gedränge im Laden. Mir fiel nur auf, dass der Typ nicht mit mir handelte, sondern den erstbesten Preisvorschlag annahm. Das machte mich stutzig. Also schaute ich mir, als es im Laden ruhiger wurde, die Sachen, die er mir gebracht hatte, genauer an. Und so habe ich die Seriennummer mit der Liste der Polizei abgeglichen.“

      „Wirklich vorbildlich. Aber können Sie den Mann nicht doch etwas näher beschreiben? War er groß oder klein? Welche Haarfarbe hatte er? Hatte er einen Bart?“

      „Es ging so schnell. Und ich habe ihm nicht direkt ins Gesicht geschaut, sondern nur schnell den Laptop und das andere Zeug begutachtet.“

      “Und wie steht es um seine Kleidung? Gab es da etwas Auffälliges?“

      „Keine Ahnung. Sorry, Chef. Da war gerade die Superblonde von nebenan im Laden und wollte ihr iPod zurückhaben“, gibt er inzwischen ziemlich kleinlaut zu. Eine große Hilfe ist er uns offensichtlich nicht.

      „Und Ihre Blicke hingen verständlicherweise mehr an dieser Lady, als an Ihrem unbekannten Kunden“, wirft mein Partner mit wissendem Unterton ein.

      „Oh, Sie verstehen das sicherlich!“, strahlt der Ladenbesitzer. „Sie hat so zwei prachtvolle, gewaltige …äh… Augen. Sie wissen, was ich meine.“

      „Dann können Sie uns also keinen einzigen Hinweis auf den Verdächtigen geben? Weder Aussehen noch sonst eine Auffälligkeit? Absolut nichts?“, frage ich resigniert nach und bin schon in Gedanken auf dem Heimweg.

      „Außer Spesen nichts gewesen“, murmelt auch Georg in seinen nicht vorhandenen Bart.

      „Nein, ich kann Ihnen leider wirklich nichts über ihn sagen. Es war eben irgend so ´n Typ. Verstehen Sie?“

      „Nicht wirklich, aber trotzdem danke“, verabschiede ich mich bereits bei ihm.

      „Aber ich habe eine DVD der Überwachungskamera, auf dem er zu sehen sein müsste. Hilft Ihnen das vielleicht weiter?“

      „Wenn Dummheit weh tun würde.“, brabbelt Georg nun noch leiser vor sich hin.

      „Ja, das würde uns sicherlich helfen. Könnten wir uns die DVD ausleihen?“ frage ich höflich nach.

      „Aber sicher. Ich habe sie schon bereitgelegt. Bitte sehr! Sie können sie auch behalten. Ich helfe der Polizei doch gerne. Schnell und direkt!“

      Es war weder schnell noch direkt, aber wenn auf der Disk tatsächlich unser Mann zu sehen ist, sei ihm alles verziehen. Jo stand die ganze Zeit nur in sich gekehrt neben uns. Und auch, als wir uns wieder auf den Weg zum Auto begeben, trottet sie uns einfach nach. Sie ist definitiv noch nicht über den Berg.

      Ich habe irgendwo mal etwas über Musiktherapie gelesen und hier, ganz in der Nähe, gibt es einen wunderschönen Klangpfad. Also ab zum Musizieren. Aber zuerst kommen wir an Kassels Botanischem Garten vorbei. Für mein Lieschen ist dies stets ein unerschöpflicher Quell von fantastischen Fotomotiven. Wir beide versuchen, so oft wie möglich zu verschiedenen Jahreszeiten hierher zu kommen, um die mannigfachen Eindrücke wahrzunehmen.

      Aber bereits wenige Meter entfernt geht es hinab zum Park Schönfeld. Eine herrliche Anlage, in der seit einigen Jahren jeden Sommer die Brüder-Grimm-Festspiele an und auf einem der Teiche stattfinden. Genau in diesem Teil des Parks wurden verschiedene Klanginstallationen errichtet.

      Mir bereitet es immer wieder Freude, auf ihnen zu experimentieren. Und mein Partner Georg ist in diesem Sinne sowieso ein großes Kind. Er hämmert wie besessen auf den Basalt-Fächer von K.-J. Dierkes ein. Warum erinnert mich mein Partner nur an eine Figur aus der Muppet Show? Und zwar an den Schlagzeuger -Das Tier-? Allerdings hatte der viel mehr Haare auf den Kopf.

      Nur Jo sträubt sich am Anfang, lässt sich aber dann doch von unserer ausgelassenen Art schnell mitreißen. Am meisten hat es ihr das Klanggeländer an der Treppe zwischen dem ehemaligen Rosengarten, dem jetzigen KlangStelenKlan-Bereich, und dem Teich angetan. Es wurde von dem in Kassel ansässigen Künstler Werner Redeker ersonnen. Immer wieder rennt Jo die Treppen hoch und runter und schlägt mit einem Stock über die Geländersprossen.

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      Die hellen, klaren Töne scheinen durch den gesamten Park zu schweben. Allerdings ergeben sie zusammen mit Georgs hemmungslosen Getrommel und meinen aberwitzigen Versuchen zu musizieren, eine absurde Kakofonie des Grauens. Hoffentlich holt niemand die Polizei wegen groben Unfugs.

      Aber all das ist mir egal, als ich bemerke, wie sich Jo' s Augen langsam wieder aufhellen. So verspielt habe ich sie noch nie gesehen. Endlich kommt sie wieder etwas aus ihrem selbsterwählten Schneckenhaus heraus.

      Wieder im Büro angekommen, finden wir den vorläufigen Autopsiebericht von Dr. Truber auf meinem Schreibtisch vor.