Michael Aulfinger

Sklave und König


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angebunden.

      Als ich alleine auf einem Stein Platz genommen hatte, kreisten meine Gedanken um alles Mögliche. Ich war nicht in der Lage, einen Gedanken zu Ende zu denken. So verwirrt war ich von den gestrigen Geschehnissen. Doch dann überwältigte mich die Müdigkeit und ich fiel in einen tiefen Schlaf.

      So vergingen mehrere Tage. Sobald wir wach waren, drängte es uns weiter nach Osten. Die Landschaft änderte nur soweit ihr Gesicht, indem Berge und Täler sich abwechselten. Steine verschiedener Farben von hell bis schwarz und Sand waren die vorherrschenden Gegenstände, die wir zu Gesicht bekamen. Es war eine öde Gegend. Die eher fruchtbare Landschaft von Ekbatana und unser grünes Tal hatten wir schon weit hinter uns gelassen. Doch das stellte uns vor ein weiteres Problem. Uns fehlten Nahrung und vor allem Wasser. Bald ließen unsere Kräfte merklich nach und unsere Ruhephasen wurden immer länger.

      Mit einem Ruck erwachte ich. Schreckhaft war ich geworden. Die Sonne stand schon höher als erwartet und zeigte an, dass der Tag bereits einige Stunden alt war. Ein Fluchen kam mir über die Lippen, weil ich immer noch bemüht war, so viel Distanz wie möglich zwischen uns und Daiaukas zu bringen. Mein Blick schweifte über den immer noch schlafenden Target zum Pferd. Es brauchte dringend Wasser. Das war das Stichwort, woraufhin auch ich die Zunge über die Lippen lechzte, als ich an das feuchte Nass dachte. Ich stand auf und trat aus der Felsspalte hinaus, um einen Blick auf die Gegend zu werfen. Sie war kahl und gebirgig. In dieser Einöde wuchsen wenige Sträucher. Wir waren an einem zerklüfteten Bergmassiv. Nach Osten hin erstreckte sich hinter einem Hügel ein sandiges Tal, welches mit Felsen verschiedener Größe übersät war. Weit am Horizont erblickte ich die Ausläufer eines weiteren Gebirges, welches noch imposanter wirkte als dieses hier. Die verschiedenen Farbschattierungen der Felsen und Schluchten waren selbst aus dieser Entfernung erkennbar.

      Es waren viele Farsach, bis dorthin. Wenn man bedenkt, dass man für einen Farsach über eine Stunde Fußmarsch brauchte, so wussten wir, was auf uns zukam. Es würde noch ein beschwerlicher Weg bis dorthin werden. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass wir erst dort außer Gefahr sein würden, aber absolut sicher konnten wir nirgends sein. Gleichermaßen hatte ich das Gespür, dass sich ein Suchtrupp auf unserer Fährte befand. Alleine diese Furcht nötigte mich, zum Aufbruch zu drängen. Target schützte zwar Müdigkeit vor, doch zogen wir bald den Berg hinab.

      Der Durst fing an, uns zu quälen, als wir zum Ausläufer der Schlucht gelangten, die uns den Berg hinab ins Tal geleitet hatte. Die Schritte wurden immer kürzer. Aber das war nicht das eigentlich Schlimme. Unsäglicher waren die Gedanken und die Hoffnungslosigkeit, die uns in dieser Situation befielen. Man glaubt, alles sei sinnlos. Man sieht Dinge, sich in nichts auflösen, sobald man näher kommt. Das lässt einen zunehmend an sich selbst zweifeln. Ist es wahr, was man sieht, oder pure Einbildung?

      Dort am Fuße des unwirtlichen Berges staunte ich nicht schlecht, was ich plötzlich zu sehen bekam.

      Als wir um eine Biegung kamen, empfing uns eine kleine grüne Oase. Ungläubig rieben wir uns die Augen. Erneut traute ich ihnen nicht. In einem sonnengeschützten kleinen Tal, wurde Landwirtschaft betrieben. Wir erspähten ein Getreidefeld, welches prächtig zu gedeihen schien. Ein Netz von kleinen Wasserkanälen durchzog das Feld. Eingesäumt war es von verschiedenen Obstbäumen und Palmen. Ich erblickte Orangen und Zitronenbäumen. Auch Datteln und Feigen waren vorhanden. Am Rande der kleinen Oase entdeckte ich auch den Grund für dieses natürliche Kleinod.

      Damals war ich äußerst überrascht, so eine Oase zu finden. Doch heute weiß ich, dass das ganze weite Persien ein Land der Kontraste ist. In einem engen Gebirgstal wie dort, findet man Apfel- oder Pfirsichbäume, während ein kleines Stück weiter Dattelpalmen oder Orangenbäume wachsen. Oft sah ich mit eigenen Augen, dass Wüstensand, oder karges und ödes Gestein, nur durch eine Lehmmauer von dem fruchtbaren Garten getrennt war. Diese Oase kam uns dem Paradies gleich.

      Die Kanäle wurden von einem Brunnen gespeist, der sehr einladend auf uns wirkte. Diese Bewässerungskanäle waren für den Anbau von Obst und Getreide unerlässlich. Ansonsten wären viele Menschen verhungert und verdurstet. Um das kostbare Nass vor dem Verdunsten zu schützen, wurde ein teils unterirdisches Kanalsystem entwickelt. In ganz Medien waren sie zu finden, wie auch in anderen Ländern.

      Sofort steuerten wir durstig darauf zu. Das Pferd war nicht mehr zu halten, da es das Wasser roch. Wir waren ebenfalls vom Durst geblendet und deshalb unvorsichtig.

      Die Strafe dafür folgte auf dem Fuß. Ein Pfeil kam unverhofft aus dem Nichts und verfehlte mich nur knapp. Er bohrte sich genau vor meinen Füßen in das Gras.

      »Stehen bleiben, sonst seid ihr des Todes.«

      Die Stimme kam energisch hinter einem Felsen hervor. Target und ich blieben sofort stehen. Nur dem Pferd waren die Worte egal. Es tat sich gütlich am Kühlen.

      Target und ich richteten unser Augenmerk in jene Richtung, aus der die Stimme zu hören war, aber es war niemand zu sehen. Dennoch zweifelte ich keineswegs an seiner Drohung. Es war ihm sicherlich ernst mit dem Schutz seines Anwesens.

      Der Mann hatte uns auf Farsi angesprochen. Auch ich sprach Persisch neben Medisch, da ich ja unter Medern aufgewachsen war. Außerdem hatten mir meine Eltern Assyrisch beigebracht. Doch nun gab es niemanden mehr, mit dem ich mich in der Sprache meines Volkes unterhalten konnte. Ich gehorchte dem Befehl und antworte ihm ebenfalls auf Farsi.

      »Wir sind nur müde Wanderer, die sich an eurem Brunnen erquicken wollen. Ihr werdet uns doch kein Wasser verwehren?«

      Ohne darauf zu antworten, trat hinter einem Felsen ein älterer Mann von kleiner Statur hervor. Seine Kleidung war bäuerlich einfach. Seinen Bogen hielt er noch immer schussbereit auf mich gerichtet.

      »Seid ihr alleine?«, wollte er wissen.

      »Ja,« antwortete ich.

      »Was wollt ihr hier und wo kommt ihr her?«

      »Das Herr, werden wir dir erzählen, wenn du die Waffe nicht mehr auf uns richtest und wir Wasser getrunken haben.«

      Es hatte wohl Eindruck auf ihn gemacht, dass ich ihn, einen einfachen Bauern, einen Herrn nannte. Ihm war auch nicht entgangen, dass wir unbewaffnet waren. Offenbar war es mir gelungen, ihn von unserer Harmlosigkeit zu überzeugen. Daraufhin senkte er seinen Bogen und rief Anweisungen, ohne uns aus den Augen zu lassen.

      »Dedakas und Beketes, seht nach, ob ihnen jemand gefolgt ist.«

      Wie aus dem Nichts erschienen plötzlich zwei junge Männer, die anscheinend des Bauern Söhne waren. Eilig liefen sie mit gespanntem Bogen den Weg hinauf, den wir gekommen waren.

      Nach einiger Zeit kamen sie zurück und stellten sich zu ihrem Vater. Dass sie die Söhne waren, war nun zweifelsfrei zu erkennen. Ihre Bekleidung war ebenfalls schlicht, wie ein Bauer sie in dieser kargen Gegend trug.

      »In Ordnung, ihr könnt Wasser haben, so viel wie ihr wollt. Wir haben hier eine unerschöpfliche Quelle, die direkt aus dem Berg gespeist wird.«

      Dies ließen wir uns nicht zweimal sagen.

      Nachdem wir uns am kühlen Wasser gelabt hatten, ging es uns merklich besser. Der Bauer wies uns mit einem kurzen Fingerzeig an, in einer schattigen Ecke Platz zu nehmen. Wir bedankten uns. Jetzt lockerte sich des Bauern Gemütszustands und er stellte sich uns vor.

      »Entschuldigt unseren unfreundlichen Empfang. Normalerweise sind wir gastfreundlich, doch treibt sich in letzter Zeit viel räuberisches Gesindel herum. Deshalb können wir nicht vorsichtig genug sein. Mein Name ist Mithrakas und dies sind meine Söhne Dedekas und Bekeles. Und da kommt meine Frau Kamani.«

      Er zeigte auf eine alte Frau, die gebückt aus der sicheren Hütte trat. Ihr ungekämmtes langes Haar hing ihr wirr bis auf den Rücken hinab. Sie trug eine Schüssel und beachtete uns kaum. Nur mit einem kurzen Nicken zeigte sie an, dass sie uns wahrgenommen hatte. Ihr Schritt führte sie zu einem Ofen. Dieser kreisrunde Ofen war zum Brotbacken bestimmt, hatte in der Mitte einen Bauch und war nach oben durch eine schmale runde Öffnung frei. Den Teig, den sie zu flachen Fladen geformt hatte, führte sie mit der rechten Hand von oben hinein und deponierte sie so an der Innenseite, dass sie kleben blieben. Nach einer gewissen