Andreas Model

Die schönsten Märchen aus Kasachstan


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Worte, die noch nie ein Mensch von ihm gehört hatte: »Du sollst fortan mein engster Vertrauter und Freund sein«, sagte der Khan. »Ich möchte, dass keiner meiner Untertanen und kein fremdländischer Herrscher dein Talent und deine Kunstfertigkeit nutzen. Du wirst mit mir in diesem herrlichen Palast wohnen und nur für mich arbeiten.« Von Stund an hegten die Wesire Neid und Ärger gegen den großen Meister, obgleich sie dem Schmied ihr Leben und ihren unendlichen Reichtum verdankten, und sie sannen - jeder für sich allein und auch gemeinsam - darüber nach, wie sie ihm durch üble Nachrede und Verleumdung schaden könnten.

      Der Schmied zog in den Palast ein. Jeden Tag brachte er dem Khan ein auserlesenes Geschenk und jedes übertraf das andere an Erlesenheit und Feinheit. Der Khan fasste immer mehr Zutrauen zu dem Schmied und die Wesire hassten ihn mehr und mehr. Sie verfolgten jeden Schritt des treuherzigen Meisters und bemerkten bald schon, dass er von Zeit zu Zeit ein blaues Blümchen unter dem Hemd hervorholte, es lange betrachtete, dabei die Lippen bewegte, es zärtlich küsste und dann wieder behutsam an die Brust steckte.

      Das meldeten die Wesire dem Khan: »Allmächtiger Khan! Dein Liebling, der Schmied, ist ein Zauberer und Hexenmeister. Den Palast hat er mit Hilfe eines verteufelten Blümchens errichtet, das er vor den Leuten versteckt und er hat sich damit auch deine Gunst erworben. Der Bösewicht führt Gewiss etwas gegen dich im Schilde.« Der Khan war argwöhnisch und aufbrausend. Er ließ sofort den Schmied holen, und als der vor ihm stand, schrie er ihn wutentbrannt an: »Was ist das für eine Blume, die du vor mir versteckst? Gestehe, wenn du Gnade, wünschst.«

      Der Schmied erriet sofort, wer sein Geheimnis verraten hatte, und erzählte, als er die nicht verwelkende Blume hervorholte, dem Khan offenherzig von seiner schönen Frau und ihren Abschiedsworten. »Dieser Unverschämte erdreistet sich, seinen Gebieter zu belügen!« unterbrach der ältere Wesir den Schmied. »Wir wissen sehr gut, dass seine Frau ihn längst vergessen hat und liebend gern den Erstbesten zum Manne nähme. Es gibt keine Frau, die sich nicht von Geld und Geschenken verführen ließe. Wenn der große Khan es erlaubt, will ich den Beweis dafür erbringen.« Der Khan sagte: »Es soll sein.« Den Schmied ließ er, ohne ihm ein Härchen zu krümmen, so lange unter Wache stellen, bis der erste Wesir mit dem Beweis zurückkam.

      Der erste Wesir ritt unterdessen in die Stadt, in der die Frau des Schmieds wohnte, knüpfte mit einem Mann Bekanntschaft und eröffnete ihm seine Pläne. Jener sprach: »In der Stadt und wohl in der ganzen Welt findest du keine Frau, die anständiger und liebender wäre als die Frau des Schmieds. Nur Shalmauys-Kempir kann dir helfen.« Und ohne den nächsten Tag abzuwarten, brachte er den Wesir zu der bösen Hexe.

      Shalmauys-Kempir sagte mit näselnder Stimme: »Fremdling, gibst du mir tausend Goldmünzen, wende ich all meine List auf, um dich mit dieser Frau zusammenzuführen.« Von den tausend Goldmünzen nahm sich Shalmauys-Kempir die Hälfte, die andere Hälfte brachte sie der Frau des Schmieds mit den Worten: »Liebe Tochter, dein Mann zieht durch fremde Städte und hat dich Gewiss längst vergessen. Dieses Geld schickt dir ein ehrenhafter Mann, der dich innig liebt. Er ist ein angesehener und reicher Mann; wenn du zärtlich zu ihm bist, wird er dich mit Gold überschütten und dich glücklich machen.«

      Die junge Frau entgegnete: »Liebe Alte! Der Mann soll mein Gast sein. Ich lasse die Pforte offen. Zeige ihm den Eingang und gehe nach Hause. Ich werde ihn empfangen, wie es ihm gebührt.« Die Alte ging zum Wesir und sagte: »Die Frau des Schmieds hat gierig das Geld genommen. Sie willigt in alles ein. Heute Abend sollst du zu ihr kommen. Belohne mich nun für meine Mühe.« Der Wesir reichte der Alten eine Handvoll Goldmünzen, so zufrieden war er.

      Als die Dämmerung hereinbrach, war der Wesir schon im Hause des Schmieds. Die schöne junge Frau empfing den Gast lächelnd und scherzend, bot ihm einen Platz am Herdfeuer an und setzte ihm Kumys, Fleisch und Süßigkeiten vor. Aber kaum hatte der Wesir die Hand nach dem Schmaus ausgestreckt, da klopfte es plötzlich heftig an die Pforte. »Wer ist das?« fragte der Wesir erschrocken. Die Frau des Schmieds wusste sehr gut, woher das Klopfen kam. Am Tage hatte sie den Hammer ihres Mannes an die Pforte gehängt, jetzt wurde er vom Nachtwind so geschaukelt, dass er aufs Holz trommelte. Aber die Frau tat, als sei sie auch furchtbar erschrocken, fuchtelte mit den Armen und sagte rasch: »Hochverehrter Gast, das wird wohl mein Bruder sein. Er hält sich Gewiss nicht lange auf. Verstecke dich ein Weilchen im Nebenzimmer.« Damit öffnete sie dem Gast die Tür. Kaum war der Wesir über die Schwelle getreten, da gab ihm die Frau von hinten einen Stoß, und er flog kopfüber in eine tiefe finstere Grube. Die Frau des Schmieds aber lachte aus vollem Halse. Um dieselbe Zeit holte der Schmied, der eingesperrt im Khanpalast saß die blaue Blume hervor und betrachtete sie. Die Blume war frisch und duftete genauso wie an dem Tag, als er sich von seiner Liebsten getrennt hatte. Der Schmied küsste sie zärtlich.

      Am nächsten Tag warf die Frau des Schmieds einen Haufen Schafwolle in die Grube und befahl ihrem Gefangenen, sie zu kämmen. »Sei fleißig, sonst erhältst du mittags keinen Hirsebrotfladen!« So verbrachte der Wesir viele Tage mit dem Arbeiten in der Grube, erhielt zum Mittag einen Hirsebrotfladen, währenddessen der Khan ihn erwartete und zu guter Letzt die Geduld verlor.

      Eines Tages sprach er zum zweiten Wesir: »Anscheinend hat dein älterer Gefährte nichts erreicht, da er es nicht wagt mir unter die Augen zu treten. Es wird euch schlecht ergehen, wenn ihr den Meister verleumdet habt!« Der Wesir war halbtot vor Angst: »Mächtiger Khan«, sagte er, »wir haben dir die reine Wahrheit gesagt. Befehle und ich beweise es dir.« Der Khan sprach: »Es sei!«

      Einige Zeit verging, und dem zweiten Wesir widerfuhr dasselbe wie dem ersten. Nachdem er das Geld umsonst ausgegeben hatte, landete auch er in der finsteren Grube. Dort in der Tiefe sah er einen Mann, der Schafwolle kämmte. »Wer bist du?« fragte der zweite Wesir. »Und wer bist du?« wollte der erste Wesir wissen. Da erkannten sie sich und begannen einander zu schelten, gaben sich gegenseitig die Schuld an ihrem Unglück. Die Frau des Schmieds lachte nur, als sie ihr Gezanke hörte. Dann ließ sie den Spinnrocken in die Grube und befahl dem zweiten Wesir, Schafwolle zu spinnen »Gib acht, wenn du schlecht arbeitest, erhältst du zum Mittag keinen Hirsebrotfladen!« Um dieselbe Zeit zog der Schmied die blaue Blume hervor und sah, dass sie immer noch frisch war und ebenso duftete wie zuvor.

      Der Khan, der vergeblich auf den zweiten Wesir wartete, schickte den dritten zur Frau des Schmieds. »Wenn du in drei Wochen nicht zurück bist, droht dir und den zwei anderen Nichtsnutzen der Galgen.« Voller Sorge und Unruhe und im Vorgefühl des drohenden Unheils begab sich der dritte Wesir auf den Weg, und bald schon traf er, wenn auch ohne Freude, seine Gefährten in der feuchten Grube wieder. Alle drei bezichtigten sich, schuld an ihrem Unglück zu sein. Die Frau des Schmieds aber stand am Grubenrand und lachte. Der neue Gefangene erhielt von der Frau einen Webstuhl und den Auftrag: »Du musst mir in drei Wochen einen schönen Teppich weben. Gehe flink an die Arbeit, sei nicht faul: Es hängt von dir ab, ob du zum Mittag einen Hirsebrotfladen erhältst oder nicht.«

      Einige Tage danach befahl der Khan ihm den Schmied vorzuführen. »Meine drei Wesire sind noch immer nicht von deiner Frau zurück gekehrt. Ich vermute, sie hat sie durch Hexerei ums Leben gebracht. Wenn es so ist, lasse ich dir und ihr den Kopf abschlagen. Haben die Wesire dich aber falsch beschuldigt, wird ihnen eine noch härtere Strafe drohen. Ich selbst will in deine Stadt reiten. Du sollst mich begleiten.« Nach einer Weile zog die prunkvolle Karawane des Khans in die Stadt des Schmieds ein. Als sie sich seinem Haus näherten, bat der Schmied den Khan um Erlaubnis, seiner Frau die Ankunft eines so hohen Gastes ankündigen zu dürfen. Der Khan ließ es geschehen, und der Schmied trat durch die Pforte ein. Als die schöne junge Frau ihren Mann erblickte, warf sie sich ihm an die Brust und in Sekundenschnelle erzählten sie einander alles, was ihnen während der Trennung widerfahren war. Sodann führte der Schmied den Khan, der von drei Leibwächtern begleitet wurde, in allen Ehren in sein Haus.

      Mit Verbeugungen und Begrüßungen hieß die Frau den hohen Gast willkommen. Und sie war so wunderschön, bewegte sich so würdevoll und sprach so klug, dass sich das Herz des Khans sogleich erweichte und er gnädig den Schmaus aus den Händen der einfachen Städterin entgegennahm. Während der Khan mit einer Schale Kumys auf einem schönen Teppich saß, fragte er: »Liebe Frau, sind in der Abwesenheit deines Mannes nicht - einer nach dem anderen - meine drei Wesire zu dir gekommen?«

      »Möge dein Leben ewig sein, großer Khan! Der