Johannes Michels

Bücklers Vermächtnis


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finanziell sehr schlecht wir hatten fast alles verloren. Zu allem Übel erkrankte mein Vater dann schwer. Auf seinem Sterbebett gab er mir dann diese Fotografie.« Sie zeigte auf das Soldatenfoto im Album.

      »Er sagte zu mir, dass dieses Foto sehr viel wert sei. Ich verstand zuerst nicht was er damit meinte. Dann griff er nach meiner Hand, drückte sie ganz fest, soweit es sein geschwächter Körper denn zu ließ, und sagte mir es hätte mit sehr viel Gold zu tun und ich solle auf die Suche danach gehen, damit meine Mutter und ich gut versorgt seien.«

      Sophie griff nach dem Foto. Es war auf dunkelgrünem Pappkarton geklebt, was zur Verstärkung des Bildes diente.

      Dann sah sie sich die Rückseite an. Der Karton war bedruckt mit der Adresse des Fotoateliers, wo das Bild entstanden war.

       Atelier für moderne

       Photographie und Malerei

       Heinrich Schmid

       Strassburg i/Els.

       Schwarzwaldstraße 174

      Sie drehte das Bild wieder um und betrachtete es weiter von vorne. Ihre Neugierde war geweckt.

      »Hast du irgendetwas in Erfahrung bringen können?« Sie löste den Blick von dem Foto und sah zu ihrer Großmutter.

      »Nicht, viel.« Mechthild griff nochmals zum Album und zog ein gefaltetes Stück Papier hervor und reichte es Sophie. »Neben der Fotografie gab mir mein Vater noch diesen Zettel.«

      Vorsichtig nahm Sophie diesen in Empfang und entfaltete ihn. Auf ihm standen Namen und Adressen dreier Männer. Die Wörter waren in Kurrentschrift gehalten. Aber das stellte für Sophie kein Hindernis dar, da ihre Großmutter Jana und ihr diese alte Schreibweise schon früh beigebracht hatte. Trotz der mittlerweile schon sehr verblassten Tusche waren die Buchstaben noch sehr gut zu entziffern und sie spürte wie Interesse und Neugier in ihr aufstiegen. Ohne Mühe konnte sie die Handschrift lesen:

       Oswald Rasche (Klosterstraße, Hagenau)

       Jakob Leffler (Weizengasse, Freising)

       Heinrich Schmid (Schwarzwaldstraße, Strassburg)

      »Hat Urgroßvater dir gesagt was die Namen zu bedeuten haben?«

      »Nein, wie schon erwähnt war er sehr geschwächt. Er konnte mir nichts weiter sagen, bevor er starb.«

      Für einen Moment kehrte Stille ein. Dann brach Sophie das Schweigen. »Hast du versucht diese Männer ausfindig zu machen?«

      Ein bitteres Lächeln zeigte sich bei Mechthild »Nach dem Tod meines Vaters ging alles drunter und drüber. Meine Mutter und ich versuchten uns mit Gelegenheitsarbeiten am Leben zu halten. Da war keine Zeit und auch kein Geld für großartige Nachforschungen. Erst Jahre später, als sich unsere Situation ein klein wenig verbessert hatte, fiel mir die Fotografie und der Zettel mit den Adressen wieder ein. Ich schrieb an den Mann in Freising einen Brief, aber ich erhielt nie eine Antwort.«

      »Und was war mit den beiden anderen Adressen?«

      »Nun, seit dem Krieg gehören sie zu Frankreich. Zur damaligen Zeit, so kurz nach dem Krieg, war das deutsch-französisch Verhältnis immer noch sehr feindselig. Ich erwartete von dort keine Kooperation, deshalb versuchte ich es erst gar nicht. Später, als es uns wieder besser ging, war es für uns einfach nicht mehr so wichtig und es geriet in Vergessenheit.«

      Mechthild bot ihrer Enkelin an, nochmals Kaffee nachzuschenken. Aber Sophie verneinte. Ihre Gedanken drehten sich weiterhin um diese mysteriöse Geschichte. »Du hast vorhin Jana und Papa in dem Zusammenhang erwähnt.«

      Mechthild nickte zustimmend. »Wie gesagt als ich von den Geldnöten deines Vaters erfuhr, fiel mir plötzlich unsere Situation kurz nach Kriegsende ein und ich erinnerte mich wieder an die Fotografie und die Adressen. Ich wusste, dass ich deinen Vater nicht mit der Geschichte zu behelligen brauchte. Er würde es als Hirngespinst abtun. So erzählte ich Jana davon und da sie doch beim BKA war, dachte ich sie könnte etwas über dieses Foto und die Adressen herausfinden.«

      »Sie war bestimmt Feuer und Flamme.«

      »Das kann man so sagen. Du kennst ja deine Schwester. Geheimnisse und Rätsel waren für sie das Größte. Sie versprach mir gleich nach ihrem Italienurlaub mit den Recherchen zu beginnen. Dann geschah dieser schreckliche Unfall.«

      Sophie spürte erneut diesen bohrenden Schmerz in sich, als sie wieder an Janas Tod erinnert wurde. Sie versuchte so gut es ging den Gedanken zu verdrängen.

      »Aber da gibt es noch einige Fragen auf die ich mir noch keinen Reim machen kann.«

      »Dann raus damit«, forderte ihre Großmutter sie auf.

      »Warum hat mein Urgroßvater nicht schon vorher Kontakt mit den Personen auf dem Zettel aufgenommen?«

      »Das kann ich dir nicht beantworten. Aber ich denke dass er aufgrund seiner schrecklichen Kriegserlebnisse nichts mehr mit alten Geschichten zu tun haben wollte, die ihn unnötig wieder daran erinnert hätten.«

      »Wie hat Urgroßvater dass wohl gemeint. Die Fotografie sei viel wert?«

      »Auch hier kann ich nur Vermutungen anstellen. Vielleicht schuldeten ihm die Personen auf dem Zettel noch Geld?«

      »Aber warum ließ er sich dann auf so ungewöhnliche Weise ablichten. Mit einem Stein und einem Kirchenmodell in der Hand? Und wenn ich dich richtig verstanden habe, sprach er von viel Gold.«

      Mechthild stellte die benutzten Kuchenteller aufeinander und legte die Gabeln sorgfältig obendrauf. »Weißt du ich glaube dein Urgroßvater und die anderen drei Männer haben Gold versteckt und zwar Gold was nicht ihnen gehörte.«

      »Wie kommst du denn darauf?«

      »Na diese ganze Geheimniskrämerei. Warum ein solch merkwürdiges Foto machen lassen, wenn ich nichts zu verbergen habe? Warum rede ich mein ganzes Leben nicht darüber, sondern erst wenn ich im Sterben liege?«

      »Aber du sagtest eben noch, er wollte nicht mehr an den Krieg erinnert werden?«

      »Vielleicht ist das der Grund. Vielleicht ist er es aber auch nicht.«

      Sophie bemerkte plötzlich den inneren Kampf der in ihrer Großmutter tobte. Noch war der Urgroßvater ohne Makel. Wühlte man aber in dieser Geschichte weiter herum, konnten durchaus Dinge ans Tageslicht geraten, die Anton Abel nicht gut da stehen ließen. Andererseits wollte ihre Großmutter aber dieses Risiko auf sich nehmen, um ihrem Sohn in der finanziellen Not zu helfen.

      »Und wie soll es jetzt weiter gehen?«

      »Finde heraus was damals geschehen ist. Finde das Gold, in der Hoffnung, dass wir deinem Vater damit helfen können.«

      Sophies erster Gedanke war, dass ihre Großmutter der Geschichte eine zu große Bedeutung beimaß. Es gab tausend Gründe warum die Suche Zeitverschwendung war.

      »Nehmen wir mal an, wir finden tatsächlich Gold. Könntest du damit leben, dass wir dieses Gold, das uns nicht gehört, dazu verwenden, um Vaters Firma zu retten?« Sophie sah wie sich die Geschichtszüge ihrer Großmutter verhärteten.

      »So viel Zeit liegt zwischen damals und heute. Wem nützt das Gold wenn es nur irgendwo herum liegt?«

      Sophie griff nochmals nach der Fotografie. Dann drehte sie sie um und sah erneut auf die Adresse des Fotoateliers. Ihr Blick wanderte zu dem Zettel mit den drei Adressen.

      »Die Adressen hier stimmen überein,« sie sagte dies fast beiläufig.

      Mechthild sah auf die Rückseite des Fotos:

       Heinrich Schmid

       Schwarzwaldstraße 174

       Strassburg

      Dann auf den Zettel:

       Heinrich Schmid