Johannes Michels

Bücklers Vermächtnis


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Aber ich werde gleich veranlassen, dass Zelte für euch aufgestellt werden.« Der Lagerkommandant rief in Richtung Zeltausgang: »Wache.«

      Ein Soldat trat ein und salutierte vor den Offizieren.

      »Caporal, stellt Zelte auf für den Trupp aus Paris. Und ein gesondertes Zelt für den Chef d’Escadron, mit einer Wache davor.

      »Jawohl, Commandant.« Der Soldat salutierte erneut, machte eine Kehrtwendung und verließ wieder das Zelt.

      »Ich danke dir, mein Freund. Es war ein anstrengender Ritt von Paris bis hier her.« La Fayette löste den obersten Knopf seiner Uniformjacke. Ihm schien warm zu sein.

      »Gab es Schwierigkeiten?«, wollte Lefèvre wissen.

      »Nicht mit irgendwelchem Gesindel. Aber die Straßen hier sind für eine Kutsche alles andere als gut befahrbar.«

      »Trotzdem wart ihr schnell unterwegs.«

      »Napoleon möchte schnellst möglich seine Befehle in die Tat umgesetzt sehen. Da soll es nicht schon beim Überbringen der Depesche zu Verzögerungen kommen.«

      »Nun, morgen wirst du den Präfekten erreichen. Coblence ist nicht mehr weit.« Dann deutete Lefèvre auf die Satteltaschen, die der Chef d’Escadron neben sich abgestellt hatte. »Aber wie ich sehe ist die Depesche nicht das einzige, das der Präfekt erwartet.«

      La Fayette senkte die Stimme, als er antwortete: »Du hast recht und glaube mir eines, ich bin erleichtert wenn ich diese Taschen Adrien de Lezay-Marnesia übergeben habe.«

      Lefèvre nickte verstehend. Dann begann er die Stirn zu runzeln. »Glaubst du es erfüllt seinen Zweck?«

      La Fayette wischte sich eine Schweißperle von der Stirn. »Wir wissen doch beide, dass dieser Frieden nicht ewig halten wird. Und dann ist es besser gewappnet zu sein, nicht wahr? Informationen sind da das Wichtigste und die sind bekanntlich käuflich.« Zur Bekräftigung seiner Worte wies der Chef d´Escadron auf die in schwarzem Leder gehaltenen Satteltaschen.

      Der Lagerkommandant nickte zustimmend. Dann veränderte sich seine Miene und er sah etwas angewidert auf die Bagage herab. »Ich hasse diese Ränkespiele.«

      »Ich auch, aber der Erste Konsul befiehlt und wir gehorchen.«

      Plötzlich schlug Lefèvre mit der Hand auf der Tisch. »Wie sieht es aus. Hast du schon etwas gegessen?«

      »Dafür war noch keine Zeit.«

      »Dann lass uns nachsehen, ob unser Koch noch etwas von seinem berühmten Eintopf übrig hat.« Lefèvre war aufgesprungen und kam um den Schreibtisch herum.

      Auch La Fayette stand nun auf. Allerdings wirkte er etwas skeptisch. »Was meinst du mit berühmt?«

      Der Lagerkommandant begann zu lachen. »Keine Angst, der Koch hasst keine streunenden Katzen.«

      Nicht wirklich überzeugt von der Äußerung seines Freundes griff La Fayette dennoch nach den Satteltaschen und schulterte sie. Dann verließen die Offiziere weiter scherzend das Zelt des Lagerkommandanten.

      Auch Foch löste sich von seinem Platz an der Zeltrückwand. Er kämpfte sich durch den immer noch fallenden Regen zurück zu den Latrinen, wo mittlerweile Laternen aufgestellt waren. Er meldete sich beim Korporal zurück und nahm die Arbeit wieder auf. Aber mit seinen Gedanken war er nicht beim Graben, sondern ganz wo anders. Auch später als er auf seiner Pritsche lag, ließen ihn die Gedanken an das Geschehene nicht los.

      La Fayette schien auf einer bedeutenden Mission zu sein. So viel war sicher. Aber merkwürdig war es schon. Zwanzig Mann um eine Depesche zu transportieren. Der Soldat in der Kutsche, ein Chef d’Escadron, der für diese Truppenstärke einen zu hochdekorierten Rang besaß, dann die schweren Satteltaschen, die er unentwegt mit sich herum schleppte... All das ergab keinen Sinn, dachte Foch. Es sei denn..., sein Herz begann schneller zu schlagen, verstohlen sah er sich im Mannschaftszelt um, als ob jemand seine Gedanken erraten könnte. Aber um ihn herum war es ruhig. Die Soldaten lagen alle im Schlaf und ergaben sich ihren Träumen. Ein monotones Schnarchen lag in der Luft, das von ihrem Schlaf zeugte.

      Es sei denn..., man berücksichtigte die Andeutungen La Fayettes. Dann machte plötzlich alles Sinn. In den Satteltaschen befand sich Geld oder Gold. Dies würde erklären warum die Taschen so schwer waren. Und weiter würde es erklären, warum sich ein Soldat in der Kutsche befand. Es war eine Finte. Sollte, aus welchen Gründen auch immer, dieser Transport nicht geheim bleiben und überfallen werden, so würden die vermeintlichen Räuber ihren Angriff auf die Kutsche konzentrieren. Der Chef d’Escadron hätte flüchten können. Plötzlich wurde Foch auch die Bedeutung des Kavallerieoffiziers klar. Diese Männer waren ausgezeichnete Reiter, mit ihrem Pferd fast verwachsen. Dass dieser sehr gut ausgebildete Offizier einer einfachen Räuberbande, die ohnehin ihre Beute in der Kutsche vermutete, leicht entkommen konnte stand außer Frage.

      Fochs Mundwinkel umstrich ein Lächeln. So musste es sein. Aber warum sollte der Präfekt Adrien de Lezay-Marnesia dieses Geld bekommen? Foch erinnerte sich zurück, was La Fayette sagte: Wir wissen doch beide, dass dieser Frieden nicht ewig halten wird. Und dann ist es besser gewappnet zu sein, nicht wahr? Informationen sind da das Wichtigste und die sind bekanntlich käuflich.

      Dafür brauchte der Präfekt das Geld, um Leute zu bestechen. Menschen, die wichtige Positionen in den Fürstentümern inne hatten, wie exempli gratia die Diener des Staates. Damit Frankreich wusste wie es auf der anderen Seite des Rheins aussah. Truppenbewegungen, Truppenstärke, wirtschaftliche Lage, Stimmung des Volkes, strategisch wichtige Punkte, all diese Informationen waren von enormer Bedeutung für Frankreich. Bedeutend deshalb, um Vorkehrungen treffen zu können, falls dieser Frieden zerbröckelte.

      Foch gratulierte sich selbst zu seinem Scharfsinn. Aber was konnte er mit dieser Schlussfolgerung anfangen? Welchen Nutzen konnte er daraus ziehen? Fest stand, dass es eine ganze Menge Geld sein musste was sich in den Satteltaschen befand, höchst wahrscheinlich war es sogar Gold, wenn man bedachte wie schwer La Fayette daran trug. Die Menge würde mit Sicherheit ausreichen um ihm, Frederic Foch, ein sorgloses Leben zu bereiten. Der Gedanke soviel Geld sein Eigen nennen zu können gefiel ihm. Aber wie könnte er an dieses Geld heran kommen, fragte er sich. Schon morgen war es aus seiner Reichweite. So blieb nur die Nacht zum Handeln. La Fayette hatte die Satteltaschen bestimmt mit in sein Zelt genommen. Er würde sie wie seinen Augapfel hüten, dessen war sich Foch bewusst. Es war ein heikles Unterfangen sich ins Zelt zu schleichen und die Taschen zu stehlen. Dazu kam, dass das Zelt bewacht wurde. Und selbst wenn er es schaffen sollte unbemerkt mit den Taschen das Zelt zu verlassen, wie sollte es dann weitergehen? Foch war hin und her gerissen. Die Verlockung nach Reichtum kämpfte gegen die Angst entdeckt zu werden.

      Er würde sich ein Pferd nehmen und gen Westen reiten, da ihm die Überquerung des Rheins zu gewagt erschien. Da er perfekt deutsch sprach, würde er unter der Bevölkerung keinen Verdacht erregen, er könnte untertauchen und dann einen neuen, ausgereifteren Plan schmieden, um weiter den Fängen der Armee zu entgehen. Je mehr er über das weitere Vorgehen nach erfolgreichem Diebstahl nachsann, umso größer wurde die Gewissheit, dass sein Vorhaben gelingen konnte.

      Der Regen hatte nachgelassen, als Foch sich unter der Zeltwand nach draußen rollte. Nur noch vereinzelte Wolkenfetzen zogen vom Wind getrieben am Himmel entlang und der Vollmond lugte dann und wann zwischen ihnen hervor. Im Lager war es still.

      Die Zelte als Schutz benutzend, schlich sich Foch zum Zelt des Chef d´Escadron. Er wusste genau wo es stand, denn es war das einzige neu aufgestellte Zelt, vor dem ein Soldat Wache schob. Zumindest sollte er dass. Aber der Wachsoldat kauerte neben dem verschlossenen Eingang auf dem Boden und war eingenickt.

      Foch war erleichtert. Das würde die Sache vereinfachen. Darauf bedacht kein Geräusch zu erzeugen, schlich er sich von hinten ans Zelt. Er spürte wie seine Knie zu zittern begannen und sein Herz wie wild in der Brust hämmerte. Es war ein großes Risiko dem er sich da aussetzte und jetzt in diesem Augenblick bestand noch die Möglichkeit umzukehren. Ein innerer Kampf entbrannte noch einmal. Feigheit gegen Mut, Anstand gegen Gier, Vernunft gegen Torheit. Doch noch ehe dieser Kampf ausgefochten war, nahm Foch sein Messer aus der Tasche und durchschnitt die Lederriemen der