Christine Boy

Sichelland


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jetzt wieder der Glatzköpfige. „Wir werden schon wieder was besorgen, aber nicht in der Stadt. Dieser Schönling aus dem Süden treibt sich da rum. Hat wohl mitgekriegt, dass wir hier aufräumen und das Ungeziefer endlich verbrennen, das sich hier wie die Pest ausbreitet! Ha, weißt du noch, diese Missgeburt von gestern? Hat gekokelt wie das Wildschwein hier!“

      Lennys schob sich aus den Büschen heraus.

      „Das reicht..“ zischte sie und verschwand hinter einigen schwarzen Baumstämmen, noch bevor Akosh sie zurückhalten konnte. Hastig robbte auch er aus den Dornen hervor und schaffte es gerade noch rechtzeitig, Lennys ins Dunkel zu folgen, als auch der Kahlköpfige aufstand und dabei genau in ihre Richtung sah. Doch er bemerkte die beiden Cycala nicht und hielt seinem Kumpanen stattdessen den Spieß hin. „Halt mal und lass es nicht verkohlen. Muss mal in die Büsche!“

      Nun trottete er direkt auf die Stelle zu, an der Akosh und Lennys mit den Schatten einiger Eichen verschmolzen waren.

      Der Goldschmied wusste, dass er den letzten Fehler seines Lebens begehen würde, wenn er jetzt vor Lennys zuschlug. Das war ihr Moment und auch wenn er ebenso lange darauf hatte warten müssen, so war ihre Begierde doch um ein Vielfaches größer als die seine.

      Der Hüne hantierte umständlich an seinem Gürtel herum und wollte sich gerade an einem nahestehenden Busch erleichtern, als er Lennys' heißen Atem im Nacken und eine eisige Schärfe über seiner Kehle spürte. Er erstarrte.

      „Ungeziefer nennst du uns. Pest. Dämonenbrut.“ Mit jedem Wort verstärkte Lennys den Druck ihrer Klinge und zog gleichzeitig mit der anderen Hand den Kopf des Soldaten an seinem Ohr zurück. „Du hättest besser gegen die Flöhe in deinem Pelz kämpfen sollen, dreckiger Bastard!“

      Sein Atem kam stoßweise, keuchend, rasselnd. Mit jedem Zug schien sich der Tod mehr ihn seine Haut zu bohren.

      „Hey, verlauf dich nicht, dein Schwein verbrennt sonst!“ grölte der Betrunkene jetzt vom Feuer her.

      „Was ist?“ zischte Lennys. „Willst du ihn nicht herrufen? Eine Einladung zum Tanz mit der Sichelklinge... Das wolltet ihr doch, nicht wahr? Habt ihr nicht eben noch nach uns gesucht?“

      Akosh trat ein Stück vor. In seinen Augen glänzte Hunger.

      „Gesindel aus dem Norden, nicht mehr wert als der Dreck auf diesem Waldboden....“ krächzte der Zrundir-Krieger jetzt und versuchte, nach seiner Axt zu tasten, die an seinem abgenutzten Gürtel baumelte.

      „Gib dir keine Mühe... du brauchst sie nicht mehr....“ sagte Lennys jetzt kalt. „Dies ist... dein letzter... Atemzug....“

      Ein leises, beinahe unschuldiges Fauchen zerschnitt die Stille um sie herum und gleichzeitig die Kehle des Hünen. Warmes Blut tränkte seinen Lederpanzer und lief über die Hand der Cycala, die ihn jetzt nach hinten riss, so dass er hart auf dem Rücken landete. Sein Röcheln klang wie das Scharren eines ungeduldigen Tieres.

      Langsam, jede Sekunde auskostend, stieg Lennys über den sterbenden Körper und kniete sich dann neben den zerfetzten Hals aus dem weiter das Blut strömte. Sie griff in ihren Umhang und zog den Gegenstand heraus, der so lange in Valahir begraben gelegen hatte.

      Es war ein Kelch.

      Aus reinstem Silber, edel und glatt, nur in seiner Mitte mit mitternachtsblauen, funkelnden Saphiren besetzt.

      „Fühle dich geehrt, wertloser Hantua. Es ist dein Blut, das uns in die Schlacht führt. Die Hölle wird dir dafür sicher einen besonderen Platz gewähren....“

      Das Letzte, was der Gefallene spürte, war das kühle Silber, das unerwartet wohltuend über seine tödliche Wunde strich und das Blut auffing, das er vergoss. Grauenerfüllt erkannte er, dass die Frau neben ihm voller Gier ... voller Durst... beobachtete, wie der Kelch sich füllte. Dann war alles vorbei.

      „Hey, findest du den Rückweg nicht?“ rief der verbliebene Kämpfer jetzt und kicherte über seinen müden Scherz. „Mach schon, ich muss auch mal!“

      „Nimm ihn....“ sagte Lennys heiser, den nun randvollen Kelch auf Augenhöhe haltend. „Und beeil dich.“

      Akosh umkreiste den Lagerplatz und im Augenwinkel nahm Lennys kurz darauf seine schwarze Gestalt wahr, die sich seinem Opfer näherte. Sie war zu weit entfernt, um zu hören, wie auch dessen Hals zerschnitten wurde, doch gleich darauf sackte der sterbende Körper des Feindes zuckend zu Boden. Nun war die Zeit des langen Wartens endgültig vorüber.

      Je größer und verabscheuungswürdiger der Gegner, desto süßer und berauschender sein Blut, so heißt es von jeher in den Schriften des Nordens. Es mochte nicht der größte, nicht der gefährlichste Feind sein, doch als Lennys den Kelch an ihre Lippen hob, schmeckte sie mit dem ersten Tropfen, dass er mehr als nur einen Cycala auf dem Gewissen gehabt hatte.

      Eine Welle der Glut und der Euphorie erfüllte sie und sie erkannte nur noch verschwommen, dass Akosh sich wieder zu ihr gesellte, wartend auf den Kelch, da der seine noch in den Sümpfen verborgen lag. Der Wald um sie herum begann sich zu drehen, gewaltiger als jede Droge betäubte das Blut ihre Sinne und verwischte die Realität zu einem wirbelnden Farbenmeer. Die Wirkung breitete sich in ihrem ganzen Körper aus und der Hunger, die Begierde, die sie die ganze Zeit in sich getragen hatte, erlangte endlich ihre Befriedigung.

      Kapitel 5

      Akosh erwachte zuerst. Es hatte ihm nicht zugestanden, einen anderen Kelch als seinen eigenen zu füllen, so dass er nur das hatte trinken können, was Lennys ihm überlassen hatte. Sie würde noch eine Weile brauchen, um sich von der überwältigenden Wirkung zu erholen, die sie in dieser Nacht verspürt hatte.

      Es war noch nicht ganz hell geworden, doch die Leichen der Zrundir-Krieger wurden bereits von Fliegen umschwärmt.

      Die Erinnerung kehrte bei Akosh nur langsam zurück. Nach so langer Zeit wieder in den Genuss reinsten Feindesbluts zu kommen, war wie eine Wiedergeburt, explosiv und gewaltig, doch gleichzeitig auch lähmend und betäubend wie der Tod. Er hatte Lennys trinken sehen, hatte danach gelechzt, nach ihr den Kelch zu halten, um ihr in den drogenähnlichen Rausch nachzufolgen, den sie solange entbehrt hatten.

      Sie lag einige Meter von ihm entfernt unter dem Blätterdach einer jungen Buche und sah beinahe aus wie aufgebahrt. Ihre Lippen glitzerten noch rot, ebenso die Sichelklinge und der Kelch neben ihr.

      Es war nicht die Stelle, an der sie den Kahlkopf erschlagen hatte, der noch immer mit verdrehten Gliedmaßen und entsetztem Blick gen Himmel neben den Eichen der Verwesung entgegensah und Akosh war froh, dass er Lennys noch nicht wecken musste, um sie von dem Gestank fortzuziehen, der allmählich von dem Toten aufstieg.

      „Möchtet ihr etwas Wasser?“

      Akosh fuhr herum, die Hand bereits wieder am Säbelgriff. Erstaunt sah er in grün-blaue Augen und ein schwach lächelndes Gesicht.

      „Sara?“ fragte er ungläubig und war sich nicht sicher, ob die Sinnestäuschungen vielleicht doch noch nicht ganz vorüber waren.

      Die Novizin setzte sich neben ihn. Sie trug keinen braunen Wollumhang mehr, sondern einen mahagonifarbenen Überwurf aus feinem Leinen. Die Kleidung darunter war dieselbe wie beim letzten Mal, doch ihre Tasche war nicht mehr die, die sie als Tempeldienerin verriet, sondern etwas größer und mit feinen Stichen aus glattem Wolfsleder zusammengenäht. Aus dem losen Knoten, zu dem sie ihre goldblonden Haare zusammengebunden hatte, hatten sich einige Strähnen gelöst und fielen ihr ins Gesicht als sie sich nach vorn beugte, um dem Goldschmied einen Becher Quellwasser zu reichen.

      „Was machst du hier?“ fragte er immer noch verwirrt und nahm dankbar den Becher.

      Sara sah kurz zu Lennys hinüber, die noch immer unbeweglich unter der Buche lag.

      „Ich weiß nicht. Vielleicht mache ich gerade den größten Fehler meines Lebens. Oder habe ihn schon gemacht.“

      Akosh ahnte etwas.

      „Du bist wegen ihr hier? Weiß Beema davon?“

      „Nein... niemand