Ursula Tintelnot

FAITH


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      „Gib mir den Ring zurück!“ Sie sah ihn bittend an.

      Robert war betört, er hätte ewig so stehen und diese hinreißende junge Frau ansehen können. Zögernd reichte er ihr den Ring.

      „Werde ich dich wiedersehen?“

      Sie sah ihn an und eine Träne lief über ihre Wange.

      „Ich darf dich nicht wiedersehen, niemals! Die Anderswelt würde dich verschlingen. Hüte dich, sie noch einmal zu betreten!“

      Sie trat einen Schritt zurück, öffnete die Tür und verschwand am Waldrand. Wieder sah er die blaue Wolke.

      Robert lief durch die Nacht. Nach einigen Pints Guinness im Pub, mit denen er eine ziemlich trockene Lammpastete hinuntergespült hatte, war er nicht mehr ganz sicher auf den Beinen.

      Feuchter Dunst legte sich über den Weg am Steilufer.

      Leichte Schritte, Robert hörte sie nicht.

      In seiner Hütte angekommen, legte er sich nieder und schlief sofort ein.

      Als er mitten in der Nacht erwachte, spürte er, dass er nicht allein war, sie war bei ihm.

      Magalie blieb bei ihm bis zum frühen Morgen.

      Als die Sonne aufging, verschwand sie, aber die folgenden Nächte verbrachte sie bei ihm, bis sie eines Nachts nicht mehr erschien.

      Leathan

      Robert lief wie gehetzt durch den Wald und rief Magalies Namen in die Nacht. Er war so verzweifelt, dass er kaum noch Schlaf fand.

      Sehnsucht nach Magalie.

      In einer mondhellen Nacht, die so klar und hell war, dass er ohne die gewohnte Taschenlampe den Weg zwischen den Bäumen erkannte, sah er sie wieder, die blaue Wolke.

      Dichte Nebel hielten ihn fest, machten ihm das Atmen schwer. Er fand sich vor einem gewaltigen Baum mit einem mannshohen Spalt im Stamm wieder, der gerade so breit war, dass er sich hindurchzwängen konnte.

      Grünliches Licht umfing ihn in einer anderen Welt. Robert erschrak.

      Aus pechschwarzen vorstehenden Glubschaugen starrten ihn zwei fremdartige Wesen an. Sie fletschten gelbliche, spitze Zähne, die so weit vorstanden, dass sie ihre schlabberigen Lippen nicht schließen konnten.

      Die beiden Kerle trugen lange Taue über den Schultern, deren Enden sie in den Händen hielten. Langsam ließen sie die in Schlaufen auslaufenden Seile durch die Luft wirbeln, sodass die Taue sich mit einem pfeifenden Geräusch immer schneller entrollten.

      Wie von selbst wirbelten sie durch die Luft und fanden den Weg zu Robert, der wie erstarrt stehen geblieben war.

      Innerhalb weniger Sekunden lag er, wie eine Mumie eingewickelt und absolut bewegungsunfähig, auf dem feuchten Waldboden. Das alberne Gelächter der beiden hässlichen Gestalten erinnerte an das Gackern von Hühnern, die gerade ein Ei gelegt hatten.

      Sie schienen stolz auf ihre Leistung zu sein.

      Abrupt endete das Gekreisch und die Kerle zogen sich tief gebeugt und langsam rückwärts zurück.

      Vor Robert erschien ein riesiger grauer Wolf, der langsam immer engere Kreise um ihn herum zog.

      Er spürte seinen heißen Atem, konnte in seine schmalen gelben Augen sehen. Hinter dem Tier wirbelte eine dunkle Wolke auf, die sich zu einem groß gewachsenen, breitschultrigen Mann materialisierte.

      Er sah auf Robert hinunter, als würde er den Dreck auf seinen Stiefeln betrachten. Mit einer seiner Stiefelspitzen berührte er Robert und trat zu, sodass dieser sich einmal um sich selbst drehte. Robert versuchte seinen Schmerz nicht zu zeigen.

      „Oh, habe ich dir wehgetan?“

      Der Mann lachte laut auf und zeigte dabei ein kräftiges weißes Gebiss. Seine schmalen Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen und eine beinahe fühlbare Kälte ergriff Robert.

      Diese violetten Augen würden niemals lachen. Ihre Kälte ließ ihn unwillkürlich erschauern.

      „Nehmt ihm die Fesseln ab.“

      Der Mann wandte sich an die Trolle, die das Schauspiel sichtlich genossen, deren Furcht vor diesem gewalttätigen Mann aber deutlich spürbar war.

      „Er soll selber dorthin gehen, wohin er gehört! Und lasst ihn nicht aus den Augen“, fügte er drohend hinzu.

      „Und du“, er spuckte es Robert förmlich ins Gesicht, „rührst niemals wieder Magalie an, sie gehört mir.“

      Der Mann verschwand, wie er gekommen war, in einer grauen wirbelnden Wolke.

      Vor den beiden hässlichen Kerlen her stolpernd, versuchte Robert, Ordnung in seine Gedanken zu bringen.

      Was er hier sah, wirkte wie ein Albtraum, aus dem er nicht erwachen konnte.

      Aber die zwei Gestalten hinter ihm schienen so wirklich wie er selbst, und in keinem Traum der Welt konnte etwas so schlecht riechen wie diese beiden.

      Vor sich sah Robert einen gewaltigen Felsen aufragen. Aber statt ihn aufzuhalten, wurde er von dessen moosüberzogener Front nach innen gesaugt.

      Hinter ihm prallten die beiden übel riechenden Aufpasser auf dem harten Fels auf, wurden zurückgeschleudert und zerschellten.

      Glitzernder Staub, Geröll, zwei aufgerollte Taue.

      Ein kleiner blauer Schmetterling flog auf und flatterte davon.

      Roberts Körper schmerzte. Wie von Riesenhand wurde er zusammengepresst, um auf dem harten, sorgfältig polierten, glänzend weißen Steinboden im Inneren des Felsens aufzuprallen.

      Dann verlor er das Bewusstsein.

      Als er erwachte, glaubte er allein zu sein, bis er ein leises Glucksen ganz in seiner Nähe hörte.

      Stöhnend versuchte er sich aufzurichten. Er befand sich in einem weiten Raum unter einer gewaltigen Kuppel, die sich hoch über ihm wölbte.

      Blaue, winzige Wesen flogen unter den Bögen der Decke.

      Ringsum an den Wänden sahen aus ovalen Nischen schneeweiße geflügelte Statuen hervor, die kunstvoll gearbeitet waren.

      Das einzig Farbige in diesem Raum waren die roten Augen dieser steinernen Geschöpfe, deren Blicke immer auf ihn gerichtet schienen.

      Sie wirkten unglaublich lebendig und lagen, standen oder knieten in ihren Nischen, als würden sie nur auf einen Befehl warten, loszufliegen.

      „Gargoyles.“

      In der Mitte dieser blendend weißen Felsenhalle stand ein Gebilde aus Eisen, das einem riesigen Vogelkäfig glich.

      Die Stäbe dekorativ gedreht, mit filigran gearbeiteten Querverstrebungen.

      Aus dieser Voliere kam das Glucksen, das Robert, als er erwacht war, gehört hatte.

      Er rappelte sich auf und lehnte sich schwer atmend gegen die Wand.

      Nachdem er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, ging er langsam auf den Käfig zu und umklammerte eine der Eisenstangen.

      Das kleine Wesen, das da in einem Weidenkorb gelegen hatte, hatte mit dicken Beinchen gestrampelt, sein roter Haarschopf hatte wild vom Köpfchen abgestanden. Es hatte ihn aus leuchtend grünen Augen angesehen, mit den Augen Magalies, seiner Mutter.

      Richard und Faith

      Faith und Lisa ließen sich ihr Eis schmecken. Faiths grüne Augen leuchteten, nichts liebte sie mehr als Pistazieneis.

      „Wen willst du zu deinem Geburtstag einladen?“, fragte Lisa und leckte sich Eis von den Fingern.

      „Du