Elke Bulenda

Das Schicksal lacht mit spitzen Zähnen


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vernahmen, wie sie die Tür des Schlafgemachs hinter sich zuschlug. Das ganze Haus wackelte in seinen Grundfesten. Nackte Füße patschten in Richtung große Halle. Offensichtlich wollte sie dort den Rest der Nacht verbringen.

      Dann ertönte die Stimme meines Vaters, der die Tür zum Schlafgemach wieder aufriss: »Du kannst nicht einfach vor mir weglaufen, wenn ich mit dir rede, Weib!«

      »Und ob! Und nenn mich nicht Weib!«, drohte Numa.

      »Wie kannst du es wagen, meinen Entschluss anzuzweifeln? Ich werde keinen Daumen breit von meiner Entscheidung abrücken. Es ist richtig! Es ist Odins Wille! Unser Sohn wird uns eine große Ehre zuteil werden lassen!«

      »Du - und deine dämliche Ehre! Gute Nacht, mein Gemahl! In Zukunft kannst du allein schlafen!«, brüllte Numa sauer und warf etwas Hartes nach ihm, das allerdings gegen die Tür prallte, weil Skryrmir sie rechtzeitig wieder schloss, um dem Wurfgeschoss zu entgehen.

      Nun, ob er während der Fahrt allein schlafen müsste, würde sich zeigen. Wir wollten während der langen Reise wieder bei Verwandten übernachten. Ganz schön clever von meinem Vater, erst jetzt mit seinem Entschluss herauszurücken.

      Wir Kinder waren natürlich beunruhigt über den Streit der sich sonst so innig liebenden Erwachsenen. Vor allem ich. Immerhin war ich der einzige Sohn meiner Mutter. Es betrübte mich zutiefst. Fraglos war ich der Grund für den Streit, der zwischen ihnen so gnadenlos tobte und sie dadurch entzweite.

      »Worum ging es bei den beiden?«, fragte Wulfgar.

      Wir Jungs teilten uns noch immer ein Schlafgemach, so wie die Mädchen sich eins teilten. Zumindest noch so lange, bis Hackbart mit seiner Sippe endlich auszog.

      »Es ging um Ehre. Obwohl das irgendwie nicht passt, denn vermutlich ging es bei diesem Streit um Ragnor. Hehehe!«, sagte Sigurd spöttisch kichernd.

      »Pass auf, was du sagst, Siggi!«, machte ich mir Luft.

      »Das kommt davon, Ragnor, wenn du so wüste Geschichten von Zwergen erzählst, die dir angeblich gekochte Eier für Gold abkaufen!«, brummelte Wulfgar genervt.

      … Wenn ich schon mal meinen Brüdern etwas Vertrauliches erzählte! Nur rechnete ich nicht damit, von ihnen dafür so mächtig aufgezogen zu werden. Dennoch war die Geschichte mit dem Zwerg, der mir mein gekochtes Ei abkaufte, wahr.

      Ab und an hütete ich tagsüber im Hutewald das Vieh. Dabei konnte einem schon mal recht langweilig werden. Ich schnitzte meistens irgendwelche Holzkrieger, die sich hinterher, unter wüsten Beschimpfungen, furchtlos bis aufs Blut, bekämpften.

      Damit ich nicht vom Fleisch fiel, stattete mich Aenna mit einem Proviantbeutel aus, der Käse-und Schinkenbrote, dazu noch einen Apfel und ein hartgekochtes Ei enthielt. Zum Trinken gab es verdünnten Met.

       Zu Mittag, als mich der Hunger quälte, aß ich ein Brot und wollte das Ei aufschlagen, da erschien ein kleiner Kerl. Er trug auf dem Kopf einen verbeulten Helm, an dem eine Lampe befestigt war, und einen mächtigen Rauschebart im Gesicht, der allerdings davon nicht allzu viel freigab. Er tippte meinen Arm an: »Hey, du! Wenn du mir das gekochte Ei gibst, bekommst du von mir einen kleinen Klumpen Gold«, sagte der Zwerg, der gierig auf das Ei starrte. Allem Anschein nach war die Hühnerhaltung in den Bergminen mit Schwierigkeiten behaftet, weshalb Eier auf der Speisekarte von Zwergen fehlten.

      Misstrauisch betrachtete ich den Bartträger: »Nö! Ist mein Ei! Zeig du zuerst das Gold. Nicht, dass ich dir das Ei gebe, du es schnell verschlingst und ich in die Röhre gucke!«, sagte ich als Opfer älterer Brüder und zukünftiger Geschäftsmann.

      Wie sich herausstellte, trug er in der Tat einen kleinen Klumpen Gold bei sich, den er mir freiwillig aushändigte. Da er Heißhunger auf das Ei hatte, und Gold für gewöhnlich keinen Nährwert besitzt, tauschten wir die Waren. Der Zwerg freute sich und verschwand mit dem Ei in der felsigen Gegend. Und ich fühlte mich wie ein gemachter Mann. Zuhause zeigte ich mächtig stolz meinen goldenen Brocken und erzählte, wie ich dazu gekommen war. Meine Brüder zeigten mir als Reaktion daraufhin einen Vogel. Sie glaubten mir kein Wort und behaupteten, ich hätte den Goldbrocken per Zufall gefunden. Das konnte ich so nicht auf mir sitzen lassen. Am nächsten Tag nahm ich Balder als Zeugen mit. Ich wollte ihm beweisen, dass der Zwerg sehr wohl gekochte Eier kaufte. Und wie es beim Vorführeffekt nun mal so ist, ließ sich dieser kleine Vollbarträger nicht mehr blicken, was mich in ein denkbar schlechtes Licht rückte. Ich stand wie ein Vollspinner da. Daraufhin erklärte ich unsere Geschäftsbeziehung für beendet, und nimmermehr würde ich dem Zwerg auch nur ein einziges, gekochtes Ei verkaufen…

      »Das mit dem Ei, ist die Wahrheit!«, wehrte ich mich. »Meint ihr, der Streit hat etwas mit der Reise zu tun?«, fragte ich besorgt. Aus irgendeinem Grund beschlich mich das Gefühl, etwas Schlimmes getan zu haben. Nur wusste ich nicht, was. Trotzdem stritten sich meine Eltern, die ich als große Vorbilder sah. Mir war so, als hätte ich etwas Wertvolles zerstört.

      Balder fühlte mein Unbehagen. »Zerbrich dir mal nicht deinen komischen, rothaarigen Kopf! Das wird sich spätestens klären, wenn wir in Uppsala sind!«, stellte er nüchtern fest. »Glaubt ihr, wir bekommen auch etwas von diesen seltsamen Tränken, die die Erwachsenen dort trinken?«, wollte er wissen.

      »Schnauze, Männer! Jetzt wird geschlafen!«, befahl Wulfgar. Er übte sich, wie so oft, im Befehlston, was uns anderen schrecklich auf die Nerven ging.

      »Selber Schnauze!«, knurrten wir Zweit-, Dritt-und Viert-Geigen zurück und versuchten Schlaf zu finden.

      Bei uns herrschte vor dem Zubettgehen niemals die Harmonie der Waltons. Allgemein wurde mit harten Bandagen gekämpft. Und solange Wulfgar noch nicht der Stammesführer war, durften wir ihm noch ein wenig widersprechen. Diesen Umstand reizten wir natürlicherweise bis zum Äußersten aus.

      Am nächsten Tag herrschte zwischen meinen Eltern noch immer die reinste Eiszeit. Dessen ungeachtet, zog unsere Schiffskarawane in Richtung Süden. Wir Kinder waren wie elektrisiert. Zuerst übernachteten wir in Niðaróss, dem heutigen Trondheim. Die Fahrt ging weiter, weil sich nun unser Onkel Ásgrímur ebenfalls mit seiner Sippe der hiesigen Reisegesellschaft anschloss. Immer mehr Onkel und Vettern kamen hinzu, bis wir eine richtige Prozession anführten. Derweil ging es nach Bergen, vorbei an Stavanger, durch das Skagerrak nach Gothenburg, dem heutigen Göteborg. Von dort durchfuhren wir das Kattegat, wo bereits mein Onkel Úlfur mit Sippe im Langschiff auf uns wartete. Derart vollzählig, ging es gemeinsam durch die Meerenge zwischen Kopenhagen und Malmö. Anschließend schlugen wir wieder den Kurs Richtung Norden ein, passierten den Kalmarsund, fuhren zuerst an Öland, danach an Gotland vorbei. Anschließend umschifften wir Stockholm - um dann in nordwestlicher Richtung - etliche Inseln zu passieren und Fjorde zu durchfahren. Wir fuhren in den Fluss Fyrisån, schafften es aber nicht direkt bis Uppsala, da die Halteplätze bereits alle belegt waren und jeder dort festmachen musste, wo er einen Platz für sein Boot fand. Nie zuvor sah ich so viele Langschiffe an einem einzigen Ort. Dergleichen galt für die Menschen. Der Norden war nicht gerade überbevölkert. Hier jedoch, traten sich beinahe alle auf die Füße. Jeder hatte Opfergaben dabei, die er den Göttern darbringen wollte.

      Uppsala besaß im eigentlichen Sinne nicht einen einzelnen Tempel. Eher eine Tempelanlage, in der die verschiedenen Statuen der Götter, nur leicht überdacht durch eine Art Pavillon, ausgestellt waren. Die Opferplätze waren von einem Wegenetz durchkreuzt und umspannt. Vor jeder Statue im Schrein, befanden sich reihenweise Opfertische, auf denen der Bittsteller seine Opfergaben legen konnte. Das Opfern der Tiere und Menschen war einzig und allein der Priesterschaft vorbehalten. Heutzutage würde ich diese Priester wohl eher als Schamanen bezeichnen.

      Die Pilger legten Getreidegarben, Brot, Obst und Gemüse auf die Opfertische; knieten nieder und erhoben die Hände zum Gebet. Viele brachten den Göttern ihre Trankopfer dar. Wie bei allen Gläubigen, hatte jeder seinen persönlichen Grund, die Götter um ihren Beistand anzurufen.

      Mein Vater dankte Odin für die Gesundheit seiner Sippe. Zudem bedankte er sich für das gute Wetter. Schließlich galt es im Norden nicht als selbstverständlich, gerade auf einer Pilgerfahrt gutes Wetter zu haben. Nicht auszudenken, wie uns der Besuch in Uppsala im Gedächtnis geblieben wäre, wenn