Jay H. Twelve

VIRDULA Endlosgeschichten Band 2 - Die Mutter aller Dinge


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Deck der Yacht herrschte Betriebsamkeit. Tom und zwei andere Jungs spritzten das Deck vom Staub der vergangenen Monate ab. Kaum waren die zwei aus dem Jeep ausgestiegen, da schrie Tom aus voller Brust:

      „Alle Mann an Deck, der Kapitän ist im Anmarsch!“

      Ehe Don und Jerry zur Reling kamen, stand die vollständige Mannschaft samt Köchin an Deck und salutierte mit Pfiff.

      „Tom, du übertreibst ein wenig“, rief Jerry, erfreut seine alte Crew wieder zu sehen.

      „Schiff klar zum Auslaufen, Sir... Oh weh, jetzt habe ich meine Tagesheuer verschwatzt.“

      „Schon gut, Tom, du hast Kapitän Jerry gemeint“, beruhigte ihn Don mit einem breiten Lächeln.

      „Laufen wir heute noch aus, Don?“, wollte Tom wissen.

      „Heute nicht, Tom, aber morgen nach dem Frühstück bringen wir die Mahuana in die Werft und auf den Slip. Sie braucht frische Farbe und rundum Kontrolle, bevor wir nach Nordwesten in See stechen.“

      „Aye, Aye, Kapitän, rührt euch Leute und an die Arbeit“, schrie Tom laut nach alter Seemannssitte.

      Don und Jerry gingen an Bord. Der Augenblick war gekommen, dass Don seine Traumyacht zum ersten Mal berühren durfte. Diese Berührung bedeutete mehr für ihn als sich Jerry und die Crew jemals vorstellen konnten. Es war die Liebe auf den ersten Blick. Seine Erregung brachte jeden Nerv in seinem Körper zum Vibrieren. Davon bemerkten die Leute auf dem Schiff nichts. Er ging die Gangway entlang und blieb vor dem Eingang zur Helmstation stehen. Sein erster Blick in das Innere des Deckhauses steigerte seine Erregung um das Doppelte. Er streichelte mit der linken Hand den Türrahmen und wandte sich an Jerry.

      „Istvan hat nicht ein bisschen übertrieben. Ein Meisterwerk vom Feinsten.“ Ihm stockte der Atem, seine Kehle schien wie ausgetrocknet zu sein. „Habt ihr kaltes Wasser an Bord?“

      „Jawohl, Kapitän, kommen Sie bitte in den Salon, wir haben sogar eiskalten Kiwisaft“, meldete sich die Köchin mit einem breiten Lächeln auf ihren wulstigen roten Lippen.

      „Du bist die Maunie, die beste Köchin weit und breit habe ich gehört?“

      Das war alles was Don über seine Lippen brachte, als er durch den Eingang den Salon betrat. Ein Gefühl der Glückseligkeit und Wärme durchströmte seinen ganzen Körper. Nicht ein bestimmter Gegenstand, sondern die Gesamtheit der Details in Farben und Formen strahlte eine gediegene Gemütlichkeit aus, die bei ihm diese emotionale Erregung bewirkte. Er erkannte dass dies sein Zuhause sein wird, so wie er es sich immer erträumt hatte, wo er mit Wonne einschlafen wollte, weil er sich schon auf den nächsten Tag sehr freute. Das kühle Getränk befeuchtete seine trockene Kehle und brachte ihn wieder in die Realität zurück.

      „Danke, Maunie, das schmeckt vorzüglich.“ Dann drehte er sich zu Jerry. „Hast du einen Plan hier an Bord? Ich möchte gerne hineinschauen bevor ich in den Niedergang hinunter gehe.“

      Diese Ausrede benutzte er, um sich vor seiner eigenen Erregung zu schützen und den Aufenthalt im Deckhaus etwas zu verlängern. Zuviel Gutes auf einmal muss verdaut werden. So konnte er auch Jerry nachfühlen, als dieser erfuhr, dass er wieder gesellschaftlich und finanziell auf die Beine kommen werde. Jerry ging zum Sekretär, der unmittelbar an der Helmstation angebaut war und als Chartboard diente. Er klappte die Tischplatte hoch und kramte unter den Seekarten. Dann zog er ein auf Karton geklebtes Hochglanzfoto des Originalplans heraus.

      Ein einziger Blick darauf offenbarte Don, dass dieses Schiff für den Eigner und nicht für das Chartergeschäft konzipiert war. Weil die Kombüse ins Deckhaus verlängert worden war, konnten die Räumlichkeiten unter Deck wesentlich großzügiger gestaltet werden. Er erkannte auch, dass die Heiße Susi zu viel mitgestaltet hatte. Don entschied diese Ausstattung nicht weiter zu kommentieren. Das Innere würde er sowieso nach seinem persönlichen Befinden in Taiwan neu einrichten. Er brauchte ein Heim und eine Kommandozentrale, in der jedes Detail eine bestimmte Funktion erfüllen musste und kein Bordell darstellte. Trotzdem war er Istvan sehr dankbar, dass dieser die Kombüse und die Dinette an Deck verlängern ließ.

      „Schauen wir uns zunächst den Motorraum und die Achterkoje des Eigners an“, schlug Jerry vor.

      Von der Helmstation mittschiffs führten Treppen hinunter in einen Korridor, weiter zum Vorschiff und zur Achterkoje. Der Zugang zum Maschinenraum war von diesem Gang durch eine wasserdichte Tür erreichbar. Tom eilte voraus, öffnete die schwere Tür und schaltete die Beleuchtung ein. Der übliche Diesel- und Ölgeruch auf anderen Schiffen war bei der Mahuana kaum wahrnehmbar. Die Seitenwände der Diesel bzw. Wassertanks glänzten aus spiegelglattem rostfreiem Stahl.

      Zwei Dieselmotoren waren zu fast einem Drittel in eine Bodenvertiefung versenkt, so dass man zwischen den Motoren über zwei Stufen in eine geräumige Grube, die wie eine Edelstahlwanne geformt war, einsteigen musste. Eine kleine Werkstatt mit Arbeitsbank, Bohr- und Schleifmaschine, Regale, zahlreiche Schubladen für Schrauben, Werkzeuge, Ersatzteile, diverse Gummischläuche, alles ordentlich aufgeräumt.

      „Die Motoren haben wir von der Royal-Navy gekauft, auch die ganze Werkstatt kam direkt aus dem Lagerhaus. Es gibt zwei Ölpumpen unter den Motoren und eine für den Ölwechsel am Öltank. Gebrauchtes Öl wird in einen Tank gepumpt und über eine andere Pumpe zum Pier entsorgt. Unter dem Boden befinden sich vier Dieseltanks und an den Seitenwänden jeweils drei. Die Wassertanks liegen mittschiffs und zur Eignerkoje. Das Wasser wird über zwei Mikrofilter gebunkert. Alles vom Feinsten. Die Zwischenräume sind zur Dämmung voll ausgeschäumt. Die Motoren drehen 1600 U/min und haben je 480 PS. Sie sind aber sehr genügsam bei 900 U/min“, erklärte Tom fachmännisch.

      „Wo sind die Stromgeneratoren untergebracht?“, wollte Don wissen.

      „Einer befindet sich unter der Werkbank und der zweite sitzt unter der Treppe in einem separaten Raum. Dort ist auch die ganze Hydraulik für die Winschen untergebracht.“

      Die geräumige fünfmal vier Meter große Eignerkoje gefiel Don besonders. Die Dekoration erinnerte mehr an Scheherazade aus Tausendundeiner Nacht. Licht strahlte durch die getönten Scheiben der fünf kleinen Fensterchen am Spiegel, oberhalb des ovalen Bettes und einer großen Lichtluke. Zwischen dem Kleiderschrank und über der Kommode waren Bullaugen, so dass diffuses Licht den ganzen Raum durchflutete. Einige kleine Ölgemälde hingen an den verfügbaren freien Wandflächen. Es gab ein Ecksofa mit Teetisch, dazu Perserteppichbrücken rund ums Bett. Alles vom Feinsten, so dass eine schlaflose Nacht in diesem Raum kaum vorstellbar erschien. Ein Tempel der Liebe, vorausgesetzt man hatte eine gute sinnliche Fee zur Partnerin, dachte Don.

      „Hier ist die Sauna und ein Badezimmer, Don. Sie werden nicht enttäuscht, auch die Damen nicht“, flüsterte Tom, als wollte er diskret auf die Vorzüge eines lüsternen Lebenswandels hinweisen.

      Noch weitere drei VIP-Kojen mit separaten Badezimmern befanden sich auf der einen Seite, zur Backbordseite die Vorratsräume zum Bunkern von Lebensmitteln und Tiefkühltruhen. Dazu gab es noch sonstige Utensilien, die man auf dem Schiff einmal in drei Jahren gebrauchen konnte, aber nie wirklich eine Gelegenheit hatte, es zu tun. Wie auch immer, dachte Don, einiges hier muss vom Schiff, bevor ich in See steche.

      Der Zugang zu den Kojen der Crew war im Notfall durch eine schmale Tür möglich, jedoch vom Eigner nicht erwünscht. Tom, der wie alle Maoris sehr korpulent war, quetschte sich mit Mühe durch die enge Tür in das Mannschaftsquartier. Don erblickte in der Mitte zum Bugende eine einfache Kochgelegenheit mit Minispülbecken, darüber ein Hängeschränkchen, an jeder Seite zwei übereinander hängende Pritschen mit Matratzen aus dünnem Schaumgummi, alles recht lieblos ausgestattet und kaum Platz für einen erwachsenen Mann, um darauf zu schlafen.

      „Typisch englisch, Tom. Die Leute, die die meiste Arbeit auf dem Schiff erledigen, sollen sich dann auf den harten Pritschen ausruhen, während die Leute, die sich den ganzen Tag mehr oder weniger langweilen, in bequemen Betten schlafen. Wir werden hier einiges ändern müssen.“

      „Ach machen Sie sich keine Gedanken darüber, wir sind doch einfaches Leben gewöhnt.“

      „Und