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Ron Hellfuns


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Geld, das er für seine Arbeit dringend brauchte. So ließ Ronald es Pause um Pause über sich ergehen, dass die Jungen seiner Schule mit Ronalds Brüsten „Trockenübungen“ betreiben konnten. Sie durften die Dinger anfassen, kneten, heben oder was ihnen sonst noch so damit einfiel. Für sie war es die optimale Gelegenheit zu üben, schließlich war es für sie bis dato die einzige Gelegenheit, das wohlgeformte Stück Körperfett in den Händen halten zu dürfen, ohne gleich als Lüstling oder Perverser abgestempelt zu werden, für Ronald eine gute Einnahmequelle. Zwar ließ er das Gegrapsche nur widerwillig zu, doch trotzdem stand Ronald in jeder großen Pause in der Ecke hinter den Toiletten am Ende des Schulhofes und machte obenrum blank, wenn das Geld stimmte, das man ihm hinhielt. Es war auf eine Art erniedrigend, sich den gierigen Händen ausliefern lassen zu müssen und auch ganz bestimmt nicht die Art, die Ronald sich als erste sexuelle Erfahrungen hätte wünschen können. Doch angesichts der Tatsache, dass es nur ein paar kurze Augenblicke waren, die jeder seinen fetten Körper berühren durfte, war es durchaus erträglich. Im Hinterkopf manifestierte sich der Gedanke, wie schlecht es dann wohl den Mädels gehen muss, die tagtäglich so betatscht werden und die Jungs auch noch denken, sie machten alles richtig. Ronald hielt sich an die Weisheit, dass Papier geduldig sei, also würde er es ihm gleich tun, während die anderen seines Alters ihre ersten Knetversuche an ihm übten. Es gewährte ihm zudem auch einen Freibrief, der garantierte, dass man ihn wirklich in Ruhe ließ, also selbst das Mobben hielt sich stark in Grenzen, denn anderenfalls lief man Gefahr, dass Ronald seine Dienste verweigerte und das galt es auf jeden Fall zu verhindern.

      Man hätte annehmen können, mit der Pubertät sei bei Ronald auch das Interesse am weiblichen Geschlecht erwacht, doch weit gefehlt. Da er ohnehin schon mit einem halben Frauenkörper von Mutter Natur gestraft worden war, interessierte ihn auch der Rest an Mädchen nicht. Sie waren in seinen Augen nichts Besonderes, nichts, das man anhimmeln oder verehren konnte. Er empfand sie vielmehr als ungemein lästig und nervig. Ständig dieses dämliche Gekichere für jeden Mist, Getuschel über Belanglosigkeiten und Zickenkrieg, weil eine die gleiche hässliche Hose trug wie die andere. Als sei Ronald nicht schon gestraft genug damit gewesen, sich sein zu Hause mit einer anstrengenden Mutter und einer bösartigen Schwester teilen zu müssen. Nein, selbst in seiner Klasse gab es mehr Mädchen als Jungen, was zur Folge hatte, dass die Mädchen immer wieder ihre Dinge durchbringen konnten. Klassenfahrten gingen nicht zu Paintball-Schießanlagen, sondern zum Pferdehof, weil da gerade irgend so ein Gaul geworfen hatte. Wen interessierte das denn? Und auf seine Frage hin, in welchem Pferdealter das Fleisch besonders zart und saftig für Gulasch wäre, wurde er geradewegs von einer mehr als empörten Lehrerin nach Hause geschickt, während die heulenden Mädchen sich aufgrund dieser grausamen Gedanken erst einmal gegenseitig trösten mussten.

      Doch nicht nur die Tatsache, dass sein reales Leben ihn von Frauen umgab und von ihnen dominiert wurde, ärgerte Ronald über alle Maßen. Selbst die Literatur bediente sich ständig der Illusion, das weibliche Geschlecht sei etwas hoch Umworbenes, Einzigartiges, Tolles, auf das man im Leben nicht verzichten konnte. Ständig wurden sie als die krönende Belohnung dargestellt, für die ein Mann tapfer sein Leben opfern musste, um die unfähige Frau, die scheinbar nie im Stande war, auf sich selbst Acht zu geben, aus den Fängen des Bösen zu retten. Und was war am Ende der Preis für all die Strapazen? Der arme Held der Geschichte bekam diese verblödete Trulla noch als Ehegattin für den Rest seines Lebens ans Bein gebunden! Hätte er sie mal besser sterben lassen, verbrennen lassen, vom Drachen auffressen lassen! Es wäre ihm besser ergangen. Aber nein, in den meisten Geschichten ging es um das bloße Verlangen nach Befriedigung. Ronald fragte sich immerzu, was der Lohn für all die Tapferkeit gewesen war, wenn nicht Anerkennung? Es konnte ja wohl kaum ein Blowjob von der hübschen Jungfrau gewesen sein! Das wäre viel zu plump. Ronald begriff nicht, wie hoch gefeierte Autoren für derartig lahme Stories, auf dieses kleine Detail der Wollust reduzierte Legenden und Sagen, über Jahrhunderte umjubelt werden konnten. Oder hatte Ronald einfach noch nicht die nötige Reife erlangt, um sich vorstellen zu können, dass es für einen erwachsenen, gestandenen Mann nichts Besseres auf der Welt gab, als sein Gesicht in das pralle Dekolleté einer hübschen Frau versinken zu lassen? Es war ihm einfach zu wider. Allein die Vorstellung rief Übelkeit bei ihm aus. All diese Körperflüssigkeiten und Säfte, über die alle Welt schwärmte, es war so ekelhaft! Ronald wusste nur zu gut, wozu ein Mann mit seinem besten Stück außer pinkeln noch im Stande gewesen war, er hatte es selbst erfahren müssen eines Nachts. Er hatte sich nie zuvor in seinem ganzen Leben selbst angewidert und beschmutzt gefühlt wie in dem Augenblick seines Erwachens im eigenen Körpersaft. Und die Vorstellung, edle Ritter oder großartige Superhelden waren nur bereit, die größten Strapazen auf sich zu nehmen und die waghalsigsten Situationen zu meistern, nur wegen eines Abspritzens, verursacht durch eine junge Schönheit? Das waren keine Helden, es waren Idioten sondergleichen! Und dann konnte angesichts dieser Tatsachen niemand verstehen, warum Ronald nicht gern las?

      Aber eigentlich kümmerte es Ronald auch nicht weiter, was andere miteinander trieben oder wie die großen, bekannten Autoren mit ihren Sexgeschichten die eigentliche Handlung ihrer Story zerstörten. Zwar hatte er in Kindertagen die Werke anderer Schriftsteller verabscheut und gemieden, doch nun hatte er ihren Nutzen für sich selbst entdeckt. Er filterte aus jedem Bestseller einfach die Teile heraus, die sich nur um das Eine drehten und verschlang den des Handlungsablaufes förmlich. Dabei versuchte er, sich jede Eigenart der Schreiber einzuprägen, um sie später allesamt auf sein Schriftstück zu projizieren. Doch das reichte Ronald bei Weitem nicht aus. Sein Interesse an den Biographien der einzelnen Autoren war in ihm geweckt. Denn er wusste, bevor eine gute Geschichte entstehen kann, müssen erst die perfekten Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden. Jeder von ihnen, den Großen der Literatur, hatte eine Inspirationsquelle. Nur Ronald fehlte sie noch. Also begann er, die Gepflogenheiten der anderen zu kopieren. Sein stilvoll eingerichtetes und sorgsam babyblau gestrichenes Kinderzimmer verwandelte sich mehr und mehr in eine Art Messibude. Über die Tapeten klebte er wahllos Zeitungsartikel, die er aus dem regionalen Morgenblättchen gerissen oder geschnitten hatte. Sie waren allesamt völlig zusammenhanglos und wild durcheinander, ohne jegliche Bedeutung oder tieferen Sinn hinter dem Ganzen. Doch es schaffte eine bestimmte Atmosphäre in dem kleinen Raum, die Ronald gern mit der von Massenmördern aus Horrorfilmen verglich, die ihre spärlichen Behausungen ebenfalls mit Fotos und Berichten über ihre Opfer tapezierten. Nur hatten diese Leute dabei eben System dahinter, Ronald nicht.

      Über einen Autor hatte Ronald erfahren, dass dieser sich gern auf Mülldeponien aufhielt, um sich dort inspirieren zu lassen. Da die nächste Halde aber zu weit entfernt für seine verfetteten Füße war, beschloss Ronald, die Idee einer Deponie einfach in seinem Zimmer entstehen zu lassen. Also lagerte der ganze Verpackungsmüll, den er täglich produzierte, fortan auf seinem blauen Teppichboden. Weil Goethe, der ja zu den bekanntesten Schriftstellern aller Zeiten zählt-zumindest, bis man Ronalds Talent entdeckte-, seine Ideen angeblich verdorbenen Äpfeln in seiner Schreibtischschublade zu verdanken hatte, ließ Ronald auch diese Möglichkeit der Inspirationsquelle nicht aus und warf seinen gesamten Biomüll hinter die Heizung neben seinem Schreibtisch. Doch anstelle von gesunden Äpfeln gammelten dort alte Pizzareste und Pommes vor sich hin. Ronald war sich sicher, es würde für den gleichen Effekt sorgen können.

      Zugegeben, wohl fühlte er sich in seinem Kinderzimmer nun nicht wirklich, aber was tat er nicht alles für die hohe Kunst des Schreibens. Allerdings verzichtete er bald wieder auf die Sache mit dem verdorbenen Essen, nachdem er sich mehrmals hintereinander deswegen übergeben musste.

      Lange fiel der Zustand seines Zimmers niemandem auf, denn Besuch bekam Ronald nicht und seine Schwester wagte keinen Schritt in das feindliche Gebiet. Ihr war es also völlig egal, ob ihr kleiner, verhasster Bruder in seinem eigenen Dreck hauste. Er war ihr sowieso gleichgültig geworden. Anstatt ihn bei jeder Gelegenheit, die sich ihr bot, zu schikanieren, bediente sie sich nun einer neuen Taktik. Sie bevorzugte die gänzliche Ignoranz ihm gegenüber. Das verletzte ihn noch mehr, als die zahlreichen körperlichen und psychischen Misshandlungen, denen er zuvor ihrer Willkür hilflos ausgeliefert war. Jedes Mal, wenn sie ihn quälte, um sich selbst ein bisschen besser zu fühlen, dachte Ronald, es könne wohl kaum noch schlimmer kommen. Aber nun wurde er eines Besseren belehrt. Wann immer er an ihrer Zimmertür vorbei ging, mit besonders lauten Schritten, damit sie wusste, dass er sich nicht in seinen vier Wänden verbarrikadiert