Julia Fromme

Ehre und Macht


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stiegen ließ, verharrte er kurz. Dann schleuderte er mit voller Wucht den Pokal in die Flammen. Mit einem grellen Blitz und Zischen verpuffte der Alkohol des starken Weines und verflüchtigte sich, als wäre Satan selbst zum Schlot hinausgefahren. Die sonst so makellosen Züge des Gaugrafen waren wutverzerrt, sein langes, glattes, fast weißblondes Haar, auf dessen Pflege er sonst immer so viel Wert legte, fiel ihm in wirren Strähnen auf die Schultern. Seine Augen, die vor Zorn sprühten, nahmen im schwachen Licht des Feuers eine fast schwarze Farbe an, und der Widerschein der Flammen ließ seine Pupillen rot aufleuchten.

      Doch schnell hatte sich Miro wieder in der Gewalt. Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und atmete tief durch. Nun waren schon vier Tage vergangen, seit der Schellenberger aus Louny verschwunden war. Und immer noch hatten seine Häscher keine Spur des Ritters aufgenommen. Auch von der Henkerstochter hatte man nichts gehört, wahrscheinlich war sie doch mit Falk gegangen. Mit Sicherheit entledigte sich dieser ihrer bald, da sie ihn nur an der Flucht hinderte. Vielleicht würde man ihre Leiche finden, und so wussten sie dann, in welche Richtung der Ritter geflohen war. Ein sardonisches Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

      Hufgetrappel hallte vom Pflaster des Hofes wider und wenige Augenblicke später flog die Tür zur Halle auf. Erschrocken fuhr Miro aus seinen Gedanken hoch. Wieso hatte der Wächter vor der Tür ihn nicht gewarnt? Zdenek von Neubergk stapfte laut und poltrig in die Halle und schien sie sofort mit seiner Anwesenheit regelrecht auszufüllen. Miro erhob sich unbehaglich und starrte dem Neuankömmling entgegen. Zdenek klopfte sich den nassen Schnee von den Schultern. Dann warf er seinen Umhang achtlos auf einen Stuhl.

      „Was willst du hier, Zdenek?“, fragte der Gaugraf ungehalten. „Solltest du nicht Jagd machen auf diesen elenden Schurken, der sich mit einer List meiner Genugtuung entzogen hat?“ Miro schnaubte wütend.

      Zdenek hob beschwichtigend die Hände. „Gemach, gemach, mein Freund“, sagte er selbstgefällig, so als würde ihn die Kritik seines Grafen vollkommen unberührt lassen. „Frantek ist hinter ihm her.“

      „Ha, ausgerechnet!“, entfuhr es Miro. „Einen größeren Trottel hättest du nicht auf die Spur Falks ansetzen können, oder?“, bellte er herausfordernd.

      „Frantek mag wohl ein Trottel sein, aber immerhin kennt er am ehesten die Verstecke seines Cousins. Er hat Falk in der Vergangenheit nie Anlass gegeben, ihm zu misstrauen. Deshalb wird der nicht gerade vorsichtig gewesen sein, wenn es darum ging, etwas vor Frantek geheim zu halten. Der hat ihn oft genug begleitet auf seinen Streifzügen.“ Wie selbstverständlich ging Zdenek zum Tisch und griff sich den Krug mit Wein. Ohne sich die Mühe zu machen, erst einen Becher vollzuschenken, nahm er einen tiefen Zug. „Und außerdem“, fuhr er fort, „weiß Frantek ganz genau, dass er sich dein Wohlwollen verdienen muss. Zu gern würde er zu deinen Vertrauten gehören.“

      „Ach ja?“ Miros Stimme troff vor Sarkasmus. „Und du glaubst, dass du mein Wohlwollen und Vertrauen besitzt? Lass mich wissen, wie du zu dieser Annahme kommst.“

      Verunsichert hielt Zdenek mit trinken inne und setzte den Krug mit Bedacht auf den Tisch zurück. Forschend schaute er seinen Kumpan an, ob dieser seine Worte ernst gemeint hatte, oder es nur wieder einer von den bösen Scherzen des Gaugrafen war, mit denen er seine Freunde gern erschreckte. Doch Miro lächelte nicht.

      „Ich will den Kopf von Falk, und zwar bald“, fuhr er fort. „Und du tätest gut daran, deinen Freund Frantek dabei tatkräftig zu unterstützen. Es könnte sonst leicht passieren, dass der Rat der Stadt weitere Raubgesellen gesichtet hat, die hier in der Nähe die Kaufleute überfallen. Falk kann es ja dann wohl nicht gewesen sein.“

      „Willst du mir drohen?“, fragte Zdenek finster.

      „Aber nicht doch, ich will nur dein Bestes. Ich warne dich lediglich vor dem Eifer der braven Leute hier, wenn es darum geht, dass sie mich bei meinem Kampf gegen das überhandnehmende Raubgesindel unterstützen. Deshalb glaube ich, dass es besser ist, du verschwindest eine Weile hier aus der Gegend. Also kannst du ebenso gut die Zeit nutzen und Frantek ein bisschen unter die Arme greifen.“ Jetzt lächelte Miro böse.

      Zdenek ging zu einem Stuhl und ließ sich darauf nieder. Seine Kiefer malten vor unterdrückter Wut.

      „Glaube ja nicht, dass du unantastbar bis, Miro. Es gibt genug, was ich gegen dich vorbringen könnte.“ Trotzig schaute er dem Gaugrafen in die Augen.

      „Jetzt gleich“, sagte Miro, als hätte er die Worte des Ritters gar nicht gehört.

      Wieder war Hufgetrappel vom Hof zu hören und es wurden Stimmen laut.

      „...muss unbedingt den Gaugrafen sprechen.“ Miro war bereits zur Tür gegangen und hatte sie geöffnet. „Ich habe eine Botschaft für ihn.“

      Ein Mann mittleren Alters kam unmittelbar vor ihm zu stehen.

      „Was willst du“, herrschte er ihn an.

      „Seid Ihr der Gaugraf?“, fragte der Neuankömmling vollkommen unbeeindruckt.

      „So ist es. Und wenn du nicht ganz schnell sagst, wer das wissen will, ist es das letzte, was du auf Erden erfahren hast.“ Drohend baute er sich vor dem Mann auf. Diesem schien nun doch etwas unbehaglich zu werden. Auch hatte er schon des Öfteren von dem unbeherrschten Naturell des Gaugrafen gehört, so dass er jetzt nicht Gefahr laufen wollte, durch unangebrachten Stolz zu Schaden zu kommen.

      „Ich bin ein Bote des Königs. Ich habe Nachrichten für Euch, einen Brief seiner Majestät.“ Er machte eine kurze Pause. „Und außerdem die Order, Euch unverzüglich an den Hof zu begleiten.“

      „Und wer seid Ihr?“, fragte Miro erstaunt. Er musterte den Mann etwas genauer. Dieser war in einen dunklen Umhang gehüllt, der ihn vor dem kalten Wind schützen sollte. Doch Miro erkannte die gute Qualität des Tuches. Ein plötzlicher Windstoß ließ den Mantel ein wenig auseinanderklaffen, so dass Miro das metallische Aufblitzen eines Kettenhemdes ausmachen konnte. Der Mann trug keinen Helm, doch unter der Kapuze des Mantels, die sein Haupt verhüllte, ließen sich die Umrisse einer Kettenhaube erahnen. Nun fiel es Miro auch auf, dass der Mann unter dem Umhang verborgen ein Schwert trug.

      „Wer seid Ihr “, fragte er noch einmal, „dass Ihr es wagt, in voller Rüstung in der Halle eines friedlichen Mannes zu erscheinen?“

      „Ich bin Rado von Nachod, ein Gesandter des Königs. Und glaubt nicht, dass ich keine Vollmachten habe. Ottokar hat mir freie Hand gelassen, wenn es darum geht, seine Botschaften zu verbreiten.“ Ein düsteres Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

      „Nachod? Seid ihr ein Verwandter von Pacoslav von Nachod?“ Von dem hatte Miro bereits gehört und er wusste, das besagter Pacoslav ein mächtiger Grenzfürst im Nordosten des Landes war.

      „Das ist mein Onkel“, antwortete Rado. „Doch tut das hier nichts zur Sache. Lasst mich in Eure Halle, und Ihr erfahrt, was der König Euch zu sagen hat.“

      Miro blickte in den Burghof. Mindestens ein halbes Dutzend schwer bewaffneter Reiter standen im Schatten der Mauer und waren bereit, sofort einzugreifen, falls ihrem Anführer etwas geschehen sollte. In seiner Rage hatte er sie vorher gar nicht wahrgenommen, doch langsam dämmerte ihm, dass er es hier mit einem ebenbürtigen Gegner zu tut hatte. Er trat einen Schritt beiseite und lud mit einer Geste Rado ein, ihm in die Halle zu folgen. Zdenek hatte die Szene von weitem beobachtet. Als Miro hereinkam, machte er Anstalten, zu gehen. Doch die stumme Aufforderung seines Kumpans, sitzen zu bleiben, ließ ihn auf seinen Stuhl zurücksinken.

      Rado stellte sich an den Kamin und hielt seine klammen Hände über die wärmenden Flammen. Nach einem kurzen Moment drehte er sich zu Miro um und schaute ihn eindringlich an. Miro zog einen weiteren Stuhl unter dem Tisch hervor und forderte den Boten auf, sich zu setzen. Mit einem Zeichen wies er Zdenek an, einen Becher mit Wein zu füllen. Dankbar nahm Rado den Pokal entgegen und trank in tiefen Zügen.

      „Ihr habt einen vorzüglichen Tropfen. Ich wusste gar nicht, dass in dieser Gegend Wein wächst.“

      „Nun, der Wein ist auch nicht von hier. Ich habe ihn aus Südmähren kommen lassen. Dort versteht man es, den edlen Rebensaft zu keltern. Doch sicher seid Ihr