Philipp Porter

Es bleibt für immer ein Geheimnis


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Blick zu.

      „Er wusste es bereits.“

      „Wie, er wusste es? Woher?“

      „Das hab ich ihn nicht gefragt. Aber Weidmann hat anscheinend gute Kontakte.“

      „Ja, schon, aber die Meldung ist doch erst ein paar Stunden alt.“

      „Eben. Und das ist ja das Merkwürdige an der Sache. Mir kommt es so vor, als ob der alte Weidmann die ganze Nacht keinen Schlaf gefunden hat. Der schaut aus wie durch die Mühle gedreht.“

      „Hm …“, knurrte Hofer und warf dabei einen kurzen Blick zu einem der unteren Fenster des Hauses. „Wir werden beobachtet. Viertes Fenster, links neben der Tür.“

      Schimmer schaute schnell zum Haus auf das von Hofer beschriebene Fenster, sah aber nichts. „Das muss das Fenster von dem Büro sein, in dem ich gerade war. Komm, lass uns fahren.“

      Schimmer drehte den Zündschlüssel und startete den Wagen. „Ich denke, dass sich dieses Schauspiel bei den anderen, die wir noch zu besuchen haben, wiederholt. Die kennen sich alle und haben sich mit Sicherheit schon gegenseitig informiert.“

      „Ja, das denke ich auch. Schade nur, dass wir den Auftrag nicht telefonisch erledigen können. Es würde uns einige Mühe ersparen.“

      „Hofer“, rief Schimmer entrüstet und bestrafte seinen Kollegen mit einem vorwurfsvollen Blick. „Du hast wohl gar keine Achtung vor den Gefühlen anderer Menschen?“

      „Doch, schon; aber nicht bei solch aristokratischen Arschlöchern. Die ersticken doch eher an ihren Gefühlen, als sie offen zu zeigen“, maulte Hofer erbost und steckte sich eine weitere Zigarette an.

      Schimmer schaute nach dieser doch sehr profanen Aussage seines Kollegen nicht einmal zur Seite. Er kannte Hofer und dessen Einstellung zum Rest der Welt. Ihn beschäftigte eher der Gedanke, seit wann Weidmann wusste, dass sein Sohn tödlich verunglückt war.

      *

      Der Berliner Straßenverkehr forderte Schimmers volle Aufmerksamkeit, und bei der ganzen Hektik dachte er nicht mehr an Weidmann und an die Fragen, die sich zwangsläufig stellten. Nach halbstündiger Fahrt bog er in die Königsallee ein und ließ, nach kurzer Orientierung, den Wagen direkt vor Paul Wegenrods Anwesen ausrollen. „Was ist, willst du oder soll ich?“, fragte er und warf Hofer einen kurzen Seitenblick zu.

      „Hab doch schon gesagt, dass du der richtige Mann für solche Aufgaben bist. Lass mich also in Ruhe“, maulte Hofer und verschränkte demonstrativ die Arme über seiner Brust.

      Schimmer stieg kommentarlos aus dem Wagen und verschwand in der breiten Toreinfahrt. Er hatte keine Lust, sich mit Hofer herumzustreiten, und es war wohl auch besser, wenn er diese Aufgabe übernehmen würde.

      *

      Mit einer gewissen Erwartungshaltung drückte Schimmer den Klingelknopf in die Messingvertiefung hinein und war gespannt, wie hier, bei den Wegenrods, seine Nachricht aufgenommen werden würde. Es verstrich eine gewisse Zeit und Schimmer wollte bereits den Knopf ein zweites Mal drücken, als die Tür einen Spalt weit geöffnet wurde.

      „Ja, bitte?“, fragte eine zierliche Frau vorsichtig und mit zittriger Stimme durch die geöffnete Tür hindurch.

      „Guten Tag. Mein Name ist Schimmer. LKA Berlin. Ich würde mich gerne mit Frau Wegenrod unterhalten“, brachte Schimmer gerade noch heraus, als die Frau bereits in Tränen ausbrach und schluchzend stammelte: „Ich … ich weiß es bereits.“

      Schimmer wollte Frau Wegenrod gerade auffordern, ihn hereinzubitten, als eine brummige Stimme aus dem Hintergrund rief: „Was ist hier los! Wer sind Sie?“ Gleich darauf tauchte ein Hüne mit schwarzem Anzug und blütenweißem Hemd wie aus dem Nichts auf, schob Frau Wegenrod zur Seite und stellte sich in die jetzt vollkommen geöffnete Tür, die er mit seinem stattlichen Umfang förmlich ausfüllte.

      Schimmer, der solche spektakulären und unnötig wichtig erscheinenden Auftritte von Bodyguards zur Genüge kannte, zückte nur seinen Dienstausweis und sagte knapp: „LKA.“

      „Und? Sie sehen doch, dass Frau Wegenrod mit den Nerven bereits am Ende ist. Lassen Sie sie in Ruhe“, blaffte der Mann, trat einen Schritt zurück und drückte die Tür, Schimmers Dienstausweis in keiner Weise beachtend, ins Schloss.

      „Toll“, murmelte Schimmer und trat verärgert den Rückzug an. Vielleicht hatte Hofer doch recht und sie könnten sich viel Arbeit ersparen, wenn er die nächste Telefonzelle ansteuern würde.

      „Und?“, fragte Hofer und schaute dabei gelangweilt aus dem Seitenfenster, während Schimmer verärgert den Zündschlüssel im Schloss herumdrehte und den Motor mit etwas zu viel Gas lautstark aufheulen ließ.

      „Na was schon. Ich kam noch nicht mal über die Türschwelle hinweg. So ein Zweimetermann von Bodyguard hat mir die Tür vor der Nase zugeknallt. Aber was soll’s. Die restlichen sechs schaffen wir auch noch, und dann kann uns der Obstein mal kreuzweise.“

      *

      Bereits nach wenigen Metern stoppte Schimmer den Wagen erneut. Das Haus von Fritz Gründig lag, etwas versteckt und von der Straße aus kaum zu sehen, hinter einer dichten Kirschlorbeerhecke. Missmutig und verärgert über diese sinnlose Tätigkeit ging er auf das Haus zu und sah beim Herankommen, dass sich der Vorhang an einem der unteren Fenster bewegte. „O Gott“, stöhnte er kurz auf, schüttelte den Kopf und lief in Richtung Haus weiter. Er ahnte bereits, was jetzt passieren würde, und verfluchte – nicht zum ersten Mal – seinen Job.

      Dieses Mal wurde ihm sogar der Druck auf den Klingelknopf erspart, da die Tür bereits geöffnet wurde, noch ehe er die kleine Treppe, die zur Haustür führte, hinaufgelaufen war. Ein junger Mann Mitte zwanzig – in Schwarz gekleidet – stand vor ihm und stellte sich als Sohn von Fritz Gründig vor. Er sagte, noch ehe Schimmer die letzte Stufe genommen hatte, dass sie bereits wüssten, was geschehen sei. Schimmer sprach ihm sein Beileid aus und ging wieder zurück zum Wagen.

      „Mann, das geht ja immer schneller“, flachste Hofer und schüttelte lachend den Kopf. Schimmer sagte nichts. Er startete den Wagen, warf einen kurzen Blick auf die Namensliste und gab Gas.

      *

      Das ganze Schauspiel wiederholte sich bei Gerda Schmidke – dort wurde er von dem Mann der Verstorbenen an der Sprechanlage abgefertigt –, bei Heiko Obstbaum – bei dem er zwar hereingebeten wurde, aber bereits nach wenigen Minuten auch wieder auf der Straße stand –, und Gerd Krämer – bei dem sogar eine Hausangestellte die traurige Nachricht entgegennahm.

      „Wer fehlt noch?“, fragte Hofer gelangweilt, da er sich und seine Meinung, die er über die etwas höher gestellten Persönlichkeiten Berlins hatte, bestätigt fühlte.

      „Wendstein und Fendrich, Petra Fendrich.“

      „Kenn ich nicht“, sagte Hofer und nahm Schimmer die Namensliste aus der Hand. „Fendrich, Fendrich? Ja, Petra Fendrich. Das ist die Kleine, die mit dem Krämer rumgebumst hat.“

      Schimmer nickte. Jetzt, wo Hofer es sagte, fiel es ihm auch wieder ein. „Ja, da stand mal was in dem Berliner Journal. Du hast recht. Das ist seine persönliche Assistentin … war seine persönliche Assistentin“, verbesserte sich Schimmer und nahm die Liste wieder an sich, um den Namen selbst noch einmal zu lesen.

      „Die hätte ihre Muschi besser woanders hinhalten sollen, dann könnte sie jetzt noch leben“, flachste Hofer und freute sich über seine nicht sehr geistreiche Bemerkung.

      *

      Bei Klaus Wendstein, dem Sicherheitsbeauftragten der Firma Chemitec, wurde nicht geöffnet. Schimmer hinterließ seine Karte mit der schriftlichen Bitte, zurückzurufen. Ob Frau Wendstein oder einer ihrer Angehörigen nun anrufen würde oder auch nicht, war Schimmer mittlerweile gleich. Er hatte die Karte lediglich zurückgelassen, um etwaigen Vorwürfen seitens ihres Chefs aus dem Wege zu gehen.

      „So,