Philipp Porter

Es bleibt für immer ein Geheimnis


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lief hastig zur Tür, die in Obsteins Büro führte.

      Welder war bereits im Begriff, sie zu öffnen, als er sich nochmals an Frau Löwitsch wandte: „Ist er da?“, fragte er und bekam ein kurzes Nicken zurück. „Kann ich rein?“, hängte er schnell noch an, drückte den Türgriff aber bereits nach unten und öffnete die Tür.

      „Sicher, Sie doch immer, Herr Welder“, gab Frau Löwitsch zuckersüß und mit einem verschmitzten Lächeln zurück.

      Als Welder die Tür schloss, sah er, dass Frau Löwitsch sich gerade nach einem Aktenordner streckte, der in einem der Schränke stand. Durch den Griff in die obere Schrankreihe raubte sie dem bereits kurzen Minirock noch etwas an seiner Länge, sodass der Spitzenansatz der halterlosen Strümpfe zu erkennen war.

      „O Gott, wie hältst du das nur aus“, sagte Welder bestürzt, aber dennoch mit einem leichten Glanz in den Augen, als er die Tür endgültig schloss.

      Fritz Obstein stand mit einer Blumenspritze am Fenster und hüllte einen kleinen Kaktus liebevoll in einen feinen Wassernebelschleier ein. „Was meinst du?“, fragte er zurück, und im gleichen Augenblick, als er den Glanz in Welders Augen sah, rief er lachend: „Ah, Frau Löwitsch. Jetzt weiß ich, was du meinst.“

      „Ja, Frau Löwitsch. Dass du als Leiter vom LKA so etwas durchgehen lässt“, gab Welder sehr betont zurück und setzte sich in einen gemütlichen Ledersessel, der etwas abseits in einer Ecke stand.

      „Ja, weißt du, die jungen Frauen von heute ziehen sich eben etwas flotter an als zu unserer Zeit. Du müsstest mal meine Älteste sehen, wenn sie abends aus dem Haus geht. Da ist das da draußen noch harmlos. Du bist doch schon etwas zu alt, was“, sagte er neckend und stellte die Blumenspritze auf der Fensterbank ab.

      „Na ja, zu alt will ich ja wohl nicht sagen. Vielleicht etwas verstaubt, aber alt?“

      Obstein lachte über Welders dezente Verteidigung. „Was führt dich zu mir? Oder wolltest du nur mal einen Blick riskieren?“, hängte er noch scherzhaft an und setzte sich mit einem Schmunzeln auf den Lippen an seinen Schreibtisch.

      „Nein, natürlich nicht. Ich habe da eine etwas unangenehme Aufgabe für dich; besser ausgedrückt, für einen deiner Mitarbeiter.“

      „Unangenehm?“, fragte Obstein interessiert, lehnte sich in seinen Stuhl zurück, faltete die Hände und schaute Welder fragend an.

      „Ja. Heute Morgen ist von hier, aus Tempelhof, eine Cessna gestartet und kurz vor dem Landeanflug auf Salzburg aus bisher unbekannten Gründen abgestürzt. Alle Passagiere und die beiden Piloten kamen dabei ums Leben. Die Maschine ist vollkommen zerstört und ausgebrannt. Ich möchte dich bitten, die Angehörigen zu unterrichten. Ich denke, du wirst Beamte haben, die solche brisanten Nachrichten mit Gefühl und Takt überbringen können.“

      Obsteins Lächeln verschwand. Er saß still hinter seinem Schreibtisch und sah Welder ohne eine erkennbare Gefühlsregung an. „Weiß man, wie es passiert ist?“, fragte er mit ausdrucksloser Stimme, nachdem er den Knoten seiner Krawatte etwas gelöst hatte.

      „Nein. Bisher nicht. Die Untersuchungen nehmen in der Regel Tage, ja sogar Monate in Anspruch. Wenn du genauere Informationen benötigst, musst du dich an die BFU in Braunschweig wenden. Die Maschine ist noch auf deutschem Gebiet abgestürzt.“

      „Gut. Ich werde sofort zwei Beamte mit dem Auftrag betreuen.“

      Obstein stand auf, ging um den Tisch herum und streckte Welder seine Hand entgegen, womit er unmissverständlich zeigte, dass dieses Gespräch für ihn zu Ende war.

      Welder schaute irritiert auf Obsteins ausgestreckte Hand. „Du willst mich schon wieder hinauswerfen? Willst du nicht wissen, wer in der Maschine war?“, protestierte er, griff dabei in seine Tasche und zog die Passagierliste, die noch vor wenigen Minuten Schimmelpfennig in seinen klebrigen Händen hielt, hervor.

      Obstein sah ihn einen Moment lang verwundert an, so als wüsste er nicht, was Welder eigentlich meinte. „Ach ja. Ich habe nicht daran gedacht, dass du die Namen schon hast. Also …“, sagte Obstein und streckte seine Hand nach der Passagierliste aus.

      Welder reichte ihm das Blatt, stand auf, und ohne noch etwas zu sagen – aber über Obsteins Verhalten sehr irritiert –, ging er aus dem Büro hinaus.

      „Bis zum nächsten Mal. Ich habe leider keine Zeit mehr für dich“, drang es noch durch die sich schließende Tür hindurch, die schnappend in ihr Schloss fiel. Welder warf erst der Tür und danach Frau Löwitsch einen fragenden Blick zu.

      „Hat wohl einen schlechten Tag“, sagte Frau Löwitsch freundlich, sich für das Benehmen ihres Chefs entschuldigend, und widmete sich danach wieder ihrer Schreibmaschine.

      „Ja, vermutlich“, gab Welder leise zurück und öffnete, bereits in Gedanken versunken, die Tür zum Flur.

       Kapitel 5

      „Möchte wissen, weshalb der Obstein ausgerechnet uns für diesen absolut beschissenen Auftrag ausgesucht hat“, nörgelte Olaf Hofer, während er mit Manfred Schimmer aus dem Präsidium lief. „Wir haben genug zu tun und das Vorzeigepaar sind wir nun auch nicht gerade.“

      „Ja, da hast du recht. Aber hast du dir mal die Passagierliste angesehen?“, fragte Schimmer und hielt Hofer eine Kopie der Liste unter die Nase.

      Hofer nahm missmutig das Blatt entgegen und überflog es mit einem Blick. „Recht eindrucksvoll. Da war ja ein schöner Teil der Berliner Prominenz mit an Bord, oder irre ich mich da?“

      „Nein, kein Irrtum. Die Namen konntest du in den letzten Wochen fast täglich im Berliner Journal lesen“, gab Schimmer zurück und nahm die Liste wieder an sich. „Ich denke, Obstein hat uns genommen, da er weiß, dass wir uns zu benehmen wissen“, scherzte er und klopfte Hofer auf die Schulter. „Ich schlage vor, wir gehen an die Arbeit und machen uns keine Gedanken darüber, weshalb der Obstein ausgerechnet uns ausgewählt hat, okay? Der Erste auf der Liste, Karl-Gustav Weidmann, wohnt hier ganz in der Nähe. Soweit ich weiß, war sein Sohn nicht verheiratet, und eine andere Adresse haben wir sowieso nicht. Und danach fahren wir raus zum Grunewald; dort wohnen die Restlichen.“

      Hofer nickte und trottete Schimmer missmutig nach. Ihm war es eigentlich gleich, wo oder bei wem sie beginnen würden und wo wer wohnte. Er fand es einfach nur merkwürdig, dass Obstein ausgerechnet sie für diesen Auftrag ausgewählt hatte.

      *

      Nach kurzer Fahrt hielt Schimmer den Wagen vor einem schmiedeeisernen Tor an, mit dem wohl selbst ein LKW Schwierigkeiten bekommen hätte, würde man versuchen, es mit ihm zu durchbrechen. Das dahinter liegende Grundstück wurde durch die dicken Eisenstäbe regelrecht von der Außenwelt abgegrenzt, und mächtige Sandsteinpfeiler hielten das schwere Tor in den Angeln. Die mächtigen Pfeiler bildeten den Abschluss einer fast fünf Meter hohen Sandsteinmauer, die anscheinend das gesamte Anwesen umschloss.

      „Nicht schlecht“, staunte Hofer, der das Grundstück der Familie Weidmann offensichtlich noch nicht gesehen hatte. Er begutachtete das weitläufige Gelände durch die dicken Metallstäbe des Tores hindurch und nickte anerkennend. Schimmer kurbelte währenddessen das Seitenfenster herunter und drückte den auf Hochglanz polierten Messingknopf der Sprechanlage.

      „Ja, bitte?“, drang es kurz darauf aus einem Lautsprecher heraus.

      Schimmer wusste, dass er in diesem Moment in einem kleinen Monitor oben im Haus zu sehen war. Eine kleine rote LED etwas oberhalb des winzigen Objektivs, das in die Sprecheinlage eingebaut war, leuchtete auf, und die Überwachungskamera war somit in Betrieb. Er zog seinen Dienstausweis aus der Innentasche seiner Jacke hervor und hielt ihn dicht vor das Objektiv.

      „Guten Tag. Mein Name ist Schimmer. LKA Berlin. Ich würde gerne Herrn Weidmann sprechen“, rief er in das feine Gitter der Sprechanlage hinein und hoffte zugleich, dass sie nicht zu lange warten mussten. Zu solchen Persönlichkeiten