Philipp Porter

Es bleibt für immer ein Geheimnis


Скачать книгу

erst mal hören, was los ist.“

      „Okay. Schönen Dank.“ Schimmelpfennig grinste Welder nochmals freundlich an und verschwand so schnell aus dem Büro, wie er gekommen war.

      Als die Tür mit einem schnappenden Geräusch ins Schloss fiel, setzte Welder ebenfalls ein breites Grinsen auf. Er freute sich, dass er dieses Mal etwas für sich behalten hatte. Die Information über den Einbruch in der vergangenen Nacht würde Schimmelpfennig jedenfalls nicht so schnell herausbekommen.

      *

      Während Welder missmutig über das Gelände des Flughafens lief, dachte er darüber nach, ob zwischen dem Einbruch bei Wagner und dem Absturz der Cessna ein Zusammenhang bestehen könnte. Mit jedem Schritt, der ihn näher an Wagners Hangar brachte, wurde ihm bewusster, welchen Ärger er in den nächsten Tagen bekommen könnte. Die Untersuchung an der Maschine war nicht in dem Umfang ausgeführt worden, wie es eigentlich Vorschrift gewesen wäre. Jetzt, im Nachhinein, ärgerte er sich maßlos darüber, dass er nicht darauf bestanden hatte, die Maschine gründlicher zu untersuchen. Die Zusage für eine Sichtprüfung der Sicherheitssysteme war bodenloser Leichtsinn gewesen.

      Während er weiterlief, kroch ihm ein kalter Schauer über seinen Rücken. Er hatte nur noch zwei Jahre bis zur Pensionierung und die wollte er wenn möglich ohne größere Schwierigkeiten auf seinem warmen Bürostuhl absitzen.

      *

      Welder betrat den Hangar von Private-Gilden-Airline und schaute sich suchend nach Wagner um. Er entdeckte ihn in seinem Büro. Durch die großen Glasscheiben, die in die Bürowände eingelassen waren, sah er, dass Wagner mit hochrotem Kopf und aufgebracht mit den Armen in der Luft rudernd hinter seinem Schreibtisch stand und lauthals brüllte. Ihm gegenüber stand Schimmelpfennig, regungslos, mit gleichgültigem Gesichtsausdruck.

      Leider konnte Welder von Wagners Gebrüll, das nur in Wortfetzen in den Hangar drang, nicht viel verstehen. Doch er konnte sich denken, weshalb Wagner so aufgebracht war.

      „Ich verklage … Sie Schmierfink … verlassen …“, drang es etwas deutlicher aus dem Büro heraus, als er näher herankam. In dem Moment, als er die Tür öffnen wollte, stolperte ihm Schimmelpfennig – mit breitem Grinsen im Gesicht – entgegen.

      „Das war aber nicht sehr nett“, schimpfte er und warf Welder einen bösen Blick zu, der aber sofort von einem lustigen Lachen verdrängt wurde. „Aber wie Sie sehen; es geht auch anders.“

      „Ja, ich weiß“, antwortete Welder gelassen und Schimmelpfennig lachte laut auf. Dann sprang er mit großen Sätzen davon. Dicht gefolgt von Wagner, der nur noch wenige Schritte entfernt war.

      „Raus hier; raus, hab ich gesagt!“, brüllte er wutentbrannt und stürmte an Welder vorbei dem flüchtenden Schimmelpfennig nach. Doch bereits nach wenigen Metern ließ er von der unsinnigen Verfolgung ab und kam, schwer nach Atem ringend, zurück.

      „Hast du diesen verlausten Reporter gesehen? Der kommt hier rein und unterstellt mir, dass ich mit dem Absturz der Cessna was zu tun hätte“, fluchte er lautstark und drückte Welder zornig zur Seite.

      Welder verkniff sich ein Grinsen und folgte Wagner in das Büro hinein. Er schloss die Tür und lehnte sich rücklings, die Hände in seine dicke Winterjacke vergraben, gegen den Türrahmen.

      „Na, dann weißt du ja, weshalb ich hier bin“, sagte er und warf Wagner, der sich schwerfällig hinter seinem Schreibtisch niederließ und seine schweißnasse Stirn mit einem Taschentuch trocknete, einen fragenden Blick entgegen.

      „Ja, ist mir klar. Aber wie du ja siehst, schleichen die ersten Reporter bereits hier herum und stellen dumme Fragen.“

      „Wusstest du, dass die Cessna abgestürzt ist, oder hat der Reporter es dir gesagt?“

      Wagner erstarrte förmlich in seiner Bewegung. „Fängst du auch noch an, dumme Fragen zu stellen? Ich weiß es eben. Basta! Von wem, ist wohl gleich; oder?“, fluchte er und knallte einen Ordner mit voller Wucht auf den Schreibtisch. „Ich hab etwas anderes zu tun, als blödsinnige Fragen zu beantworten. Ich habe eine Maschine und zwei meiner besten Piloten verloren. Ich habe keine Zeit. Was denkst du eigentlich, was hier in den nächsten Tagen los ist?“

      Welder nickte. „Ich weiß, was in den nächsten Tagen hier los ist. Es gehört zu meinem Job, es zu wissen. Aber ist dir nicht klar, dass wir einen gewaltigen Fehler gemacht haben? Wir haben die Cessna nur einer Sichtprüfung unterzogen.“

      „Rede keinen Blödsinn …“, zischte Wagner und kam wie ein wütender Stier hinter seinem Schreibtisch hervorgestürmt. „Mach die Pferde nicht scheu mit so einem dummen Gerede. An der Cessna war nichts, das hat Hajo festgestellt. Wer weiß, was die Einbrecher gesucht haben. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“ Wagner baute sich dicht vor Welder auf und starrte ihn aus blitzenden Augen an. „Hast du diesem verlausten Reporter von dem Einbruch erzählt?“, zischte er.

      „Nein, ich habe ihm nichts von dem Einbruch gesagt“, gab Welder zurück und war in diesem Moment froh, dass er Schimmelpfennig wirklich nichts erzählt hatte.

      Wagner blieb dicht vor Welder stehen und sah ihm mit prüfendem Blick starr in die Augen. „Gut. Lass es auch. Es ist meine Sache und geht dich nichts an, ist das klar?“

      Welder nickte. Doch im gleichen Moment wuchs auch sein Misstrauen. „Was machst du, wenn die Polizei noch mal kommt und dich auf den sehr fragwürdigen Zufall anspricht?“, fing er vorsichtig an, obwohl Wagner deutlich ausgesprochen hatte, dass er sich aus der Sache heraushalten sollte.

      Wagner warf sich herum und stampfte, ohne etwas zu erwidern, zum Schreibtisch zurück.

      „Auch gut. Ich habe dich hiermit offiziell informiert, dass deine Maschine heute Mittag kurz vor zwölf abgestürzt ist. Alle Passagiere wie auch die Besatzung kamen dabei ums Leben. Verständigst du Steins Eltern und Millers Frau, oder soll ich es tun?“

      „Das übernehme ich. Es waren meine Angestellten“, rief Wagner barsch und drehte Welder den Rücken zu.

      Für einen Moment blieb Welder an der Tür stehen, ehe er das Büro verließ. Er wusste einfach nicht, wie er Wagners Verhalten einschätzen sollte. Langsam, sich über ihn und die verworrene Situation Gedanken machend, ging er aus dem Hangar hinaus und lief in Richtung LKA weiter, dessen Gebäudekomplex an das Flughafengelände angrenzte.

      Als er um die Ecke des Hangars bog, sah er Schimmelpfennig an dem VW-Bus von Private-Gilden-Airline stehen. Er redete auf Hajo ein, der hinter dem Steuer saß, und Welder sah ein paar zerknüllte Geldscheine in Schimmelpfennigs Hand. „Der gibt nie auf“, murmelte er und ging, ohne noch weiter auf den Journalisten zu achten, weiter. Er war jetzt schon gespannt, welche Schlagzeile am morgigen Tag auf der Titelseite des Berliner Journals prangen würde.

      *

      Im LKA blieb Welder hinter der Eingangstür stehen und überflog den Wegweiser, auf dem alle Abteilungen mit den zugehörigen Unterabteilungen verzeichnet waren. An wen sollte er sich wenden? Er hatte solch einen Fall in seiner bisherigen Dienstzeit noch nicht gehabt. Welder entschied, direkt zu Fritz Obstein, dem Leiter vom LKA, zu gehen. Obstein war ein langjähriger Bekannter von ihm.

      An Obsteins Büro angekommen, klopfte Welder kurz an und trat, ohne weiter abzuwarten, ein. Frau Löwitsch, Obsteins Sekretärin – eine sehr attraktive Blondine Mitte zwanzig –, saß hinter ihrem Schreibtisch und begrüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln. Welder grüßte mechanisch zurück. Seine Gedanken beschäftigten sich bereits mit dem tief dekolletierten, eng anliegenden Pullover von Frau Löwitsch, unter dem er deutlich den Rand ihres knappen Büstenhalters erkennen konnte. Während er geistesabwesend auf den Pullover starrte, fragte er sich, ob sich die junge Frau nicht etwas in ihrer Garderobe vergriffen hatte. Immerhin war es Februar und draußen herrschten seit Tagen Temperaturen, die unter dem Gefrierpunkt lagen. Als Frau Löwitsch sich von ihrem Stuhl erhob und Welder den kurzen schwarzen Minirock und die kniehohen Stiefel sah, war sein Kopf plötzlich und unerwartet leer. Er dachte weder an den Absturz der Cessna noch daran, dass