Uwe Bekemann

Im Bann des Augenblicks


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dem Internet verschwunden waren.

      Er hatte sich vergewissert, dass seine Firewall aktiv war und deren Einstellungen dafür sorgten, dass er sich unsichtbar im Netz bewegte. Sodann hatte er erneut die Netzverbindung hergestellt, seine Spezialsoftware gestartet und versucht, sich Zugang zu den Kundendaten des Providers zu verschaffen. Allen Versuchen zum Trotz war er immer an derselben Stelle hängen geblieben, an der es zu Sicherheitsabfragen kam, die er zu umgehen trachtete. Völlig in seine Bemühungen vertieft hatte er alsbald jegliches Gefühl für die Zeit verloren.

      Es mussten Stunden vergangen sein, als ihn plötzlich das Anschlagen des Haustürgongs aufschreckte. Ungläubig schaute er auf seine Armbanduhr. Es war drei Uhr in der Frühe.

      „Wenn sie immer noch so verrückt wie früher ist, dann kann es nur Nina sein! Wer sonst?“, dachte er sich, ging zur Wohnungstür und wollte gerade den Sprechknopf der Türsprechanlage betätigen, als der Gong ein zweites Mal die Stille durchbrach.

      „Ja bitte?“, fragte er in das Mikrofon.

      „Kripo Dortmund“, kam es zurück, und der Sprecher ergänzte seine Meldung noch um einen Namen, den Alex jedoch nicht richtig verstand.

      „Sagen Sie, wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?“, fragte er entgeistert, um dann mit ärgerlichem Unterton fortzusetzen: „Kommen Sie morgen wieder!“

      Er war nicht bereit, mitten in der Nacht Polizisten in seine Wohnung zu lassen.

      Der Sprecher aber blieb hartnäckig.

      „Herr Schröder, wir möchten ebenso wie sie, dass kein Aufsehen erregt wird, machen Sie also bitte die Tür auf!“

      „Was wollen Sie denn von mir?“

      Der Sprecher wartete einen Moment mit seiner Antwort. Alex hatte das Gefühl, dass er sich erst überlegen musste, ob er den Anlass des Besuchs an der Haustür preisgeben durfte.

      „Es geht um Ihre illegalen Internetaktivitäten, die wir erkannt und protokolliert haben“, sagte er endlich, und ergänzte: „Wir haben Sie auf frischer Tat ertappt. Wenn Sie nicht öffnen, müssen wir uns gewaltsam Zutritt verschaffen, um Beweise zu sichern. Öffnen Sie also bitte!“

      „Mist, das waren die Bullen, die mich ausgespäht haben!“, schoss es ihm durch den Kopf. „Es war deren Zugriff auf mein System, der in meinem Protokoll gestanden hat. Das hat mir gerade noch gefehlt! Und ich Idiot habe vorschnell geglaubt, dass ich den Typen erwischt habe!“, warf er sich vor.

      „Okay, wenn es denn unbedingt sein muss“, gab er widerwillig nach.

      „Aber nur kurz, bitte sehr!“

      Er löste den Öffner für die Haustür aus und trat durch die Wohnungstür ins Treppenhaus hinaus. Die Polizisten sollten nicht auch noch an der Wohnungstür läuten müssen, was die Nachtruhe der Nachbarn zusätzlich stören konnte. An ein Verstecken seines Computers und ein Beseitigen aller Beweismittel war ohnehin nicht mehr zu denken.

      Die automatische Treppenhausbeleuchtung war bereits angesprungen und von unten erklangen leise Trittgeräusche.

      „Wenigstens versuchen sie besonders leise zu sein“, erkannte er an.

      Augenblicke später erschienen die beiden Herren, als sie die letzte Kehre der Treppe auf dem Weg ins zweite Obergeschoss hinter sich gelassen hatten.

      Zivile, dachte er sich. Beide Herren waren farblos, aber korrekt gekleidet.

      „Ich möchte bitte zunächst Ihren Dienstausweis sehen!“, empfing Alex seine ungebetenen Gäste.

      „Das ist Ihr gutes Recht“, erklärte der ihn zuerst erreichende und mit einem Akzent sprechende Polizist, fuhr mit der Hand in die Innentasche seiner Jacke und holte eine Brieftasche heraus. Im Gehen schlug er diese auf, passierte dabei Alex und die geöffnete Wohnungstür und stand unvermittelt im Flur.

      „He, erst Ihren Ausweis!“, protestierte Alex flüsternd.

      Der Polizist blieb im Flur stehen.

      „Ja, natürlich doch, immer mit der Ruhe! Wir wollen doch niemanden aufwecken!“

      Alex folgte ihm in seine Wohnung, seinerseits vom zweiten Polizisten verfolgt, der sich von Alex unbemerkt weiße Stoffhandschuhe überstreifte und dann die Wohnungstür hinter Ihnen schloss.

      Ohne dass Alex auch nur die geringste Chance zur Gegenwehr hatte, trat der zuletzt Eingetretene von hinten an ihn heran, und während Alex immer noch zusah, wie der andere zur Ablenkung umständlich in seiner Brieftasche kramte, fasste ihm der Zweite mit der linken Hand brutal in die Haare, zog seinen Kopf nach hinten und hielt ihm zugleich mit der rechten Hand den Mund zu.

      „Keinen Laut!“, drohte er.

      Im Bruchteil einer Sekunde wurde Alex sein verhängnisvoller Fehler bewusst, vorschnell der Erklärung der Männer Glauben geschenkt zu haben, von der Polizei zu sein.

      Der Angreifer nahm die Hand von Alex Mund. Einen Augenblick später hielt er ein langes Messer in seiner rechten Hand und setzte es Alex an der ihm abgewandten Seite so an den Hals, dass die Schneide dessen Haut berührte.

      „Bist du allein?“, zischte er und als Alex zunächst schluckte und nicht sogleich antwortete, drückte er ihm das Messer so tief in die Haut, dass schon eine Schnittverletzung drohte.

      „Ja, ich bin allein! Was wollt ihr?“

      Seine Frage wurde ignoriert. Der Begleiter steckte die Brieftasche wieder ein und streifte sich nun ebenfalls weiße Stoffhandschuhe über, während er nacheinander alle Räume der Wohnung inspizierte, um dann zu seinem Komplizen zurück zu kehren.

      „Es ist niemand sonst da“, meinte er leise. „Der Computer steht dort vorn“, ergänzte er mit dem Arm zum Arbeitszimmer zeigend.

      Der Mann mit dem Messer zog Alex´ Haare zugleich hoch und noch weiter nach hinten, und zwang ihn, das Messer nicht von seinem Hals nehmend, in kleinen Schritten in das Arbeitszimmer. Der Zweite nahm die ausgedruckte Log-Datei zur Hand, die Alex neben den Monitor gelegt hatte.

      „Interessant!“, meinte er nach einem kurzen prüfenden Blick darauf. Unter den Augen von Alex und dem Messerträger setzte er sich an den PC und durchforstete die verschiedenen Ordner nach den darin abgelegten Daten.

      „Er ist unser Mann“, stellte er dann fest und Alex war klar, dass dies nichts Gutes für ihn bedeuten konnte.

      „Warum hast du uns nachspioniert und unsere Seiten gelöscht?“

      Mit durchdringenden Augen sah er Alex an.

      „Ich hätte es nicht tun sollen!“, versuchte der zu beschwichtigen. „Ich bin einfach darauf gestoßen und konnte nicht widerstehen, eure Seite zu hacken.“

      Der Fremde sah ihm schweigend und regungslos einige weitere Sekunden ins Gesicht. Er schien nachzudenken, ob er der Beteuerung seines Opfers glauben konnte, ob es der Zufall zulassen können hatte, dass die Daten im selben Ort gehackt worden waren, von dem aus sie ins Internet gestellt worden waren.

      „Deinen PC und deine Datenträger werden wir dir entführen müssen“, meinte er dann, während er sich erhob und auf Alex zu trat. Direkt vor ihm blieb er stehen und grinste breit. Alex zitterte vor Aufregung.

      „Es wird dir aber nichts davon wirklich fehlen, denn du brauchst nichts mehr!“

      Blitzschnell wurde Alex bewusst, dass die beiden Eindringlinge es nicht dabei bewenden lassen würden, seinen PC zu stehlen und ihm einen Denkzettel zu verpassen. Sie wollten mehr! Sie wollten sein Leben!

      Er riss den rechten Arm hoch, um den Arm des Messerträgers bei Seite zu stoßen und dann ins Treppenhaus zu flüchten, aber er kam nicht dazu. Völlig skrupellos stach der Gewalttäter das Messer tief in Alex´ Hals und schnitt ihm im gleichen Atemzug die Kehle durch. Stumm und mit weit aufgerissenen Augen knickten Alex die Beine weg und er fiel in sich zusammen, wurde aber vom zweiten Mann aufgefangen. Vorsichtig ließ der ihn zu Boden gleiten, um möglichst keine Geräusche zu verursachen, die in anderen Wohnungen Aufmerksamkeit auslösen konnten. Zu zweit trugen ihn die Männer in den Flur, wo er ihnen nicht im Weg lag.

      Während Alex sterbend auf dem Flurboden lag, ließen die Verbrecher von