Uwe Bekemann

Im Bann des Augenblicks


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der eine den Netzstecker des Computers zog, ohne sich die Mühe gemacht zu haben, diesen vorher auszuschalten, zerrte der andere eine mitgebrachte Plastiktasche aus der Hosentasche und verstaute alle CDs und Disketten darin, die er auf und im Schreibtisch fand und die offensichtlich als Speichermedium für Alex persönliche Daten verwendet worden waren. Alle anderen CDs stapelte er achtlos nach einem kurzen prüfenden Blick auf dem Schreibtisch. Zuletzt kontrollierte er einige Hüllen von kommerziellen Programmen, um sicher zu gehen, dass Alex in diesen keine eigenen Daten-CDs versteckt hatte.

      „Der Knabe hat sich sehr sicher gefühlt“, meinte er dann leise zu seinem Komplizen, als er keinerlei Anzeichen dafür fand, dass Alex Datenträger versteckt haben könnte.

      „Zu sicher“, stellte der andere fest, während er kurz aufsah und überheblich grinste.

      Alex Mörder zog seine Handschuhe aus, von denen der eine blutgetränkt war, und steckte sie in die Hosentasche. Sein Begleiter behielt seine Handschuhe an.

      Der Mörder nahm den PC unter den Arm, während sein Komplize die Plastiktüte mit den Datenträgern an einer Hand tragend noch einen letzten flüchtigen Blick durch das Zimmer und das Wandregal warf. Da er nichts Auffälliges bemerkte, gab er dem Mörder das Signal zum Aufbruch. Am inzwischen toten und in einer großen Blutlache liegenden Alex vorbei gingen sie betont vorsichtig zur Wohnungstür, um möglichst jedes Trittgeräusch zu vermeiden. Nach einem jeweils kurzen Blick zunächst durch den Türspion und dann durch einen Spalt der vom Handschuhträger vorsichtig geöffneten Tür verließen sie die Wohnung, deren Tür fast lautlos hinter sich ins Schloss ziehend. Die Treppenhausbeleuchtung sprang an. Ohne einem Hausbewohner oder Besucher zu begegnen, verließen sie das Gebäude so leise wieder wie sie gekommen waren.

      20 – Sorgen unter südlicher Sonne

      Zu dem nächtlichen Zeitpunkt, als sich Alexander Schröders Mörder Zutritt zu dessen Wohnung verschafften, waren in einem mehrere tausend Kilometer entfernten Büro unter südlichen Breiten erst wenige Minuten zuvor die Lichter gelöscht worden. Vom sorgenvollen Nachdenken am Schlaf gehindert war der Inhaber nach dem Zubettgehen wieder aufgestanden, um sich noch einmal Gewissheit darüber zu verschaffen, dass seine Dokumente in Ordnung waren, oder neugierigen Fremden zumindest einen solchen Eindruck vermitteln würden. Es könnten irgendwann auch fachkundige Augen sein, die sich für deren Inhalte interessieren würden.

      Es war keine frohe Kunde gewesen, die er zuletzt aus der ehemaligen Heimat gehört hatte. Es hätte nicht so kommen müssen! Wäre sein Partner von Beginn an professioneller vorgegangen, dann hätte eine Situation wie die aktuelle gar nicht erst auftreten können.

      Er war sich sicher gewesen, dass alles in Ordnung war, auch noch zuvor im Bett. Dann aber waren ihm Zweifel gekommen, ebenso plötzlich wie unerklärlich. Die unvermeidlich eintretenden Sorgen hatten nach und nach jede Gewissheit vertrieben, und was ihm zuvor noch als unumstößlich gegolten hatte, war dann plötzlich wieder fraglich geworden. Neue Ideen waren ihm gekommen, neue Ideen zu Anhaltspunkten, aus denen neugierige Augen die notwendigen Informationen ziehen können würden, um dann eine Sache ins Rollen zu bringen. Schließlich waren seine Zweifel so bestimmend geworden, dass ihm sein Gehirn einredete, er müsse etwas übersehen haben. Er hatte aufstehen, sich ankleiden und ins Büro gehen müssen, um sich neue Gewissheit zu verschaffen. Er hätte nicht einschlafen können, wenn er seine Kontrolle auf den morgigen Tag verschoben hätte. Er hätte sich fortlaufend und mehr und mehr selbst gemartert.

      Er war also aufgestanden, hatte die schon unzählige Male geprüften Unterlagen noch einmal kontrolliert. Eigentlich hatte er es vorher genau gewusst, jetzt aber hatte er neue Gewissheit gefunden! Es war alles in Ordnung! Niemand würde aus seinen Dokumenten Vorwürfe gegen ihn herleiten können! Dann aber hatte er seine gedankliche Feststellung präzisiert. Niemand würde allein aus seinen Dokumenten Vorwürfe gegen ihn herleiten können!

      Er war wieder zu Bett gegangen, und die neu gewonnene Beruhigung hatte ihn seinen Schlaf finden lassen.

      21 – Schlechte Nachricht in dunklen Geschäften

      Es musste in den frühen Morgenstunden sein, als er vom melodiösen Läuten seines auf dem Nachttisch liegenden Handys aufgeschreckt wurde. Im Unterbewusstsein hatte er zwar schon das mehrmalige Rufzeichen des Festnetzapparats im Wohnzimmer wahrgenommen, das erst verstummt war, als der Zeitpunkt der automatischen Weiterleitung des Anrufs auf das Handy gekommen war. Diese Vorwarnung hatte jedoch nicht ausgereicht, um ihn rechtzeitig und sanft aus dem Schlaf zu locken und ihm das jähe Erwachen beim Erklingen des Handys zu ersparen.

      „Ja bitte!“

      Seine Stimme klang nicht nur gequält und missgestimmt, sondern man konnte ihr auch unschwer seinen offenkundigen Wunsch entnehmen, den Anrufer auf die Uhrzeit und auf die Unverschämtheit eines Anrufes zu dieser Stunde aufmerksam zu machen. Er hatte sich erst zu vorgerückter Stunde, deutlich nach Mitternacht, zur Ruhe begeben können, da er auf einen vereinbarten Anruf hatte warten müssen. Nun war es zu allem Überfluss auch noch dieses unerwartete und unwillkommene Gespräch, das ihm die Erholung im Schlaf vergönnte.

      „Ich bin´s noch mal, Meister“, meldete sich der Störer, „Sie wissen schon, Worrior.“

      Im Bruchteil einer Sekunde war der Angerufene hellwach.

      „Was ist los? Was ist passiert? Warum melden Sie sich noch einmal, und dann auch noch mitten in der Nacht?“

      „Na ja“, kam es zögernd zurück. „Ich dachte, dass es gut sein würde, wenn ich Sie so schnell wie möglich informiere, dass es noch einmal Probleme gegeben hat, ganz unvorhersehbar.“

      „Von welchen Problemen sprechen Sie? Ich möchte wissen, wie gesagt, was denn nun schon wieder passiert ist!“

      „Immer mit der Ruhe, Meister!“, forderte der Anrufer, dem nicht verborgen geblieben war, dass er seinen Gesprächspartner in höchste Aufregung versetzt hatte.

      „Was ist passiert?“, wiederholte der Angerufene energisch.

      „Okay, wir mussten leider feststellen, dass jemand so unvorsichtig war, sich an unsere Fersen zu heften.“

      „Sie sind verfolgt worden?“

      Es war ein blankes Entsetzen, das in der Frage mitschwang.

      „Von einem Verfolgen kann man wohl weniger sprechen, jedenfalls im eigentlichen Sinne. Nein, es hat jemand versucht, uns über das Internet zu identifizieren. Er ist den Spuren gefolgt, die wir mit unseren Daten dort hinterlassen haben.“

      „Was hat er herausbekommen? Ich will, wie gesagt, wissen, ob er Erfolg gehabt hat! Und um wen handelt es sich überhaupt?“

      „Es handelt sich um niemanden mehr, aber es handelte sich um einen, na sagen wir einfach, um einen jungen Mann.“

      „Handelte? Sie haben auch ihn...?“

      Der Angerufene sprach den Vorfall nicht aus, vor dem er Angst hatte.

      „Ja, haben wir! Es ging nicht anders.“

      „Wer war es? Wie heißt er?“

      „Sie wissen doch, Meister, Namen sind Schall und Rauch! Bei unserem morgigen Treffen sehen wir weiter!“

      „Aber wie ist es dazu gekommen, dass er im Internet auf Sie gestoßen ist? Es muss doch einen Anlass zur Suche für ihn gegeben haben. Und er muss doch auch Anhaltspunkte dafür gehabt haben, wo er suchen musste! Das kann doch, wie gesagt, nicht alles Zufall gewesen sein!“

      „Mag sein, dass er Informationen hatte.“

      „Dann muss er doch aber von jemandem eingeweiht worden sein! Ich frage mich, wie gesagt, wer das gewesen sein könnte, denn derjenige könnte eine Gefahr für uns bedeuten.“

      „Das wird das erste getötete Täubchen gewesen sein, wer sonst? Und dieses Vöglein kann nun mal keine Beziehung mehr zwischen den beiden Fällen herstellen.“

      „Und was ist mit der Tochter?“

      „Würden Sie sich in deren Lage an einen Fremden wenden, der dann so nette Fotos von Ihnen zu Gesicht bekäme?“

      „Na gut, können uns seine Erkenntnisse