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geworden, dass dies ein Plan der weiteren Umgebung ihres Dorfes ist. Den will er sich genauer betrachten. Als er davor steht, ist er von den vielen Details verwirrt. Iogi hat bis jetzt nur mit einem Stock auf den Boden gezeichnete Pläne gesehen und dazu gleich eine Erklärung in der Form: „Wir sind hier, dann gehen wir nach Süden bis zu dieser Wiese, dort links an dem Berg vorbei nach ... usw.“ gehört. Doch er hat einen Anhaltspunkt, hier hin hat der Gott gezeigt erinnert sich Iogi und sein Finger kreist über dem gleichen Bereich wie noch vor Kurzen der Finger des Gottes. Zwei weiße Bereiche, getrennt und umgeben von Rosa; etwa in der Mitte jedes weißen Gebietes ein kleiner schwarzer Fleck. Daneben merkwürdige Zeichen und — dahinter eine „5“. Iogis Augen gleiten linksherum und finden „4“ — „3“ — „2“ — „1“ jeweils am Ende der Zeichen bei den schwarzen Flecken im weißen Gebiet. Was hat Albano vorhin gesagt? Das müsste dann das fremde MD4 sein und Iogis Finger liegt auf der „4“, er wandert nach rechts — und das sind wir! Allmählich lichtet sich der Wirrwarr des Planes und gibt Informationen frei. Dieser rote Strich ist die Hauptstraße, zu der wir immer die Milch bringen, diese blaue Linie der Eschenbach, dieser Bereich mit den vielen kleinen, kurzen Strichen die Eschenbrunnalm, umschlossen von Bereichen mit vielen kleinen Spitzen — die bedeuten sicher Wald. Iogi beginnt sein neues Wissen anzuwenden, sein Finger rutscht nach links Richtung MD4 zum übermorgigen Jagdrevier. Kleine, kurze Striche — die große Sommerweide, ja hier gibt es viele Hasen. Die blaue Linie die Weiß und Rosa trennt — der Grenzbach, der den Anfang des verbotenen Gebietes anzeigt. Iogi “betritt“ das verbotene Gebiet. Ein schmaler Waldstreifen entlang des Baches, dass Wald hinter dem Bach steht, war Iogi bekannt, nur dass er so schmal ist, nicht. Dann wieder Wiese, ein weiterer Bach parallel zum Grenzbach - Wald, etwas breiter, an seinem Ende endet auch Rosa, verbotenes Gebiet — nochmal Wiese, durch die sich ein roter Strich zieht. Die Straße, die wir übermorgen nicht überschreiten dürfen und dann ... Iogi kann nichts mehr richtig erkennen, die aufkommende Dunkelheit des Nachmittagsendes im Spätherbst verhindert weitere Erkenntnisse, so verlässt er ungesehen die Kirche und geht nachhause. Bald darauf liegt er im Bett und träumt davon das ominöse MD4 zu besuchen.

      Die Familie frühstückt gerade als, nach dem Klopfen an der Tür, Miro, von Iris, dem Nesthäkchen, hereingelassen, die Küche betritt. „Guten Morgen“ „Hallo Miro, setz dich, magst du eine Tasse Tee? Himm- und Brombeerblätter fermentiert.“ Antwortet Rita. Sie ist Iogis große Schwester, etwas kleiner als er, ebenfalls blond, schlank, und wie Iogi meint, ganz gut gebaut. Wie alle Mädchen ihres Alters hat auch sie ein Auge auf Miro geworfen. Der setzt sich und blinzelt Rita zu. „Sehr gern hast du die Blätter gesammelt?“ „Ja und auch selbst fermentiert.“ „Mmm, er schmeckt ausgezeichnet.“ „Mmm, er schmeckt auch nicht anders als jeder andere Himm- und Brombeerblätter Tee“ neckt Karl, Iogis kleiner Bruder, die beiden Turteltauben.

      Daraufhin verkündet Miro, etwas wichtigtuerisch, seine Botschaft: „Der Priester bittet euch, Herr Birke und dich Iogi, gleich nach dem Frühstück in die Kirche, es wird bis Mittag dauern und ist sehr wichtig. Es kommen noch weitere Männer.“ Bei dem Wort “Männer“ blickt er Karl verächtlich an. Dieser hat verstanden und mault. „Wo ist denn Iogi ein Mann?“ Die „Männer“ strafen ihn durch Ignorieren und brechen auf. Johann Birke, Iogis Vater, bleibt sitzen. „Ich komme nach, wenn ich fertig bin, es wird schon nicht so dringend sein.“ Auf dem Weg zur Kirche äußert sich Miro geheimnisvoll. „Das wird sicher eine große Sache, wenn Klaus und Albert mit von der Partie sind; ich konnte Großvater überreden, dich mitzunehmen.“

      Durch diese Angeberei lässt Iogi sich hinreißen und erwidert lässig. „Es geht darum den Göttern bei der Jagd zu helfen, an der großen Sommerweide und Albert, Eras und ich sind dazu auf ausdrücklichen Wunsch der Götter dabei.“ Kaum sind die Worte heraus bedauert Iogi zu tiefst, mit seinem Geheimnis, so geprahlt zu haben. Miro mustert ihn staunend und stellt die befürchtete Frage. „Woher willst du das denn wissen?“ Iogi zermartert sich den Kopf nach einer zufrieden stellenden Erklärung und antwortet nach einer Pause lächelnd: „Er ist auch mein Großvater.“ Nach und nach treffen die eingeladenen Männer in der Kirche ein, Iogis Vater, unter Varus strengen Augen, als Letzter. Der Priester steigt die Stufe zum Altar empor und beginnt. „Ich freue mich, dass wir nun“ - mit Blick auf Johann „endlich — vollzählig sind.“ Er hebt die Arme zum Gebet. „Ehre und Dank sei den Göttern die gnädig und helfend über uns wachen .“ „. Amen.“

      Nach dieser langen Andacht kommt er zur Sache. „Die Götter beglücken uns mit ihrem Vertrauen und schenken uns die Ehre ihnen morgen bei der Hasenjagd behilflich zu sein. Dabei werden wir auf ihren Wunsch auch den Grenzbach bei der großen Sommerweide überschreiten und soweit nach Westen in das verbotene Gebiet gehen, wie ich es euch im Namen der Götter erlaube. Aber keinen Schritt weiter, niemand von euch darf sich westlich von mir aufhalten.“ Aufgeregtes Gemurmel erfüllt die Kirche. „Ruhe! Die Götter werden bei der Jagd so genannte Gewehre verwenden“ ruft Varus und hält ein geschnitztes Brett in die Höhe; Iogi erkennt die große Ähnlichkeit mit dem Stock, den die Götter zur Tötung des Fremden auf der Eschenbrunnalm benutzt hatten. „Wer hat so was Ähnliches schon mal gesehen?“ Albert, Eras und Iogi melden sich. „Nun Albert, du warst am meisten betroffen — erzähl mal!“ Fordert ihn Varus auf. „So ein Gewehr bringt Schmerz und Tod aus großer Entfernung. Eras und ich haben euch ja vor Wochen erzählt, wie die Götter diesen ungehorsamen Priester getötet haben und mein Ohr verletzt wurde. Diese Götter hatten so ein Gewehr.“ Die Männer in der Kirche flüstern erregt miteinander. „Was hat der Gott damit gemacht?“ Fragt der Priester, und das Gemurmel verebbt. „Er hat mit dem Gewehr in die Richtung von uns und dem Fremden gezeigt.“ Ruft Iogi. „Sehr gut beobachtet“ lobt der Großvater stolz und fährt fort. „Deshalb ist es ganz wichtig, dass man niemals da steht, wohin ein Gewehr zeigt.“ Varus belehrt anschließend die Männer den ganzen Vormittag lang über das Verhalten bei der morgigen Treibjagd.

      Bereits um fünf Uhr haben die Kirchenglocken das gesamte Dorf aus dem Schlaf gerissen, obwohl ihr Weckruf nur den auserwählten Treibern galt. Seit kurz nach halb sechs stehen sie vor der Kirche, im drei Finger hohen Neuschnee der Nacht, in kleinen Grüppchen zusammen und unterhalten sich über die bevorstehende Jagd. Endlich ist das Geräusch von Fahrzeugen zu hören, die sich zum Dorf bewegen. „Da kommen sie!“ Ruft Klaus und in der Ferne, Richtung Milchverladeplatz, flackert, immer wieder durch Bäume verdeckt, fahles Scheinwerferlicht in der Finsternis. „Männer!“ Ruft der Priester. „Bei aller Aufregung vergesst nicht, dass es die Götter sind, die da kommen. Wir müssen sie gebührend empfangen.“ Drei Scheinwerferpaare fressen dich durch die Dunkelheit des Dezembermorgens und kriechen zum Dorf. Geführt von einem schwarzen Geländewagen fahren zwei dreiachsige, dunkelgrüne Lastwagen vor der Kirche auf. Aus jedem Fahrzeug steigt ein Gott aus und stapft auf die Männer zu, diese knien sich in den Schnee und beten. „Ehre und Dank sei den Göttern, die gnädig und helfend über uns wachen .“ Einer der Götter, Iogi erkennt Albano, hebt die Hand, worauf das Gebet unregelmäßig verstummt. „Danke und guten Morgen, erhebt euch, wir sind spät dran. Priester, du fährst mit mir, ihr anderen verteilt euch auf den Ladeflächen der Transporter und dann Abflug!“

      Iogi klammert sich, wie alle seine Mitfahrer, krampfhaft an die Sitzbank auf der Ladefläche des LKWs. Seit sie die Straße verlassen haben und über offenes Gelände fahren, ist die Schaukelei unerträglich. Bei einer besonders gemeinen Bodenwelle hat die Bank sogar zwei Männer abgeworfen, die dann fluchend auf der Ladefläche herum kugelten, bis sie sich endlich wieder auf ihren Sitz zurückkämpften. „Wie lang soll das noch so gehen?“ Jammert eine Stimme aus der Dunkelheit. „Halt dich fest und sei froh, dass du eine Plane über dem Kopf hast und nicht laufen musst.“ Kommt eine Antwort zurück.

      Kurze Zeit später stoppt der LKW und die Treiber dürfen aussteigen. Auf einem unbekannten Platz parken fünf große Transporter und drei Geländewagen. Sie stehen in einem Dreiviertelkreis, die Scheinwerfer nach innen gerichtet und beleuchten so ein geschäftiges Treiben von gut zehn Göttern. Diese weisen den Neuankömmlingen schnell Arbeit zu. „Alles von diesem LKW abladen und dort neben der Werkzeugkiste stapeln.“ Werden Iogi, Eras und zwei weitere Dörfler angewiesen. Sie fangen an. Iogi muss den Stapel Bierbänke, die er mit Eras schleppt, absetzen, er ist für ihn zu schwer. Einer der Götter schimpft los. „He, niemand hat etwas von Pause gesagt.“ Und als er erkennt, dass es