Önne Hedlund

Die Götter mit den blauen Haaren


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ein, der gerade vorbeigeht. „Der Mayer Joe, na ja, der Junge hat wirklich einen hübschen Knackarsch.“ „Das will ich überhört haben. Ich nehme ihn mit zum Verpflegungsteam, die sollen Ihnen dafür einen Mann schicken. O.K?“ „Sie sind der Boss Herr Berat.“

      Nach einiger Zeit ist das Lager, bestehend aus einem offenen Zelt, Tischen, Bänken, Kochstelle, Bierkisten usw. in groben Zügen zur Zufriedenheit der Götter errichtet. Um die Dörfler zu beschäftigen, lassen die Götter noch ein paar zum Teil nicht sinnvoll erscheinende, Feinarbeiten ausführen.

      Ein schriller Pfiff ertönt, einer der Götter steigt auf eine Bank und verkündet von oben den Jagdbeginn. Die Treiber stellen sich, mit jeweils zwanzig Schritten Abstand zueinander, in einer langen Reihe auf. Hinter dieser Linie platzieren sich Albano, ein weiterer Gott und Varus; der gibt das Kommando. „Männer! Haltet die

      Linie und eure Abstände ein und jetzt nur in diese Richtung bewegen. Abmarsch!“ Die Treiberkette rückt nach Osten auf den, circa tausend Schritte entfernten Wald vor, der an die Lagerwiese angrenzt. Jeder Treiber schlägt immer wieder seine beiden Speere zusammen und stößt ab und zu einen Schrei aus. „Außen weiter vorrücken, weitersagen!“ Schreit Varus und wie am Vortag gelernt, verändert sich die Linie zu einem Kreisbogen um zu verhindern, dass allzu viele Hasen seitlich ausbrechen. Iogi, dessen Platz halb rechts, mehr in der Mitte der Kette ist, sieht die ersten Tiere in Richtung Wald flüchten.

      Die Dörfler an den Flanken sind gerade im Wald verschwunden als Schüsse fallen. „Die äußeren Treiber höchstens 100 Schritt weit in die große Sommerweide hineinlaufen, die inneren Treiber nicht weiter als zum Bach! Denkt daran in Deckung zu bleiben! Weitersagen!“ Brüllt Varus aus dem Hintergrund. Iogi kennt sich jetzt aus, das ist der schmale Wald auf dem Plan der, von der anderen Seite betrachtet, nach dem Grenzbach im verbotenen Gebiet liegt. Das Gewehrfeuer hinter dem Wald wird immer stärker, lässt dann nach und ist, als Iogi sich am Bachrand, hinter einer dicken Erle, in Deckung legt, schon verstummt. Weit oben, auf der sanft zum Grenzbach abfallenden Sommerweide ist, etwa tausendfünfhundert Schritte entfernt, eine Reihe von Geländewagen abgestellt. Alle Götter stehen viel näher zum Bach in einer bogenförmigen Kette, ähnlich der der Treiber und blicken über das Schlachtfeld. Die dünn beschneite Wiese ist mit vielen roten Flecken sowie toten Hasen übersät, einige Hunde laufen auf ihr herum. Ein Gott bläst auf seinem Horn zum Jagdende. Kaum ist der Ton verklungen, ertönt Varuss Stimme von hinter. „Treiber! Helft beim Einsammeln der Hasen und bringt sie zu den Autos! Weitersagen!“

      Nachdem das Wildbret auf zwei Fahrzeugen mit offenen Ladeflächen verstaut ist, steigen die Götter ein und fahren zum Lager. Auch die Dörfler sammeln sich zum Rückmarsch. Sie kommen noch vor den Göttern an, da diese einen größeren

      Umweg machen mussten. Varus teilt nun die Leute in eine Gruppe für Küchendienst und eine andere zur Bedienung ein. Die Arbeit beginnt. Iogi ist bei den Kellnern, er bringt den Göttern die gefüllten Bierkrüge hinein. Das Zelt wird durch zwei Feuerstellen beheizt, sodass es die, dicht an dicht sitzenden, Götter etwas angenehmer haben. Dennoch müssen etliche Runden Schnaps serviert werden, um sie auch von innen zu wärmen.

      Als die Bedienung später das dampfende Jagdessen auftischt, sind die Götter bereits in sehr guter Stimmung. „He, Junge noch ein Bier“ ruft ein Gott. Iogi öffnet die Flasche und will dem Gott einschenken. Dieser zieht seinen Krug aber langsam zurück, sodass Iogi sich weiter vorbeugen muss, um den Krug zu erreichen. Plötzlich spürt er einen derben Griff an seinem Po, weicht erschrocken aus und rempelt den Gott daneben an. Er will gerade zu einer Entschuldigung ansetzen da zischt der Gerempelte den Grapscher an. „Reiß dich zusammen, Joe, selbst dir kann so was in der Öffentlichkeit schaden.“ Ein muffiges „O.K. O.K.“ Ist die Antwort. Und zu Iogi: „Hau ab.“ Bald danach ist das Essen beendet und alle brechen zur Nachmittagjagd auf, die Götter in ihren Geländewagen, die Dörfler wieder auf den Sitzbänken der Transporter. Das Lager soll erst später abgebrochen werden. Nach erneut endlos scheinendem Geschaukel ist das Ziel erreicht. Iogi versucht die Gegend, mit seiner Vorstellung des Planes zu vergleichen. Er steht auf einer Wiese und blickt nach Westen, wo er das fremde Dorf MD4 vermutet. Dort ist, wie rundherum, nur endloser Wald. Solche Stellen gab es viele auf dem Plan; so kann man sich nicht orientieren.

      Aus Westen fährt ein Auto auf sie zu, lässt Albano aussteigen und verschwindet, wie es gekommen ist. Dies bestärkt Iogi in der Vermutung, dass sie nach dorthin treiben werden, so haben die Götter die Abendsonne im Rücken und stehen zwischen uns und MD4. Varus zeigt eher nach Südwesten. „Wir marschieren in diese Richtung. Bildet eine durchhängende Kette und treibt von hier durch den Wald. Auf der anderen Seite am Waldrand in Deckung bleiben, bis die Jagd vorbei ist. Alles, wie heute Vormittag, nur führt diesmal Albert, von seinem Platz in der Kettenmitte aus. Ich gehe ganz an die rechte Flanke und niemand darf sich rechts von mir aufhalten. Auf geht’s Albert übernimm!“ Während dieser die Reihe ordnet, gibt Varus Iogi einen Wink ihm zu folgen und die Beiden eilen zu der Seite, an der Albano auf sie wartet. Zu dritt gehen sie nun gemütlich weiter. Iogi erzählt seinem Opa verstört sein Erlebnis beim Bedienen. Der Priester predigt darauf pathetisch: „Du darfst nicht erschrecken, wenn ein Gott dir die Gnade seiner Berührung erteilt. Dein Benehmen war respektlos. Zu deinen Gunsten spricht nur, dass du dich entschuldigen wolltest und den weiteren Weisungen der Götter, zu verschwinden, sofort gehorcht hast. Ich glaube zehn Gebete sind angemessen.“

      „Ja, ich werde beten“ ist alles, was Iogi erwidert, als er den festen Griff von Albano auf seiner Schulter spürt. „Geht ihr beide langsam vor, ich muss mal in die Büsche.“ Bemerkt Albano und hält Iogi fest. Varus blickt sich kurz um und geht weiter. Als er gut zwanzig Schritte voraus ist, folgt ihm Albano, er lässt Iogi los und spricht leise zu ihm. „Dein Großvater ist außer Hörweite, was ich dir jetzt sage darfst du ihm niemals erzählen und auch keinem anderen mitteilen, dass ich es dir gesagt habe. Hüte dich vor Joe! Wenn er in dein Dorf kommt, lauf fort, versteck dich und zeig dich erst wieder, wenn er verschwunden ist. Geh nie zuerst zum Bürgermeister, zu deinen Eltern oder gar zu deinem Großvater, es kann nämlich möglich sein, dass er denen befohlen hat dich festzuhalten, bis er wiederkommt. Und wie gesagt, absolutes Schweigen über unser Gespräch und keine Fragen.“

      Albano geht nun voran und hat Varus schnell eingeholt. Iogi trottet verblüfft hinterher. Bald haben die Drei den Wald durchschritten und wieder eine Wiese erreicht. In über zweitausend Schritten Entfernung, sind die Geländefahrzeuge zu sehen, die Sicht auf die Jäger wird durch einen Waldvorsprung verdeckt. „Du kannst dort bei der großen Buche Posten beziehen.“ Befiehlt Albano Iogi und deutet auf den markanten Baum in etwa dreihundert Schritten Entfernung. Iogi merkt, dass die Beiden ihn loswerden wollen, und läuft ohne Widerrede zu dem Baum. Dort sucht er sich einen passablen Sitzplatz und versucht seine Gedanken zu ordnen. Die Jagd hat begonnen. Leise schallen das Schlagen der Speere und das Rufen der Treiber in der Ferne. Iogi hört näherkommende Schritte, er geht ihnen entgegen, um die Leute darauf hinzuweisen, dass sie in diese Richtung nicht weiter gehen dürfen, und steht plötzlich zwei Göttern gegenüber. „Weißt du, wo der Priester steckt?“ „Dort mein Gott.“ Antwortet Iogi und deutet in die Richtung. „Lauf voran und sag dem Priester er soll sofort zum Jagdleiter kommen, so schnell wie möglich, jede Minute zählt!“ Iogi rennt los. Die Jagd ist in ihrer heißen Phase, man hört die ersten Schüsse. Ganz außer Atem stützt er sich auf seinen Speer und überbringt die Nachricht. Varus springt auf und läuft Richtung Jagd, er hat noch keine zehn Schritte geschafft als, Albano schreit. „Halt, bleib hier, da stimmt was nicht!“ Varus bleibt stehen und wendet sich den Beiden zu. Iogi hört es hinter sich rascheln und dreht sich um, Albano, der neben ihm steht, tut es ihm nach.

      Aus dem Gebüsch brechen zwei Männer hervor, ihre Stöcke zum Schlag erhoben. Iogi stellt sich instinktiv einem in den Weg, um Albano zu schützen. Der eine Mann muss also zuerst den Jungen beseitigen, er schlägt von oben Richtung Kopf. Nun macht sich das viele Stocktraining für Iogi bezahlt. Er reißt seinen Speer zur Deckung nach oben, die rechte Hand greift ihn fest und ist höher als die linke, die nur offen führt. Der Schlag des Erwachsenen lässt Iogis Arme erzittern, doch er rutscht an dem schräg stehenden Stab ab. Albano hat keinen Speer, er hat auch nicht die Reaktion eines Jugendlichen, er hebt den linken Arm zu Schutz und wird da von dem zweiten Mann getroffen. Sein Schmerzensschrei übertönt das Geräusch brechender Knochen.